Der Blogbeitrag vom 20. März 2024 (hier geht es zum Beitrag) gab bereits einen ersten Überblick über die Vorteile, Struktur und rechtlichen Hintergründe der Aktien(wahl)dividende. Diese ermöglicht es Unternehmen, deren Aktien im regulierten Markt oder Freiverkehr notiert sind, einen erheblichen Teil ihres Bilanzgewinns nach Wahl des Aktionärs liquiditätsschonend statt in bar (teilweise) in Form von Aktien auszuschütten und gleichzeitig heterogenen Aktionärsinteressen (Dividende vs. Thesaurierung) gerecht zu werden.
Daran anknüpfend richtet dieser Beitrag seinen Blick insbesondere auf die erste Transaktionsphase bis zur Fassung des Gewinnverwendungsbeschlusses und Veröffentlichung des Bezugsangebots.
Im Zentrum der Aktiendividende steht der Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung, mit dem über die Höhe der Dividende und die Möglichkeit der Aktionäre, diese in Form von Aktien zu beziehen, Beschluss gefasst wird. Dieser beruht auf einem mit der Hauptversammlungseinladung zu veröffentlichenden Beschlussvorschlag des Vorstands und des Aufsichtsrats.
Wegweisender Transaktionsvertrag
Der Veröffentlichung der Hauptversammlungseinladung geht eine mehrwöchige Vorbereitungsphase voraus. In diesem Zeitraum werden zwischen der Gesellschaft und der begleitenden Bank üblicherweise ein Transaktionsvertrag ausverhandelt und abgeschlossen, der die technische Abwicklung der Aktiendividende regelt – und die für die Durchführung der Transaktion erforderlichen Dokumente entworfen.
Parallel dazu erfolgt die gerichtliche Bestellung des Sacheinlageprüfers. Diese sollte möglichst frühzeitig angestoßen werden, um das Risiko einer verspäteten Entscheidung des zuständigen Gerichts zu minimieren. Daneben ist die Einrichtung einer Transaktionshomepage vorzubereiten. Diese ist mit einem Disclaimer und Webfilter zu versehen, der die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben (einschl. US-rechtlicher Bestimmungen) sicherstellt. Dazu gehören insbesondere der beschränkte Personenkreis, an den sich das Angebot richtet. Dabei richtet sich das Angebot üblicherweise neben in Deutschland ansässigen Aktionären auch an qualifizierte (institutionelle) Anleger im EWR, in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten (nach Rule 144A des US Securities Act) – nicht aber an Aktionäre in Australien, Japan, Kanada oder anderen Jurisdiktionen, in denen ein Angebot der Aktien unzulässig ist oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zulässig wäre.
Das prospektbefreiende (bzw. -ersetzende) Dokument nimmt eine zentrale Rolle ein
Zu den Dokumenten, die gleichzeitig mit der Hauptversammlungseinladung zu veröffentlichen sind, zählt die erste Fassung des im Laufe der Transaktion mehrfach zu aktualisierenden prospektbefreienden (bzw. -ersetzenden) Dokuments. Dieses Dokument, dem eine zentrale Rolle in dem gesamten Prozess zukommt, umfasst in der Regel rund 10 Seiten und informiert die Aktionäre über die Anzahl und Art der Aktien sowie die Gründe und Einzelheiten des Angebots. Dies umfasst unter anderem auch die Grundlagen für die Berechnung des erst später (während der Bezugsfrist) festzulegenden Bezugspreises und des Bezugsverhältnisses. Dabei orientiert sich der Bezugspreis an einem Referenzpreis, der regelmäßig dem volumengewichteten Börsendurchschnittskurs der Aktie der Gesellschaft am vierten Geschäftstag vor Ende der Bezugsfrist entspricht, und auf den üblicherweise ein Abschlag in Höhe von rund 2 bis 4 Prozent gewährt wird. Das Bezugsverhältnis berechnet sich aus der Division des so berechneten Bezugspreises durch die Höhe des Dividendenanspruchs.
Weiterhin mit der Hauptversammlungseinladung veröffentlicht werden – als Serviceleistung der Gesellschaft – regelmäßig ein Informationsdokument (sog. Q&A), das für Aktionäre praktisch relevante Fragen im Zusammenhang mit der Aktiendividende übersichtlich und präzise beantwortet, sowie ein Dividendenrechner-Tool, mit dem die Aktionäre – zunächst auf Grundlage eines frei variierbaren fiktiven Referenzpreises – Planrechnungen darüber anstellen können, wie viele neue Aktien für eine bestimmte Anzahl Dividendenansprüche aus bestehenden Aktien bezogen werden könnten.
Nach der Hauptversammlung geht es schnell
Erst einige Wochen später, am Vorabend oder Morgen der Hauptversammlung, beschließen Vorstand und Aufsichtsrat, sofern sie vor dem Hintergrund der Entwicklung des Aktienkurses an der Aktiendividende festhalten, über die der Aktiendividende zugrundeliegende „bis zu“-Sachkapitalerhöhung aus genehmigtem Kapital gegen Einbringung der durch den bevorstehenden Gewinnverwendungsbeschluss der Hauptversammlung zu schaffenden Dividendenansprüche. Stimmt die Hauptversammlung dem Beschlussvorschlag über die Gewinnverwendung – einschließlich Aktiendividende – zu, beginnt die Bezugsfrist regelmäßig schon am darauffolgenden Geschäftstag.
Fortsetzung folgt.

© Gleiss Lutz

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Dr. Stephan Aubel, LL.M. (Philadelphia) (links), ist Partner und Leiter, Dr. Walter Andert, LL.M. (Groningen), ist Mitarbeiter des Equity Capital Markets-Teams von Gleiss Lutz. In den vergangenen Jahren haben beide zahlreiche Unternehmen bei Börsengängen, Kapitalerhöhungen (einschließlich Aktiendividenden), der Begebung von Wandelanleihen, öffentlichen Übernahmen sowie Delistings beraten.