Die Änderungen in der europäischen Bankenregulierung werden in den kommenden Jahren den Zugang von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu Bankkrediten erschweren. KMU sollten sich daher schon jetzt nach alternativen Finanzierungsformen umsehen. Im ersten Teil der zweiteiligen Serie zeigen wir, weshalb ein Börsengang auch für mittelständische Unternehmen eine attraktive Alternative sein kann – Chancen, Risiken und Verpflichtungen inklusive.
Droht mit den oft „Basel IV“ genannten neuen Regulierungsvorgaben die befürchtete Kreditklemme – und schützen sie überhaupt effektiv vor Abwärts-Spiralen wie in der letzten Finanzkrise? Das wird die Zeit zeigen. Unabhängig von der Bewertung steht aber fest: Die Kosten für die Banken steigen schon jetzt, neue Kapitaluntergrenzen und Vorgaben zu risikogewichteten Aktiva werden diesen Effekt noch verstärken. Unternehmenskredite werden teurer, die Vergabe restriktiver, auch ohne eine mögliche Zinserhöhung der Europäischen Zentralbank.
Gerade kleine und mittlere Unternehmen sollten sich daher schon jetzt Gedanken über alternative Finanzierungsmethoden machen. Der offensichtliche Weg einer besonders dauerhaften Finanzierung ist für viele deutsche Mittelständler aber scheinbar noch immer ein rotes Tuch: Bei einem Börsengang werden immerhin Unternehmensanteile veräußert. Das eigene Lebensprojekt einfach „verkauft“? Aktivistische Investoren, die in die Unternehmensgeschicke hineinpfuschen wollen? Manch ein Unternehmer schreckt vor dieser Option zurück, bevor er sie überhaupt geprüft hat. Er trifft damit aber eine Bauchentscheidung – die er dringend überdenken sollte.
Die Vorteile eines Börsengangs
Denn es gibt viele gute Argumente für einen Börsengang. Das erste ist natürlich der Kapitalzufluss: Das Geld, das Investoren bei der Erstausgabe zahlen, verbleibt im Unternehmen. Im Gegensatz zu Anleihen und Krediten muss es nicht zurückgezahlt werden. Die Aktionäre sind schließlich Mit-Eigner des Unternehmens. Dadurch zählen die Gelder auch zum Eigenkapital.
Durch die erhöhte Eigenkapitalquote wiederum steigt die Bonität – und auch die kurzfristigere Finanzierung durch Kredite wird einfacher und günstiger. Beide Formen der Kapitalerhöhung können sich gegenseitig beflügeln und immer neues Wachstum ermöglichen. Dadurch kann im Wettbewerb mit Konkurrenten oft deutlich agiler vorgegangen werden. Während dort noch mit Banken diskutiert wird oder gar vor einer Investition Ausgaben gekürzt werden müssen, kann das börsennotierte Unternehmen oft schon in eine neue Marktnische vorstoßen.
Nicht zuletzt gibt es auch sehr menschliche Faktoren zu bedenken: das Prestige nach außen, zum Beispiel gegenüber potenziellen Kunden, wie nach innen, bei den Mitarbeitern. Ein Börsengang schafft Aufmerksamkeit, über die Aktienkurse und Hauptversammlungen findet das eigene Unternehmen deutlich öfter in der Öffentlichkeit statt. Das komplette Segment der Finanzberichterstattung öffnet sich als zusätzliche Bühne. Das hat auch Einfluss auf die Mitarbeiter: Wer im mittleren Management eines produzierenden Unternehmens arbeitet, ist vermutlich zufrieden mit seinem Job. Wenn über das Unternehmen aber positiv berichtet wird und Freunde ihn plötzlich auf seinen Arbeitgeber ansprechen, kann das eine extrem motivierende Dynamik freisetzen. Verstärken lässt sich dieser Effekt noch über Mitarbeiteraktien, durch die Angestellte direkt am Unternehmenserfolg beteiligt werden.
Nicht alles eitel Sonnenschein: Das kostet ein Börsengang
Wäre das aber schon alles, wären sicherlich fast alle Unternehmen an der Börse, die die notwendigen Vorgaben erfüllen. Warum ist dem also nicht so?
Der erste Punkt sind sicherlich die Kosten. Das Unternehmen muss in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden, ein Aufsichtsrat muss ernannt und bezahlt werden, verschiedene Gebühren sind zu begleichen und es muss Werbung bei den Investoren gemacht werden. Denn wer nicht vom Börsengang weiß, kann auch zur Erstnotiz keine Aktien kaufen.
Viele dieser Punkte erledigt die den IPO begleitende Bank selbst oder leistet Hilfestellung. Sie ermittelt den Unternehmenswert und daraus auch den Ausgabepreis der Wertpapiere.
