Während IPOs in den vergangenen Jahren ein Dornröschendasein führten, fand in diesem Jahr ein Umschwung statt. Der Markt für Börsengänge steuert weltweit auf neue Rekorde zu. Auch im kommenden Jahr ist mit einem positiven Umfeld zu rechnen.
Mit Daimler Truck krönte ein Traditionsunternehmen ein positives IPO-Jahr. Die Konzernmutter Daimler spaltete ihre Lastwagensparte ab und brachte sie an die Börse. Die Daimler Truck-Aktie notierte sogar kurzfristig im Elite-Börsenbarometer Dax, wurde am Abend aber wieder aus dem Index entfernt. Der Grund: Bei Ausgliederungen von Dax-Unternehmen ist es üblich, dass die an die Börse gebrachten Sparten zunächst für einen Tag als zusätzliche Werte in den Index kommen.
Positive wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Es war der gebührende Schlussakkord eines überaus ansprechenden IPO-Jahrgangs. Schon im ersten Halbjahr sind weltweit so viele Unternehmen wie lange nicht an die Aktienmärkte gegangen, das Emissionsvolumen war so hoch wie seit 20 Jahren nicht mehr. Allein hierzulande wagten zwischen Januar und Juni 16 Firmen den Gang aufs Parkett. Die IPOs der Newcomer Auto1 (Online-Gebrauchtwagen), Vantage Towers (Funkmasten), Suse (Software), Synlab (Labordienste), About You (Mode), Mister Spex (Online-Optik), Friedrich Vorwerk Group (Rohrleitungsbau) sowie einigen Mittelständlern summierten sich auf mehr als 8,2 Milliarden Euro. Mit dem Spezialchemie-Unternehmen Atotech, dem Biopharmazie-Unternehmen Atai Life Sciences und dem Luxusmode-Onlinehändler Mytheresa zog es drei deutsche Firmen mit einem Emissionsvolumen von insgesamt 1,3 Milliarden Dollar an US-Börsen.
IPOs 2022: Ein weiteres gutes Jahr?
Das dritte Quartal knüpfte nahtlos an die ersten beiden an. Weltweit platzierten 547 Unternehmen erstmals ihre Anteilsscheine öffentlich. Damit lag die Zahl der Börsengänge 23 Prozent höher als im dritten Quartal des vergangenen Jahres. In Deutschland kamen sechs Börsennovizen dazu. Zuletzt sorgte die Sono Group für viel Aufsehen an den Märkten. Das Unternehmen entwickelt E-Autos, die dank eingebauter Solarzellen ihre Akkus selbst aufladen können. Mitte November zu 15 Dollar in den USA an die Börse gebracht, stieg die Aktie schnell bis auf 47,50 Dollar. Doch dann wirkte die Schwerkraft, zuletzt notierte Sono knapp unter dem Ausgabepreis.
Sollte die Corona-Pandemie dem Markt keinen Strich durch die Rechnung machen, dürfte auch 2022 ein Jahr mit anhaltend gutem Umfeld für Übernahmen und Börsengänge in Europa sein. Denn die Pipeline für Börsengänge im kommenden Jahr ist schon jetzt voll.
Gut gefüllte Pipeline
So sind in Deutschland fünf bis acht Börsengänge allein im ersten Quartal zu erwarten. Zu den bekanntesten Börsenkandidaten zählen die Online-Jobplattform Stepstone, der Cloud-Anbieter Ionos, das Datingportal Parship, das Pharmaunternehmen Cheplapharm, der Prothesenhersteller Ottobock sowie der Berliner Online-Kfz-Teile-Händler Autodoc.
Während einige Kandidaten für das kommende Jahr aus dem Portfolio von Finanzinvestoren stammen, dürften auch Spacs, die sich in diesem Jahr großer Beliebtheit erfreuten, fester Bestandteil des IPO-Marktes bleiben. Hier wird zunächst eine leere Mantelgesellschaft (Special Purpose Acquisition Company) an die Börse gebracht, mit deren eingesammeltem Kapital später ein Unternehmen übernommen wird. Es ist sozusagen ein Börsengang durch die Hintertür. Zwar können Unternehmen mit einem SPAC etwas schneller an die Börse kommen, für Mittelständler bleibt neben einem klassischen IPO aber ein Reverse-IPO meist die bessere Wahl.
Reverse-IPO bietet mehr Freiheiten
In der Regel sind diese Art der Mantelfirmen kostengünstiger als ein SPAC. Auf den ersten Blick unterscheiden sich Reverse-IPOs und SPACs nicht wesentlich voneinander. Anders als bei einem SPAC jedoch, bei dem die Investoren die Zielgesellschaft aussuchen, geht bei einem Reverse-IPO die Initiative vom Unternehmer, der seine Firma an die Börse bringen will, selbst aus. So ermöglicht ein Reverse-IPO im Vergleich zum SPAC deutlich mehr Freiheiten. Da das Unternehmen den Börsenmantel selbstbestimmt erwirbt, hält es 100 Prozent der Anteile. Das operativ tätige Unternehmen kann so selbst entscheiden, in welchem Marktsegment es gelistet sein möchte, und wie die Anteile ausgegeben werden. Meist dauert es ebenfalls nur wenige Monate, bis das Unternehmen gelistet ist.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.