Home Gastbeiträge Auch KMU kommen in Zukunft nicht an Active und Direct Sourcing vorbei

Auch KMU kommen in Zukunft nicht an Active und Direct Sourcing vorbei

von Lieselotte Hasselhoff

Kein Tag vergeht, an dem in Deutschlands Unternehmen nicht über den Fachkräftemangel und damit verbunden über den War for Talents gesprochen wird. Im Rennen um die besten Talente reicht es aber schon lange nicht mehr, eine Stellenanzeige zu schalten und zu hoffen, dass der oder die Richtige unter den Einsendungen dabei ist. „Post and Pray“, das war einmal. Stattdessen müssen Unternehmen selbst aktiv werden: Active Sourcing oder Direct Sourcing sind aus der Recruiting-Welt nicht mehr wegzudenken. Kleine und mittelständische Unternehmen scheuen häufig noch den Weg über Karrierenetzwerke oder soziale Medien. Damit verpassen sie viele Chancen, High Potentials zu verpflichten. Ein Gastbeitrag von Klaus Becker, Gründer und geschäftsführender Partner der Personalberatung BECKER + PARTNER.

Bis 2025 fehlen der deutschen Wirtschaft laut einer Studie der Wirtschaftsforschungsfirma Prognos bis zu 2,9 Millionen Fachkräfte. Dabei ist der demografische Wandel noch nicht einmal auf dem Höhepunkt: Wenn die sogenannten Babyboomer nach und nach in Rente gehen, erhöht sich die Zahl nach Angaben der Wirtschaftsforscher bis 2031 auf 3,6 Millionen. Erst danach beginnt sich die Lücke wieder etwas zu schließen. Dieser Mangel könnte die Wirtschaftskraft in Deutschland erheblich ausbremsen.

Heute müssen Unternehmen die Bewerber überzeugen – nicht umgekehrt

Damit sie nicht abgehängt werden, führt für Unternehmen jeder Größenordnung an der aktiven Personalsuche kein Weg vorbei. Denn die Fachkräfte von heute wollen gefunden werden. Das liegt einerseits daran, dass sich die Vorzeichen geändert haben: Früher mussten Bewerber zusehen, aus der Fülle der Jobsuchenden herauszustechen. Heute müssen umgekehrt die Unternehmen versuchen, sich für Bewerber interessant zu machen. Andererseits sind die jungen Talente überwiegend digital unterwegs und erwarten das auch von ihren künftigen Arbeitgebern. Deswegen sollte der Mittelstand auf modernes Recruiting über Xing, Linkedin oder Experteer ebenso wenig verzichten, wie auf die Kandidatensuche per Facebook oder Instagram.

Die gute Nachricht ist: Die Unternehmen profitieren gleich mehrfach. Sie können viel zielgerichteter in einem großen Pool von Kandidatinnen und Kandidaten suchen. Außerdem spart die aktive Suche Zeit bei der Besetzung der Stelle – auch wenn sie zunächst aufwändiger ist. Es ist keine Seltenheit, dass bis zu sechs Monate vergehen, bis eine freie Stelle besetzt ist. Greifen Personalverantwortliche auf bestehende Talentpools zurück und sprechen mögliche Kandidaten selbst an, lässt sich die Zeitspanne bis zur Vertragsunterschrift deutlich verkürzen. Auch andere digitale Werkzeuge sind hierbei hilfreich: Die Coronazeit hat schließlich gezeigt, dass Vorstellungsgespräche auch sehr gut per Videocall funktionieren.

Active Sourcing: nicht nur für Headhunter

Top-Unternehmen machen es schon länger vor: 8 von 10 Top-1000-Unternehmen betreiben die Stellenbesetzung aktiv und gehen auf potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten zu, kleine und mittelständische Unternehmen haben unserer Erfahrung nach oft Berührungsängste. Manche Mittelständler meinen noch, dass Active Sourcing nur etwas für Headhunter ist. Andere finden es kompliziert oder fürchten den Zeitaufwand. Zwar nutzt laut Umfragen gut die Hälfte aller Mittelstandsunternehmen auch Active Sourcing, d.h. aber im Umkehrschluss – die andere Hälfte tut es nicht.

