Das neue Bankengesetz Basel III wurde jüngst verschoben. Anstatt zum 1. Januar 2022, sind die neuen Standards nun erst ab 1. Januar 2023 verbindlich. Sinnvoller wäre jedoch, wenn das Projekt nicht aufgeschoben, sondern gleich aufgegeben würde. Grund: Basel III wirkt mit Blick auf die Corona-Krise wie ein starker Dämpfer für die ohnehin angeschlagenen mittelständischen Unternehmen.
Fakt ist: Banken müssen weiter in der Lage sein, einer drohenden Rezession mit zusätzlichen Kreditvergaben entgegenzuwirken. Denn auch in der Zeit nach der Krise ist die verlässliche Versorgung mit Bankkrediten ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die mittelständische Wirtschaft in Deutschland und in ganz Europa. Ein Anstieg der Eigenkapitalanforderungen um durchschnittlich 23,7 Prozent beziehungsweise 91 Milliarden Euro (Quelle: Impact Studie der Eba/Quelle) durch Basel III ist angesichts der gesamtwirtschaftlichen Schäden daher weder leistbar noch realistisch.
Steigende Finanzierungskosten wären fatal
Nicht nur ein EU-Marshallplan ist für die Erholung der Wirtschaft nach der Krise notwendig: Um Unternehmen langfristig Planungssicherheit zu verschaffen, wird auch die Kreditvergabe eine wesentliche Rolle spielen. Aufgrund der neuen Bestimmung würde die Kreditvergabekapazität der Banken jedoch eingeschränkt, folglich würden die Finanzierungskosten für den europäischen Mittelstand steigen.
Erschwerend kommt hinzu, dass die USA sich traditionell deutlich größere Freiheiten bei der Umsetzung von Richtlinien herausnehmen, als die EU und ihre Mitgliedsstaaten. Dies zeigte sich bereits unter anderem bei der Umsetzung von Basel II, die zu massiven Wettbewerbsverzerrungen im Nachgang zur Finanzkrise geführt hat. Europa sollte daher nicht das Ziel verfolgen, erneut Musterschüler bei der Umsetzung der Regulierungsvorgaben zu sein. Vielmehr sollten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um noch weitere Wettbewerbsnachteile für das gesamte Finanzsystem zu verhindern und die Finanzierung des europäischen Mittelstands zu sichern.
Drohende Mehrbelastungen verhindern
Gerade in der aktuellen Krise sollte einer 2019 veröffentlichten Studie, die sich mit den Folgewirkungen des Regulierungspakets beschäftigt, noch mehr Beachtung geschenkt werden. Grund: Die vom renommierten Forschungsinstituts Copenhagen Economics erstellte Studie zeigt, dass weder Banken noch deren Kunden sich in der momentanen Situation über Jahre hinweg weitere Kosten leisten können. Denn so wie es derzeit aussieht, soll laut Studie auf jeden Haushalt durchschnittlich eine Mehrbelastung von 340 Euro im Jahr zukommen. Mittelständische Unternehmen müssten sogar mit bis zu 12.500 Euro höheren Kosten pro Jahr rechnen.
Basel III: Höhere Zinskosten schaden der Wirtschaft
Das Kopenhagener Wirtschaftsinstitut schätzt, dass durch höhere Kreditkosten und Gebühren eine Mehrbelastung von 40 bis 45 Milliarden Euro auf Bankkunden zukommen könnte. Kein Wunder, dass daher auch für Unternehmen die Zukunft unter Basel III nicht rosig aussähe: Für ein Unternehmensdarlehen wurde schon unter normalen wirtschaftlichen Bedingungen erwartet, dass die Kosten um 11 Prozent anziehen würden. Auf Mittelständler würden 7 Prozent höhere Kosten zukommen und Immobilienfinanzierungen würden um 4 Prozent teurer werden.
In Anbetracht des wirtschaftlichen Schocks durch die Corona-Krise dürften die jeweiligen Verteuerungen aber noch stärker ausfallen, mit fatalen Folgen. Schließlich würden höhere Zinskosten zu einem nachhaltigen Rückgang der Kreditnachfrage in Europa führen, was nach der Corona-Krise dringend benötigte Investitionen belasten würde. Dies hätte eine sinkende Produktivität und eine insgesamt abnehmende Wirtschaftskraft zur Folge.
Basel III muss überarbeitet werden
Die strengeren Kapitalvorschriften sind als Folge der Finanzkrise von 2008 auferlegt worden – mit dem Ziel, dass Banken durch die Auflagen widerstandsfähiger werden und im Krisenfall Verlustphasen besser überstehen. So der Plan. Doch die aktuelle Lage zeichnet ein anderes Bild: In Europa läuft bereits ein größerer Teil des Kreditgeschäfts über die Bankbilanzen als in den USA. Die wettbewerbsverzerrenden Auswirkungen der Kapitalvorschriften sind für den Musterschüler EU im Vergleich mit den US-Wettbewerbern bereits heute allgegenwärtig. Eine finale Umsetzung würde einer Bankrotterklärung für das europäische Bankwesen gleichen. Vor diesem Hintergrund muss gerade während des Corona-Schocks die Situation als Chance begriffen werden. Basel III sollte in seiner jetzigen Form aufgegeben und vollständig überarbeitet werden.
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