Nach Monaten des Lockdowns hat die Wirtschaft endlich wieder eine Öffnungsperspektive. Viele Unternehmen rechnen jetzt zwar mit steigendem Wachstum, doch bei vielen Betrieben sind die Rücklagen aufgezehrt, sind Angestellte noch immer in Kurzarbeit. Der Bund muss daher Perspektiven schaffen – mit einer Strategie, die angeschlagenen Unternehmen langfristig Unterstützung bietet und KMU den Zutritt zum Kapitalmarkt erleichtert.
Langsam aber sicher hat Deutschland die Corona-Krise im Griff. Immer mehr Bundesländer kommen aus dem Lockdown, Menschen und auch die Wirtschaft atmen auf. Zwar gab es in der ersten Jahreshälfte 2021 einen weiteren starken Abschwung, doch schon bald dürfte die Wirtschaft zur konjunkturellen Aufholjagd ansetzen. Bei all der schönen Zukunftsmusik dürfen dringende Baustellen jedoch nicht aus dem Blick gelassen werden.
Denn noch immer sind tausende KMU von der Insolvenz bedroht. Zahlreiche Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, Fortbildungen werden gestrichen und deutlich weniger Azubis ausgebildet. Letzteres dürfte vor allem den Mittelstand auch in den kommenden Jahren belasten. So hat im vergangenen Jahr jeder vierte ausbildende Mittelständler weniger neue Lehrlinge eingestellt. Auch in diesem Jahr rechnet ein Viertel der KMU nicht mit mehr Ausbildungen. Das hat langfristige Konsequenzen. Denn der Fachkräftemangel machte den kleineren und mittleren Unternehmen schon vor der Krise schwer zu schaffen. Mit einem Mangel an qualifiziertem Nachwuchs wird sich der Druck auf die Unternehmen nur noch weiter erhöhen.
Punkteplan für die Zeit nach Corona
Damit sich die Wirtschaft schnell erholen kann, muss der Gesetzgeber schon jetzt die Weichen im Mittelstand für eine Zeit nach Corona stellen. Insbesondere Engpässe bei der Liquidität müssen aus dem Weg geräumt werden. Viele Mittelständler haben auf eigene Rücklagen zurückgegriffen, um durch die Krise zu kommen. Obwohl sich die Auftragsbücher langsam wieder füllen, sind die finanziellen Mittel bei vielen Unternehmen knapp. Von der Liquidität ist abhängig, wie effektiv der Mittelstand nach der Krise wichtige Reformen in der Digitalisierung und der Weiter- und Ausbildung eigener Mitarbeiter umsetzen kann. Es braucht daher einen staatlichen Transformationsfonds, der angeschlagenen Unternehmen auch nach der Krise finanziell unter die Arme greift. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat bereits angedeutet, die Corona-Hilfen für Unternehmen bis zum Jahresende verlängern zu wollen. Das kann jedoch nur eine Zwischenlösung sein. Ein Transformationsfonds mit starken finanziellen Rücklagen ist ein weiterer konsequenter Schritt hin zu einer langfristigen Unterstützung.
Mittelvergabe verläuft weiterhin schleppend
Bislang wurden zwar knapp 96 Milliarden Euro an Corona-Hilfsgeldern bewilligt. Doch die Überbrückungshilfen des Bundeswirtschaftsministeriums flossen in der Vergangenheit wegen hoher bürokratischer Hürden nur langsam an mittelständische Unternehmen. Hier muss deutlich nachgebessert werden, damit KMU nicht monatelang auf wichtige Zahlungen warten müssen, sondern ihre Geschäftsentwicklung sicher planen können.
Schleppend läuft auch der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF), eine weitere Säule der Unternehmensfinanzierung in der Corona-Krise. Erste Zahlen deuten darauf hin, dass die Rekapitalisierung mithilfe des Fonds kaum gefragt ist. Gerade einmal 17 Unternehmen durchliefen bis Ende Mai den Genehmigungsprozess. So wurden von den 100 Milliarden Euro, die der Fonds bereithält, gerade einmal 3,7 Milliarden Euro abgerufen. Grund für die zurückhaltende Inanspruchnahme der Darlehen sind unter anderem hohe Zinssätze, die der Bund für seine Kredite verlangt. Auch hier besteht deutlicher Verbesserungsbedarf.
KMU-Anleihen sind geeignete Alternative der Mittelstandsfinanzierung
Attraktiver dürften für Mittelständler hingegen die staatlichen Garantien für Anleihen sein. So gelten Garantien mittlerweile nicht nur für „Schwergewichte“, sondern auch für KMU-Anleihen mit Volumina ab fünf Millionen Euro. Damit stärkt die Bundesregierung Instrumente zur Mittelstandsfinanzierung. Da die Emission der Anleihen nach einem standardisierten Verfahren abläuft, kommen KMU so deutlich schneller und einfacher an wichtige Hilfsgelder. Das ist für Mittelständler wichtig, denn es ist davon auszugehen, dass viele Kapitalgeber ihre Vergabe deutlich einschränken. Banken schauen nach der Krise noch genauer auf die Profitabilität des Geschäftsmodells, verlangen höhere Zinsen und erhöhen die Anforderungen an Kreditlaufzeiten und Tilgungsraten.
Die durch den WSF garantierten KMU-Anleihen sind daher eine gute Alternative der Mittelstandsfinanzierung. Unternehmensanleihen sind Schuldverschreibungen mit fixer oder variabler Verzinsung, die in der Regel eine feste Laufzeit haben. Sie reduzieren als zusätzlicher Finanzierungsbaustein die Abhängigkeit von Banken und geben Emittenten eine Flexibilität in der Mittelverwendung. Durch die meist feste Laufzeit wird den Unternehmen Finanzierungs- und Planungssicherheit ermöglicht. Und: Aufgrund des Fremdkapitalcharakters ist der Erhalt der wirtschaftlichen Selbstständigkeit garantiert.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.