Die Autoindustrie steht vor gewaltigen Herausforderungen – und besonders hart trifft es die Zulieferer. Der Absatz schwächelt auf allen wichtigen Märkten, hohe Investitionen für Elektroantriebe, autonomes Fahren und andere Zukunftstechnologien sind fällig. Vor allem Autozulieferer, die am Verbrennungsmotor hängen, müssen schnellstmöglich umdenken. Sonst könnte das einstige Aushängeschild des deutschen Mittelstandes bald zum alten Eisen gehören.
Die deutsche Industrie schwächelt – allen voran das Aushängeschild Automobilbranche. Nicht nur das Nummer-Eins-Thema der Stunde, der Klimawandel, macht der Branche zu schaffen. Schon bevor der Ausstieg aus dem Verbrennermotor verstärkt auf die Agenda rückte, lies die Nachfrage in Wachstumsmärkten wie China nach. Einen vergleichbaren Wachstumsmarkt, wie es das Reich der Mitte seit den 90er-Jahren war, wird es wohl nicht erneut geben.
Die Nachfrage schwächelt und die Innenstädte und Schnellstraßen sind vielerorts komplett überfüllt. Auch wenn technologisch ausgereifte E-Autos, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, wohl die Zukunft umweltschonender Fortbewegung sind: Solange jeder Pendler im eigenen Fünfsitzer herumfährt, verstopfen die Autobahnen weiter und auch die Umwelt leidet. Ressourcenverschwendung bedeutet immer unnötige Belastung – wenngleich diese durch E-Autos und Windräder deutlich reduziert wird.
Mobilität vor tiefgreifenden Veränderungen
Für die Autohersteller ist der Weg daher klar: Der Verbrenner muss durch den Elektromotor ersetzt werden. So lässt sich der Schadstoffausstoß nach und nach über eine immer grünere Stromerzeugung herunterregeln, das fordert das Gesetz ohnehin. Dann müssen die anderen Probleme der individuellen Mobilität angepackt werden: Fahrassistenzsysteme, beispielsweise durch automatische Abstandsregelung in Verbindung mit einem adaptiven Tempomaten tragen bereits jetzt zur Stauvermeidung bei. Die Technologie reift aus, der Übergang zum autonomen Fahren wird fließend verlaufen. Irgendwann steuert sich die Autokolonne dann vollständig autonom.
Dadurch wird ermöglicht, was schon lange nötig ist: Eine raumsparende Fortbewegung, in der kaum noch ein Auto mit lediglich einer Person unterwegs ist. Und die Zeit, in der Automobile viele Stunden oder Tage platzraubend und unbenutzt herumstehen, dürfte in nicht allzu ferner Zukunft ebenfalls der Vergangenheit angehören. Viele sehen in dem Prinzip das Ende der individuellen Mobilität. Für den Verbraucher besteht nun jedoch kein Grund zur Panik: Eine gut organisierte Mobilität durch autonome Elektrotaxis würde auch für den Einzelnen wohl eher zu einem schnelleren, komplikationsfreieren Erreichen des Ziels führen – und die Parkplatzsuche entfällt.
Deutsche Autohersteller hinken hinterher
Spätestens hier wird klar: Die Karten werden völlig neu gemischt. Wenn das Auto nicht mehr an Kunden verkauft wird, sondern an Dienstleister, findet eine Machtverschiebung statt. Die Automobilhersteller werden dadurch im Grunde selbst zu Zulieferern – der eigentliche Wettbewerb findet zwischen den Mobilitätsunternehmen statt. Wenn diese dann auch noch die Software und möglicherweise die Infrastruktur dafür selbst stellen, verstärkt sich diese Tendenz. Tatsächlich hängen die deutschen Autohersteller der internationalen Entwicklung hier deutlich hinterher, wer vorne mitspielen will, muss die Technologie dafür inzwischen häufig einkaufen.
