China lockt mit starken Wachstumszahlen und einem Markt mit potenziell 1,4 Milliarden Kunden. Viele deutsche Mittelständler wollen daher nicht nur nach China exportieren, sondern auch vor Ort präsent sein. Doch die überbordende Bürokratie und die zunehmende Komplexität neuer Gesetze können Mittelständlern in China schnell einen Strich durch die Rechnung machen.
Chinas rasantes Wachstum ist auch während der Corona-Krise ungebrochen. Im ersten Quartal 2021 ist das Land im Vergleich zum Vorjahres-Zeitraum um 18,3 Prozent gestiegen. Vor Corona wies das „Reich der Mitte“ ebenfalls beachtliche Wachstumszahlen auf: 2019 betrug das Bruttoinlandsprodukt 14,34 Billionen Dollar. Deutschland ist mit einem bilateralen Handelsvolumen von 206 Milliarden Euro einer der wichtigsten Wirtschaftspartner Chinas. Längst haben deutsche Mittelständler den asiatischen Markt für sich entdeckt. Doch für viele KMU ist nicht nur der Export nach China attraktiv, immer mehr mittelständische Unternehmen wollen mit ihrem Unternehmen direkt vor Ort präsent sein.
Die starken jährlichen Wachstumsraten und knapp 1,4 Milliarden potenzielle Kunden locken viele deutsche Unternehmer nach Fernost. Etwa 5000 deutsche Firmen – ein großer Teil davon Mittelständler – sind bereits in China vertreten. 90 Prozent der Betriebe produzieren direkt für den chinesischen Markt. Im Auto- und Chemiesektor sind deutsche Unternehmen besonders stark aufgestellt. Längst haben die beiden Branchen in China, befeuert durch den Boom der Elektromobilität, strategische Bedeutung erlangt.
Nicht für alle Mittelständler ist China das erhoffte Traumland
Die meisten deutschen Unternehmer suchen langfristige Geschäftsbeziehungen. 77 Prozent der Firmen gehen laut der Handelskammer Greater China davon aus, dass Chinas Markt sich deutlich positiver entwickeln wird als andere Volkswirtschaften. Eine überwiegende Mehrheit der Unternehmen (96 Prozent) hat daher keinerlei Pläne, das Land zu verlassen. Kein Wunder: Ein großer Teil der deutschen Unternehmen konnte trotz Pandemie seine Gewinne steigern. Für viele ist das China-Geschäft mittlerweile unverzichtbar.
Doch trotz des beeindruckenden Wachstums ist China für viele Mittelständler nicht das Traumland, das sie sich anfangs erhofft haben. Der chinesische Staat mischt noch immer stark in der Wirtschaft mit und sichert sich so die Kontrolle über die unternehmerischen Tätigkeiten im Land. Darüber hinaus ist es für viele mittelständische Firmen gar nicht so leicht, in China Fuß zu fassen. Viele KMU, die keine finanziellen Mittel haben, um ein eigenständiges Tochterunternehmen in China zu gründen, sind auf Partnerschaften mit lokalen chinesischen Unternehmen angewiesen. Zwar können solche Joint Ventures deutschen Mittelständlern den Markteintritt erleichtern. Sollte die Zusammenarbeit jedoch nicht so gut wie erwartet klappen, ist es für KMU teils sehr schwierig und kostenintensiv, aus diesen Partnerschaften wieder herauszukommen.
Deutsche KMU wünschen sich bessere Wettbewerbsbedingungen
China hat seine Lehren aus dem Handelskrieg mit den USA gezogen und will seine Wirtschaft deutlich autarker machen. Von diesem Schritt profitieren vor allem chinesische Unternehmen, die von der Regierung stärker protegiert werden. Deutsche Mittelständler sehen sich durch den neuen chinesischen Protektionismus benachteiligt. Sie befürchten, dass die chinesische Konkurrenz sich so einen langfristigen Vorsprung sichert. Die Hälfte der Firmen wünscht sich daher bessere Wettbewerbsbedingungen.
Sorgen bereiten deutschen Mittelständlern auch das neue Gesetz zur Cybersicherheit und das Sozialkreditsystem. Das chinesische Gesetz zur Cybersicherheit ist 2017 in Kraft getreten und setzt voraus, dass Netzwerbetreiber eine ordnungsgemäße Datennutzung vorweisen und über eine sichere IT-Infrastruktur verfügen. Die Regelungen sind sehr allgemein gehalten und bieten viel Interpretationsspielraum. Als Netzwerkbetreiber gilt etwa jedes Unternehmen, das in China Datenverarbeitung betreibt. Darunter fallen daher so gut wie alle Unternehmen. Das Gesetz sorgt nicht nur wegen seiner Intransparenz bei vielen deutschen Unternehmern für Unmut, sondern auch, weil die chinesischen Prüfbehörden über weitreichende Kontrollbefugnisse verfügen. Deutsche KMU, die einen Standort in China suchen, müssen sich nicht mehr nur mit dem chinesischen Wirtschafts- und Steuerrecht auseinandersetzen, sondern auch ein kompliziertes Datenrecht beachten.
Bürokratie und Komplexität nehmen zu
Darüber hinaus bereitet das chinesische Sozialkreditsystem vielen Unternehmen Kopfzerbrechen. Hinter den „Sozialkrediten“ verbirgt sich ein umfassendes Überwachungssystem, welches zahlreiche Daten von Privatpersonen und Unternehmen sammelt. Auf Grundlage der Daten werden dann Noten vergeben, die sowohl Belohnungen als auch Sanktionen nach sich ziehen können. Zwar kommt das Kontrollsystem derzeit noch nicht so stark zum Einsatz wie befürchtet, doch deutsche Mittelständler müssen mit zunehmender Bürokratie und Komplexität rechnen. KMU, die eine eigene unternehmerische Präsenz im „Reich der Mitte“ wollen, brauchen daher ein dickes Finanzpolster und kommen an einer eingehenden Beratung und Vorbereitung derzeit kaum vorbei.
Ein Beispiel wie der Start für Mittelständler in China gelingen kann
Die Neue ZWL Zahnradwerk Leipzig GmbH (NZWL) hat vor wenigen Jahren eine eigene Produktionsstätte im chinesischen Tianjin fertiggestellt. Trotz langjähriger Erfahrung mit der Produktion im Ausland gestaltete sich die Integration für den deutschen Mittelständler auf dem chinesischen Markt anfangs schwer. Mit einem Team an Anwälten und Beratern konnten die Transparenzregeln, die für ausländische Investoren gelten, jedoch schon bald umgesetzt werden. Unterstützung gab es auch bei der Überwindung interkultureller Herausforderungen und bei der Rekrutierung neuer Mitarbeiter. Die Investition und Ausdauer hat sich gelohnt: Mittlerweile ist die NZWL fest im chinesischen Markt integriert und hat sich ein Netzwerk an chinesischen Fachkräften aufgebaut.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.