Die Bank (oder ein Konsortium) übernimmt in der Regel auch das Platzierungsrisiko für den Fall, dass nicht alle Aktien abgesetzt werden können, und erstellt den Emissionsprospekt. Die Bank handelt hier natürlich nicht ehrenamtlich, sondern behält eine Provision ein.
Zusätzlich können noch andere Werbekosten anfallen: Je nach Unternehmen kann eine aggressivere PR-Politik womöglich einen höheren Ausgabepreis und damit einen höheren Kapitalzufluss bedeuten. Hier kann neben der Bank noch ein Dienstleister für die Öffentlichkeitsarbeit hinzugezogen werden.
Alles in allem können bis zu zehn Prozent des eingesammelten Kapitals für die Kosten des Börsengangs selbst fällig werden.
Die Folgepflichten
Auch nach dem Börsengang gibt es zusätzliche Pflichten. Das Berichtswesen muss deutlich hochgefahren werden, da für Aktiengesellschaften höhere Transparenzansprüche gelten. Hierfür können zusätzliche Mitarbeiter nötig sein. Gleichzeitig gibt es dadurch aber natürlich auch detailliertere Daten für den unternehmensinternen Gebrauch, und der eigene Erfolg wird besser vergleichbar.
Nicht nur die Aufsichtsbehörden verlangen aber ausführliche Informationen über das Unternehmen. Auch die Investoren wollen informiert werden, mindestens jährlich auf der Hauptversammlung, am besten aber auch regelmäßig und möglichst persönlich. Eine gute Stimmung unter den Aktionären ist für Aktiengesellschaften das A und O einer funktionierenden Öffentlichkeitsarbeit. Denn gerade bei der Hauptversammlung steht das Unternehmen im Fokus – wer im letzten Jahr seine Gesellschafter dauerhaft offen und zuvorkommend informiert hat, wird es leichter haben, einen guten Eindruck zu hinterlassen. Hierbei kann es wiederum sinnvoll sein, sich Hilfe zu suchen, die ebenfalls nicht kostenlos zu bekommen ist.
Wie funktioniert ein Börsengang?
Der Börsengang birgt enorme Vorteile, ist aber natürlich ein aufwändiger Prozess. Am Anfang sollte eine Beratung stehen, bei der ausgelotet wird, ob dieser Schritt für das eigene Unternehmen in Frage kommt. Jeder Unternehmer, der eine größere Finanzierung plant, sollte diesen Weg gehen. Einen Börsengang aus persönlichen Befindlichkeiten auszuschließen, wäre unseriös. Sollte er sich nicht lohnen, wird dies bei der Beratung klar – und auch jede gute Bank würde ein solches Vorhaben ablehnen.
Die Beratung kann direkt bei der Bank des Vertrauens eingeholt werden oder bei einem unabhängigen Berater. Eine zweite Meinung ist bei einem solch großen Schritt sicher zu empfehlen. Bei der Wahl der Bank sollte auf eine enge, persönliche Betreuung geachtet werden. Schließlich begleiten Investmentbanken viele Börsengänge, für die meisten Unternehmen ist es dagegen eine einmalige Sache. Nur wenn sich die Verantwortlichen sicher fühlen, werden sie beim IPO keine Fehler machen.
Sollte sich bei einer eingehenden Prüfung zeigen, dass der Schritt an die Börse tatsächlich der richtige ist, sollte davor nicht zurückgeschreckt werden. Auch in einer Aktiengesellschaft kann eine Mehrheit bei den Unternehmenseignern verbleiben. Wer vernünftig wirtschaftet, behält das Vertrauen seiner Aktionäre ohnehin. Entmachtungs-Schreckensszenarien wie in einigen Hollywood-Blockbustern stehen nicht zu befürchten.
Wenn die Beratung ein positives Bild zeichnet, sollte nun der verbindliche Kontakt zu einer Bank gesucht werden, die den Börsengang federführend begleitet. Hier läuft der ganze Prozess zusammen, hier werden alle benötigten Kompetenzen für den Eintritt in den Aktienmarkt gesucht und gebündelt, die das Unternehmen nicht selbst besitzt. Die Entscheidungsmacht liegt natürlich weiterhin bei der Unternehmensführung. Bis der freie Handel dann eröffnet ist und es sich an der Börse zu behaupten gilt. Auch in die Börsenzukunft begleitet die Bank des Vertrauens und stellt Kontakte zu den richtigen Ansprechpartnern her.
Zu guter Letzt bietet sich nach einem Börsengang schließlich auch eine komfortable Exit-Strategie: Möchte der Firmengründer sich eines Tages in den Ruhestand verabschieden, ist das bei einem börsennotierten Unternehmen viel einfacher. Die Anteile können nach Wunsch leicht veräußert werden – und die Nachfolgersuche kann über die Unternehmensgremien laufen und nicht mehr zwangsweise über den eigenen Stammbaum.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.