Schon seit Jahren geht im deutschen Mittelstand das Gespenst der Digitalisierung um. Nach einer vorläufigen Belebung durch die Corona-Pandemie droht die Entwicklung derzeit wieder ins Stocken zu geraten. Vor allem in der Automatisierung laufen KMU dem Trend weiterhin hinterher. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, müssen Unternehmer gerade jetzt auf Innovation setzen.
Die Digitalisierung im deutschen Mittelstand hat durch die Corona-Pandemie einen gewaltigen Schub erlebt. Der äußere Zwang zu Home Office und Videokonferenzen brachte auch bislang wenig digitalisierte Unternehmen dazu, ihre lang gehegten Vorurteile über Bord zu werfen. Allerdings wird das Potenzial bislang nicht voll ausgeschöpft, vor allem in der Automatisierung von Prozessen.
Eine Studie des Software-Anbieters SAP Concur ergab, dass viele Prozesse im Mittelstand weiterhin manuell ablaufen. So sind zum Beispiel Freigabeprozesse auf Papier für 28 Prozent der Befragten ein wesentlicher Hemmschuh im Arbeitsalltag. Außerdem klagt ein Drittel der Mitarbeiter über veraltete Hardware, jeder vierte über veraltete Software. Auch der IT-Support wird von 18 Prozent der Befragten bemängelt. All dies geht zu Lasten wertschöpfender Tätigkeiten, für die dann weniger Zeit bleibt.
Geringer Grad an Automatisierung
Dabei könnte ein höherer Automatisierungsgrad helfen, den Material- oder Energieverbrauch zu senken und die Produktivität zu erhöhen, was bitter nötig wäre. Denn laut Agenda Produktivität und Teilhabe der Bertelsmann Stiftung haben es gerade kleine und mittlere Unternehmen in den vergangenen Jahren versäumt, gezielt in Innovation zu investieren. Dabei wirken sich insbesondere Investitionen in Wissenskapital sowie Informations- und Kommunikationstechnologien unmittelbar auf die Produktivität aus.
In der Folge setzt sich ein Trend fort, der sich bereits seit der Finanzkrise 2008 beobachten lässt: Mittelgroße und kleine Firmen hinken in der Produktivitätsentwicklung den Großunternehmen immer weiter hinterher. Vor allem größere Unternehmen haben in den letzten Jahren ihre Innovationsbudgets kontinuierlich ausgeweitet – auch während der Krise. Denn sie haben erkannt, dass Digitalisierung und Automatisierung die entscheidenden Faktoren sind, damit die deutsche Wirtschaft auch künftig wettbewerbsfähig bleibt.
Zu wenig Investition in Innovationen
Die Mittelständler sind sich dieses Mankos durchaus bewusst. Laut einer Studie des IT-Branchenverbandes Bitkom bezeichnen sich lediglich 30 Prozent der mittelständischen Unternehmen als Vorreiter der Digitalisierung. Fast doppelt soviele (58 Prozent) sehen sich als Nachzügler. In Großunternehmen ist es indes genau umgekehrt. Hier sieht sich über die Hälfte als Vorreiter und nur gut jeder dritte als Nachzügler.
Als häufigster Grund für den massiven Nachholbedarf bei der Digitalisierung geben 81 Prozent der befragten Unternehmen fehlende finanzielle Mittel an, gefolgt von den Anforderungen an den Datenschutz (67 Prozent) und die IT-Sicherheit (61 Prozent). Auch die Komplexität des Themas und der Mangel an geeigneten Fachkräften zur Umsetzung spielen mit 58 bzw. 51 Prozent eine nicht unerhebliche Rolle. Jedes dritte Unternehmen gibt an, schlicht keine Zeit für die Digitalisierung zu haben. Eine fatale Fehleinschätzung, die langfristig zu Wettbewerbsnachteilen führt, gerade für KMU.
Auf dem Weg zu Industrie 4.0
Wenn KMU künftig nicht den Anschluss im Technologie-Sektor verlieren wollen, müssen sie stärker auf Technologien der Industrie 4.0 setzen. Dazu gehört zum Beispiel die Vernetzung von Geräten und Maschinen im Betrieb über sogenannte IoT-Plattformen. Auch die Anschaffung und Nutzung von 3D-Druckern kann ein Innovationstreiber sein. Hierfür müssen geeignete Grundlagen geschaffen werden, wie etwa die Verfügbarkeit des neuen Funkstandards 5G.
Will Deutschland in diesem Bereich kompetitiv bleiben, müssen aber nicht nur KMU digitale Prozesse einleiten. Auch der Gesetzgeber ist gefragt, mit Reformen bürokratische Hürden abzubauen und Fördergelder schneller zu verteilen. Gleichzeitig müssen zukunftsorientierte Technologien vor allem im Mittelstand priorisiert und KMU so zum Kern einer innovativen Wirtschaftspolitik werden.
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