Manch einer prognostiziert nun gleich das Ende der großen Automarken, weil der Nutzen uneingeschränkt an erster Stelle steht. Ein Problem gibt es aber ganz sicher: Wenn die Hersteller selbst zu Zulieferern werden, rücken die eigentlichen Autozulieferer ihrerseits eine Stufe nach unten. Die Margen werden geringer, die Konkurrenz aus dem Ausland wächst zusätzlich – während diese ohnehin oft schon viele Jahre Vorsprung hat. Wenn dann immer mehr Technologie aus dem Ausland zugekauft wird (wie es bereits geschieht), während gleichzeitig im Bau von Elektroautos deutlich weniger physische Bauteile benötigt werden als beim Verbrenner, kann das schwerwiegende Folgen für den gesamten deutschen Mittelstand haben. Schon jetzt zeigt die Kurve nach unten – das schwerste Krisenjahr dürfte aber noch kommen.
Autozulieferer müssen umdenken und neue Schwerpunkte setzen
Autozulieferer, die vom Verbrennungsmotoren abhängig sind, haben bereits zu kämpfen. Künftig dürfte es in der Teile-Fertigung noch deutlich mehr um Haltbarkeit gehen und natürlich um Zukunftstechnologien, um die Sensoren und Kameras für das autonome Fahren, um die Software, die die Manöver blitzschnell berechnen muss, um Komfortfunktionen an Bord und vieles mehr.
Das alles liegt weit außerhalb des traditionellen Geschäftsfeld der meisten Zulieferer. Wer hier aber schneller und effektiver über den Tellerrand hinausdenkt, hat die besten Chancen, den Wandel zu überstehen.
Investitionen und…
Ein gutes Beispiel dafür ist etwa Continental. Der DAX-Konzern hat diesen Trend bereits vor längerem erkannt, baut die Fahrassistenz-Sparte immer weiter aus und könnte so auch für das autonome Fahren wichtige Technologien liefern. Gleichzeitig wird die Mobilitätssparte, mit der Zulieferung für Verbrenner- und Elektro-Motoren, abgespalten. Denn auch bei Elektromotoren ist die Marge aufgrund der Batteriepreise noch extrem gering. Ob der Schritt als Vorzeige-Beispiel geeignet ist, wird sich zeigen müssen. Auf jeden Fall macht er deutlich: Es geht nicht ohne Risiko; radikales Umdenken ist angesagt.
Dazu braucht es natürlich neben einer ehrlichen, kritischen und flexiblen Firmenkultur vor allem eines: Geld. Das Beispiel des Fahrdienstleisters Uber zeigt dabei, wie hoch die Investitionen in die neuen Technologien sind. Es bleibt weiter unklar, ob das Unternehmen je aufhören wird, Verluste zu schreiben, obwohl es als Vorreiter der Branche gilt.
Wer nicht gleich die gesamte neue Mobilität allein erschaffen will, muss sicherlich nicht so tief in die Tasche greifen. Doch auch um einzelne eigene Technologien auf die neuen Anforderungen anzupassen, braucht es Investitionen. Wie bei Uber ist dabei unklar, wann hier mit einer zufriedenstellenden Profitabilität zu rechnen ist. Sicher ist nur: Wer nicht spätestens jetzt handelt, wird zur Zukunfts-Party zu spät kommen – und schlimmstenfalls womöglich ganz vom Markt verschwinden.
…alternative Finanzierungsmodelle sind unerlässlich
Die längerfristige Ausrichtung dieser Investitionen zeigt auch: Bankkredite sind hier nur bedingt geeignet. Einerseits, weil die Banken die Probleme der Branche erkannt haben und Kredite nur noch sehr selektiv vergeben. Andererseits aber auch, weil der Kapitalmarkt hier schlicht die bessere Lösung ist: Es ist nicht klar, wann die Gewinnschwelle bei der neuen Mobilität fallen wird, schon gar nicht für Zulieferer, die von anderen Playern abhängig sind. Daher ist es wichtig, das Kapital hier möglichst fest im eigenen Unternehmen zu verankern.
Ob nun beispielsweise über eine Anleihe oder einen Börsengang hängt auch von den Ansprüchen des eigenen Unternehmens ab. Nicht jede Idee eignet sich als Aufhänger für den Schritt auf das große Parkett – und nicht jedes Unternehmen soll gleich den Besitzer wechseln. Wichtig ist hierfür vor allem ein kompetenter Partner, der den Wünschen des Unternehmers Raum gibt und dann alles reibungslos durchführt.
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