Die Wirtschaft in Deutschland geht in den nächsten Lockdown. Zwar sagt die Bundesregierung weitere finanzielle Hilfen für angeschlagene Unternehmen zu. Doch in der Vergangenheit kam die dringend benötigte Hilfe wegen bürokratischer Hürden bei den Unternehmen oft viel zu spät an. Besserung gibt es jedoch an anderer Stelle: KMU können sich mit Anleihen jetzt einfacher am Kapitalmarkt finanzieren.
Deutschland geht wegen der stark steigenden Infektionszahlen in den nächsten Lockdown. Obwohl die Restriktionen etwas weniger drastisch als im Frühjahr ausfallen, trifft das erneute Dichtmachen viele Wirtschaftszweige hart. Milliarden Euro an Umsatz fehlen in den Kassen, mindestens 1,1 Millionen Arbeitsplätze im Mittelstand stehen derzeit auf der Kippe. Betroffen sind durch den neuen Lockdown vor allem Gastronomen, Event-Betreiber und weite Teile des Dienstleistungssektors. Schon im Sommer, als die Zahl der Corona-Infizierten wieder abnahm, signalisierte die Wirtschaft, dass sie einen erneuten Lockdown nur schwer überleben würde. Die Bundesregierung fährt daher jetzt wieder alle Geschütze auf, um den Unternehmen finanziell unter die Arme zu greifen. Zehn Milliarden Euro nimmt die Bundesregierung in die Hand, um jene Unternehmen zu unterstützen, die im November schließen müssen oder durch die Restriktionen stark eingeschränkt sind.
Neues Programm soll vor allem KMU unterstützen
Der Bund hat seine Hilfsprogramme verlängert und zahlt KMU und Selbstständigen zudem ab sofort neue Betriebskostenzuschüsse. Unternehmen, die auf diese Zuschüsse zugreifen wollen, müssen die so genannte „Überbrückungshilfe II“ beantragen. Die Fördersätze und Anforderungen an Unternehmen wurden angepasst. Das ist gut für kleinere und mittlere Unternehmen mit geringer Beschäftigungszahl. Konkret sollen Selbstständige und KMU mit bis zu 50 Beschäftigten mit dem Programm unterstützt werden. Solche Unternehmen erhalten als Entschädigung 75 Prozent des Umsatzes, den der Betrieb im November 2019 erzielt hat. Die Hilfen sollen unmittelbar und unbürokratisch fließen, heißt es von Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium. Doch hier liegt der Knackpunkt: Die neuen Hilfen sind auf dem Papier zwar schön und gut, doch schnelle und unbürokratische Hilfe versprachen die Ministerien auch schon beim ersten Lockdown. Von diesem Versprechen blieb für viele Betriebe aber letztlich nicht viel: Die dringend benötigten Gelder kamen in der Vergangenheit bei den Unternehmen häufig nicht an.
Hilfe muss schneller gezahlt werden
Die Regierung muss zeigen, dass sie es endlich ernst meint. Nicht nur mit der Höhe der Fördergelder, sondern auch mit der Schnelligkeit, mit der die Kredite verteilt werden. Denn für viele Betriebe, die kurz vor dem Bankrott stehen, kommt die Hilfe effektiv zu spät. Das hat seine Gründe: Bürokratische Hürden sorgen etwa dafür, dass viele Unternehmen lange auf eine Antwort zu ihrem Förderantrag warten müssen. Zudem werden die von der Bundesregierung versprochenen Fördergelder kaum abgerufen. Von den 50 Milliarden Euro, die für kleine Unternehmen und Solo-Selbstständige in Aussicht gestellt wurden, war nach einem halben Jahr nur rund ein Viertel der Summe abgerufen worden. Grund dafür sind unter anderem hohe Kreditauflagen, die vollkommen an der Lebensrealität der betroffenen Unternehmen vorbeigehen.
Auch bei der Verteilung durch die KfW-Förderbank muss die Regierung deutlich nachbessern. Kleine und mittlere Unternehmen machen einen großen Teil der Förderanträge aus, haben bisher aber wenige Hilfsgelder gesehen. Zwar hat die KfW bereits 45 Milliarden Euro an Krediten bewilligt, doch das Gros der Fördersumme geht auf eine geringe Anzahl großer Unternehmen zurück. Hier macht sich wieder bemerkbar, wie einfach es große Unternehmen im Gegensatz zu KMU haben, an lebensnotwendiges Kapital zu gelangen.
KMU sollten in der Krise auch auf Alternativen setzen
Die Zahlen zeigen: Ein Bankdarlehen wird für viele kleine und mittlere Unternehmen wegen bürokratischer Hürden immer unattraktiver. KMU sollten sich daher nicht vom Wohlwollen ihrer Hausbank abhängig machen, sondern auf alternative Finanzierungsformen zurückgreifen. Denn glücklicherweise hat die Bundesregierung beim Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) nachgebessert und weitet die Garantien für festverzinsliche Wertpapiere aus. Berücksichtigte der WSF bisher nur Anleihen mit einem Volumen ab 100 Millionen Euro, gelten Garantien nun auch für KMU-Anleihen mit deutlich geringerem Volumen. Da die Emission der Anleihen nach einem standardisierten Verfahren abläuft, dürften KMU so deutlich schneller und einfacher an wichtige Hilfsgelder kommen.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.