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Chipmangel und Lieferengpässe setzen Mittelstand unter Druck

von Thomas Kaufmann

Seit Monaten klagt die Industrie weltweit über einen Mangel an Halbleitern. Inzwischen ist die Krise auch bei Mittelständlern in Deutschland angekommen. Im kommenden Jahr könnte sich die Lage aber dank Kapazitätsausbau aber zumindest teilweise entspannen.

Von Thomas Kaufmann

Die Knappheit an Chips frisst sich durch viele Branchen. Während Apple sein Produktionsziel für sein neues iPhone wohl um zehn Millionen Einheiten nach unten korrigieren muss, nehmen auch die Sorgen in der deutschen Automobilindustrie immer mehr zu. Dort zieht der Chipmangel mittlerweile immer weitere Kreise. War die Branche noch zu Beginn dieses Jahres von einer deutlichen Erholung der weltweiten Absatzzahlen ausgegangen, musste nach den Automobil-Zulieferern Hella, Faurecia und Magna kürzlich auch der Dax-Konzern Continental dem Chipmangel und den lückenhaften Lieferketten Tribut zollen. Nach Einschätzung von Branchenexperten werden in diesem Jahr auf dem deutschen Automarkt daher so wenige Neuwagen zugelassen wie noch nie seit der Wiedervereinigung.

Engpässe gibt es jedoch nicht nur bei Mikroprozessoren. Wie eine Studie zeigt, mangelt es neben einfachen Steuerungselementen auch an Stahl, Aluminium, Kupfer und anderen Metallen. Die Lager für Kunststoffe und Verpackungsmaterialien bis hin zu Holz für die Bau- und Möbelindustrie sind ebenfalls leer. Ein möglicher Grund: Viele Erzeuger haben im Zuge der Pandemie ihre Kapazitäten gekürzt und können auf die jetzt wieder anspringende Nachfrage nur langsam reagieren.

Engpässe und Chipmangel erreichen den Mittelstand

Die Engpässe haben auch weite Teile des deutschen Mittelstands erfasst. Laut einer Studie haben derzeit 48 Prozent der rund 3,8 Millionen KMUs damit zu kämpfen. Stark betroffen ist vor allem das mittelständische verarbeitende Gewerbe, wo vier von fünf Firmen mit Lieferengpässen konfrontiert sind. Kaum besser präsentiert sich die Lage im Baugewerbe, wo 78 Prozent mit Materialengpässen ringen. Im Groß- und Einzelhandel ist der Anteil der betroffenen Mittelständler mit 63 Prozent etwas geringer. Selbst im Dienstleistungssektor, der generell weniger stark von Vorleistungen abhängt, haben rund 40 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen mit Lieferengpässen zu schaffen.

Wie lange insbesondere Chips auf dem Weltmarkt noch Mangelware bleiben werden, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch offen. Pessimistische Stimmen erwarten bis weit in das kommende Jahr hinein erhebliche Probleme. Der wichtigste Grund: Die Digitalisierung – und damit die Mikroelektronik – hält Einzug in sämtliche Bereiche des Lebens. Die World Semiconductor Trade Statistics sagt für das laufende Jahr ein Wachstum von knapp 20 Prozent voraus. Viele Halbleiter-Hersteller produzieren vor diesem Hintergrund auf Hochtouren, zumal der Bedarf an Chips für Computer, Server oder Smartphones signifikant zugenommen hat. Erschwerend kommt hinzu, dass Halbleiter ein Verfallsdatum haben und nicht zeitlich unbegrenzt im Lager vorgehalten werden können.

Kapazitätsausbau als Hoffnungsschimmer für Mittelständler

KMUs müssen dennoch nicht den Mut verlieren. Denn Mittelständler sind bislang besser durch die Corona-Krise gekommen als erwartet. Zudem könnte sich die Materialknappheit in den kommenden Monaten zumindest etwas entschärfen. Unterstützen könnte dabei der weitere Aufbau von Kapazitäten wie im als „Silicon Saxony“ bezeichneten Chip-Cluster um Dresden herum, wo jeder dritte in Europa produzierte Mikrochip gefertigt wird. Der Stuttgarter Automobilzulieferer Bosch will dort eine Milliarde Euro in eine neue Fabrik investieren. Infineon wiederum hat im September eine Chipfabrik im österreichischen Villach eröffnet. Auch die EU-Kommission sieht Handlungsbedarf und hat den offiziellen Start einer europäischen Allianz für Halbleiter und Mikroelektronik verkündet. Auch wenn viele dieser neuen Produktionsstandorte erst in den kommenden Monaten hochfahren, dürfte der jetzige Chipmangel ein Weckruf für die deutsche und europäische Halbleiter-Industrie gewesen sein.

 

 

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