Bei der klassischen Rekrutierung per Stellenanzeige müssen Unternehmen jedoch hoffen, dass die passenden Fachkräfte genau dann aktiv auf Jobsuche sind, wenn die Anzeige geschaltet ist. Hier verschenken sie unglaublich viel Potenzial. Denn Umfragen zeigen: Ein Großteil der Beschäftigten ist grundsätzlich bereit, den Arbeitsplatz aufzugeben – wenn alles passt. Wir erleben es in unserer Praxis, dass drei von vier angesprochenen Kandidaten sich für einen Wechsel entscheiden, auch wenn sie sich vorher damit überhaupt nicht beschäftigt haben. Hinzu kommt, dass man Fachkräfte, erfahrene Führungskräfte und Geschäftsführer, mit fundierten Branchenkenntnissen mit Stellenanzeigen einfach nicht erreicht.

KI entlastet Personalabteilungen

Da der Fachkräftemangel auch in den Personalabteilungen deutlich zu spüren ist, bieten Active-Sourcing-Werkzeuge wertvolle Unterstützung. Die Digitalisierung liefert dabei entscheidende Vorteile. Mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz lassen sich passende Profile in Sekundenschnelle aufrufen. Die Ansprache allerdings sollten die Personaler höchstens ganz am Anfang der Maschine überlassen. Ein persönliches Anschreiben zeigt die Wertschätzung, die das Unternehmen seinem potenziellen neuen Mitarbeiter oder der Mitarbeiterin entgegenbringt. Standardanschreiben dagegen landen meist im Papierkorb. Für die junge Generation ist eine Wohlfühlatmosphäre schon vom ersten Kontakt mit einem möglichen Arbeitgeber extrem wichtig. Das hören wir in Kandidatengesprächen immer wieder. Oft ist die Unternehmenskultur sogar entscheidender für eine Zusage als das Gehalt.

So punkten Firmen im Rennen um die besten Talente

Fachkräfte haben die Qual der Wahl, daher tun KMU gut daran, ihre Vorzüge herauszustellen. Insbesondere Unternehmen, die bei Absolventen und Fachkräften nicht als Top-Arbeitgeber bekannt sind, müssen Bewerbern etwas bieten, um sie für sich zu gewinnen. Häufig verfügen kleine und mittelständische Unternehmen jedoch über das, was die jungen Fachkräfte suchen – eine familiäre Atmosphäre, flache Hierarchien, kurze Wege oder einen stärkeren Zusammenhalt als es in großen Firmen der Fall ist. Dazu kommt, dass viele KMU an Lösungen für die drängenden Probleme unserer Zeit tüfteln. Gerade für die junge Generation ist das ein wichtiges Argument. Außerdem können KMU ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beispielsweise mit großzügigen Regelungen beim Mutterschutz, Homeoffice oder flexiblen Arbeitszeiten ihre Wertschätzung zeigen. Die Praxis beim Recruiting zeigt aber auch, dass vielfältige Aufgabenfelder und gute Entwicklungsmöglichkeiten noch wichtigere Gründe sind, sich für ein Mittelstandsunternehmen zu entscheiden. In großen Unternehmen sind die Beschäftigten oft auf ihren speziellen Fachbereich abonniert. Kleinere und mittlere Unternehmen bieten viel schneller die Möglichkeit, ein qualifiziertes und breites Arbeitsfeld zu übernehmen. Zudem stehen Hunderttausende kleine und mittlere Unternehmen in den kommenden Jahren zur Übernahme an. Aufstiegsmöglichkeiten gibt es also reichlich für junge Talente.

Der Mittelstand hat schon immer flexibel auf neue Herausforderungen reagiert. Das hat auch die Corona-Krise wieder gezeigt. Deswegen sind wir zuversichtlich, dass es gelingt, dem Fachkräftemangel zu begegnen. Nicht zuletzt auch mithilfe moderner Recruiting-Werkzeuge.


Klaus Becker ist Gründer und geschäftsführender Partner der Personalberatung BECKER + PARTNER. Sein Anliegen bei der Gründung vor 20 Jahren: Eine neutrale und kundenorientierte HR-Beratung für mittelständische Unternehmen und Top-Kandidaten zu erbringen. BECKER + PARTNER berät deutschlandweit Industrieunternehmen bei der nachhaltigen und professionellen Personalgewinnung und -entwicklung. Für seine Arbeit wird das Unternehmen seit Jahren als bester Mittelstandsdienstleister (WirtschaftsWoche) und als Top-Consultant (Deutscher Mittelstands-Summit) ausgezeichnet. www.personalberatung-mittelstand.de

You may also like

Hinterlassen Sie einen Kommentar