Der afrikanische Kontinent ist für das Gros der deutschen Mittelständler nach wie vor ein weißer Fleck auf der Landkarte – und dies, obwohl viele afrikanische Staaten in den vergangenen Jahren zahlreiche Reformen auf den Weg gebracht haben, die demografische Entwicklung günstig ist, und auch die Wachstumsaussichten in vielen Länder überzeugen. Im Interview mit kapitalmarkt.blog erklärt Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer beim Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft, weshalb Afrika und Mittelstand gut zusammenpassen, und KMU mit Weitsicht zeitnah damit beginnen sollten, ihre Fühler gen Afrika auszustrecken.
Herr Kannengießer, seit Jahren strebt die Bundesregierung an, die deutsche und afrikanische Wirtschaft stärker miteinander zu verzahnen. Sind Sie zufrieden mit den Ergebnissen?
Christoph Kannengießer: Die aktuellen Pläne und Initiativen der Bundesregierung zielen unter anderem drauf ab, Rahmenbedingungen für Unternehmen auf dem afrikanischen Kontinent zu verbessern, deutsche Investitionen in Afrika zu fördern und wirtschaftliche Perspektiven vor Ort zu schaffen. Das ist ein guter und wichtiger Ansatz, den die deutsche Wirtschaft in jedem Fall unterstützt.
Die im Rahmen der „Compact with Africa“-Initiative beschlossene Verbesserung der Konditionen für Hermes-Bürgschaften für einzelne afrikanische CwA-Partnerländer war ein längst überfälliger Schritt. Und er hat gezeigt, was mit dieser Maßnahme, die zudem leicht umzusetzen ist, erreicht werden kann: Das Deckungsvolumen bei den Exportkreditgarantien ist 2018 im Vergleich zum Vorjahr um gut zwei Drittel auf 1,8 Milliarden Euro angestiegen. Dies sollte die Bundesregierung veranlassen, die Exportkreditgarantien für afrikanische Länder weiter zu erleichtern. So sollten beispielsweise auch die Konditionen für die bislang noch ausgenommenen Compact-Länder konsequenterweise angeglichen werden. Außerhalb des Compact dürfen vor allem die für die deutschen Unternehmen wichtigen Schwergewichte wie beispielsweise Nigeria nicht vergessen werden.
Wenn wir aber einen Schub an Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent auslösen wollen, dann brauchen wir darüber hinaus neue Garantie-Instrumente und eine gezielte Unterstützung für den deutschen Mittelstand. Der von der Bundesregierung im Oktober auf unserer G20-Investitionskonferenz angekündigte „Entwicklungsinvestitionsfonds“ geht in die richtige Richtung, muss jetzt allerdings zügig konkretisiert werden.

Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer beim Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft
Was muss Ihrer Meinung nach konkret verbessert werden?
Christoph Kannengießer: Viele unserer Wettbewerber, vor allem aus Schwellenländern, haben in der einen oder anderen Art und Weise Flankenschutz und Rückendeckung, insbesondere im Sinne einer Risikoabsicherung. Da sind wir immer noch hinterher. Das ist einer der Gründe, warum die deutsche Wirtschaft und gerade der risikoscheue und –anfällige deutsche Mittelstand bislang in Afrika eher zurückhaltend war. Das beginnt sich aber zusehends zu ändern. Wir sehen aktuell Rekordwerte bei den Investitionsgarantien für Afrika, die in einer aktuellen Pressemitteilung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie veröffentlicht wurde. Demnach hat sich der Anteil von abgesicherten Projekten in Afrika am Garantiegesamtvolumen im Vergleich zum Vorjahr von 0,2 Prozent auf elf Prozent im Jahr 2018 erhöht.
Die bereits erfolgten Erleichterungen bei den Garantien und die gewachsene Bereitschaft der Bundesregierung, diese auch für Länder mit einem herausfordernden Risikoprofil zu übernehmen, begrüßen wir sehr. Wir empfehlen aber eine Ergänzung des Instruments. So könnten beispielsweise Kosten der Projektentwicklung im Vorfeld von Investitionen oder wirtschaftliche Risiken bei Investitionen in Entwicklungsländern zusätzlich abgefedert werden, um noch mehr Beschäftigung schaffende Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent zu stimulieren und die private Finanzierung des dringend notwendigen Ausbaus der Infrastruktur zu erleichtern.
In den vergangenen Jahren haben viele afrikanische Staaten etliche Reformen auf den Weg gebracht und die mittel- und langfristigen Wachstumsaussichten können sich ebenfalls sehen lassen. Weshalb ist der Kontinent für zahlreiche Mittelständler dennoch nach wie vor ein weißer Fleck auf der Landkarte?
Christoph Kannengießer: Neben den Finanzierungsthemen spielt das Image des Kontinents eine wichtige Rolle. Unsere Firmen wissen wenig. Und das, was sie in den Medien lesen und hören ist extrem problemorientiert. Die Chancen in Afrika werden nicht genug beleuchtet. Wir wissen aber auch, dass unsere Mittelständler in anderen Regionen gut ausgelastet sind. Darunter leidet der afrikanische Kontinent. Hier beginnt sich aber der Wind zu drehen, denn in vielen anderen Regionen scheinen die „fetten Jahre“ ein wenig zu Ende zu gehen.
Krieg, Korruption und Krisen: Viele Unternehmer dürften zahlreiche afrikanische Staaten nach wie vor mit diesen drei K´s in Verbindung bringen. Überschätzen heimische KMU die Risiken in Afrika?
Christoph Kannengießer: Eindeutig. Die Risiken sind in vielen Ländern nicht höher als anderswo auf der Welt. Es ist nicht schrecklich viel anders als in Asien oder Lateinamerika. Risiken sind vorhanden, aber zu managen. Unsere Botschaft lautet: Afrika ist nicht einfach, aber lohnt sich. Das größte Risiko ist nach meiner Einschätzung also, dass wir in Afrika zu spät auf den fahrenden Zug aufspringen.
Fehlt es deutschen KMU an Mut, Geschäfte in Afrika zu machen?
Christoph Kannengießer: So pauschal kann man das auf keinen Fall sagen. Es gibt viele Gründe für die bisherige Zurückhaltung. Wir machen den Firmen Mut und unterstützen sie, wo wir können. Und das führt oft zu sehr spannenden Projekten und großen Erfolgen.
Einige mittelständische Unternehmen halten sich womöglich auch mit einem Engagement zurück, weil sie befürchten, vor Ort eine unzureichende Infrastruktur und zu wenig qualifizierte Arbeiter vorzufinden. Zurecht?
Christoph Kannengießer: Das sind natürlich Herausforderungen. Aber auf dem afrikanischen Kontinent gibt es zum Beispiel mehr Mobilfunkanschlüsse als in Europa. Es entstehen permanent neue Infrastrukturprojekte, die den Rückstand bei Straßen, Häfen und Flughäfen zu schließen beginnen. Wir sehen das Entstehen eines afrikanischen Unternehmertums. Wir sehen einen Willen, Afrika zu industrialisieren – und zwar möglichst klimaneutral. Das heißt, es gibt einen riesigen Bedarf nach erneuerbaren Energien. Da spielt die deutsche Wirtschaft seit vielen Jahren eine führende Rolle, aber noch nicht in Afrika. Es gibt hohe Wachstumsraten. Beiersdorf produziert in Kenia Konsumgüter wie Waschmittel, Seifen oder Kosmetika und VW baut in Ruanda und Kenia erste Fertigungsstrecken außerhalb Südafrikas auf. Viele Mittelständler sind in Projekten erfolgreich und fangen an zu investieren. Auch in die Arbeitskräfte vor Ort – und das mit viel Erfolg.
Sind deutsche KMU in Afrika überhaupt willkommen?
Christoph Kannengießer: Eindeutig! „Made in Germany“ hat in Afrika einen sehr guten Ruf und es wird viel geschwärmt von den deutschen Qualitätsprodukten. Gerade im Vergleich zu chinesischen Massenwaren. Viele deutsche Unternehmen tragen zudem mit ihren hohen Sozial- und Umweltstandards zu einer nachhaltigen Entwicklung auf dem afrikanischen Kontinent bei. Deutsche Unternehmen haben mit ihren Produkten und Technologien weltweit nachgefragtes Knowhow für die Herausforderungen des Klimaschutzes und der Industrialisierung zu bieten. Das wissen unsere Partner.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.