Seit die Talsohle der letzten Wirtschaftskrise durchschritten ist, wird permanent vor der erneuten drohenden Rezession gewarnt. Auch dank andauernder politischer Chaos-Zustände sieht es tatsächlich nicht allzu rosig aus. In Panik sollten deutsche Mittelständler nun aber nicht verfallen – vorausgesetzt, KMU stellen schon jetzt die Weichen für einen langfristigen Wachstumskurs.
Die Krise scheint inzwischen Dauerzustand zu sein. Kaum ein Land, in dem es keine politischen Querelen gibt, das nicht in irgendeiner Form unzufrieden ist mit internationalen Beziehungen, das nicht eigene Interessen durchsetzen will, um die Wirtschaft zu beleben.
Doch wo gewarnt wird, sind die Probleme nicht immer so groß, wie sie scheinen. Oft sind auch andere Beweggründe im Spiel – daher lohnt sich ein Blick auf die Fakten. Steht die Weltwirtschaft am Abgrund?
Die Zeichen des Abschwungs
Vor allem die nicht enden wollenden Handelskonflikte machen wenig Mut. Sie herrschen global, vor allem natürlich zwischen Exportnationen und denen, die auf Importe von Waren angewiesen sind. In letzterer Rolle sind es insbesondere die USA, die den exportierenden Nationen Übervorteilung vorwerfen. Größter Widersacher ist China, der „Exportweltmeister“. Aber auch die deutsche Wirtschaft ist US-Präsident Donald Trump ein Dorn im Auge, immerhin das Land mit dem größten Überschuss in der Leistungsbilanz: 294 Milliarden Dollar mehr an Waren und Dienstleistungen haben 2018 das Land verlassen, als von außen eingekauft wurden.
Das kann ganz konkrete Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft haben, sollte sich der Absatzmarkt USA eines Tages tatsächlich durch zu hohe Strafzölle verschließen. Im Moment sind es aber vor allem verlangsamte und unterbrochene Lieferketten, die Sorge bereiten. Ein großer Teil der Elektronikprodukte, die für die Digitalisierung benötigt werden, kommen aus China, die Software und Technologie werden vielfach in den USA entwickelt. Von dort muss beides ungehindert nach Deutschland kommen, um die digitale Entwicklung nicht noch weiter zu behindern. Das alles ist durch den Konflikt in Gefahr.
Die Handelsstreitigkeiten sind aber auch ein systemisches Problem: Sie machen die Langzeitplanung unmöglich. Niemand weiß, wann die nächsten Zölle kommen, wo der Warenfluss dann stockt, und wer daraufhin als erstes nicht mehr beliefert wird. Das Gleiche gilt für den vieldiskutierten Brexit. Er ist mit dem gewöhnungsbedürftigen Vorgehen Boris Johnsons noch chaotischer geworden.
Konkrete Abwärtsindikatoren
Auch die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In allen wichtigen Märkten zeichnen sich Abwärtstrends ab. So stagniert die chinesische Industrie, die über Jahrzehnte ein Wachstumsgarant war, und kann nur über Milliardeninvestitionen der Regierung stabil gehalten werden. Der CFLP Einkaufsmanagerindex für den verarbeitenden Sektor ist im August bereits zum vierten Mal in Folge gefallen – und zwar auf 49,5 Punkte. Werte unter 50 Zähler signalisieren eine rückläufige Dynamik.
Auch die USA mussten im August einen fallenden Indexwert für das verarbeitende Gewerbe hinnehmen. War in der Prognose noch von einem leichten Wachstum (51,1) ausgegangen worden, wurden es schließlich nur 49,1 Punkte. Die unmittelbare Wirkung der US-Maßnahmen zur Stärkung der eigenen Industrie (wozu auch die Strafzölle gerechnet werden) scheint aufgebraucht.
Noch heftiger hat es die britische Wirtschaft erwischt. Selbst der für gewöhnlich so starke Dienstleistungssektor schwächelte jüngst. Mit 50,6 Punkten verharrt der entsprechende Einkaufsmanagerindex im August 2019 noch im Expansionsbereich – jedoch nicht mehr stark genug, um die taumelnde Industrie auszugleichen. Hier liegt das Stimmungsbarometer bereits seit Mai unter der Marke von 50 Zählern, zuletzt bei 48 Punkten.
Hierzulande sieht es ebenfalls nicht allzu rosig aus. Die Industrie befindet sich in einem Abwärtstaumel. Zwar konnte der Index im August leicht zulegen; mit einem Stand von 43,5 Punkten befindet er sich aber weiterhin auf einem zu niedrigen Niveau. Seit Januar 2019 ist die deutsche Industrie kontinuierlich geschrumpft. Das hat auch beim BIP Spuren hinterlassen, das bereits im zweiten Quartal leicht um 0,1 Prozent schrumpfte. Sollte sich der Trend im dritten Jahresviertel fortsetzen, würde Deutschland damit auch offiziell in einer (technischen) Rezession stecken. Dass die negativen Auswirkungen noch keine Panik auslösen, liegt auch hier am Dienstleistungssektor, der weiter stabil wächst und sich seit Jahren bis auf kleine Ausreißer konstant zwischen 53 und 56 Punkten bewegt.
All das deutet darauf hin, dass der nächste Abschwung tatsächlich vor der Tür stehen könnte. Daher sollten Unternehmer ihre Unternehmen jetzt schnellstmöglich krisenfest machen.
So wappnen sich KMU gegen den Abschwung
Beispiel Digitalisierung: Eine vernetzte Produktion wird schon in wenigen Jahren unabdingbar sein, um Qualitätsprodukte zu konkurrenzfähigen Preisen anbieten zu können. Zwar ist der deutsche Mittelstand traditionell gut darin, trotz höherer Preise seinen Qualitätsvorsprung unter Beweis zu stellen und einzigartige Produkte anzubieten. Doch dieser Vorsprung wird durch die Digitalisierung auch angegriffen: Eine voll vernetzte Produktionsstraße erlaubt es Industrieunternehmen aller Herren Länder, individualisierte Produktvarianten in sehr kleiner Serie herzustellen. Hier kann der deutsche Mittelstand schnell ins Hintertreffen geraten.
Um das zu verhindern, ist auch politisches Handeln erforderlich. Ohne eine vernünftige Infrastruktur wird Deutschland die Digitalisierung zwangsweise verschlafen. Denn nicht nur die Produktionshalle muss vernetzt werden. Auch mit allen anderen Prozessen will sie verzahnt werden: mit dem Vertrieb, den Logistikern, dem Handel, der Werbung und den Konsumenten. Die Potenziale liegen auf der Straße – beziehungsweise darunter in der Erde und darüber in den Antennen – und die internationale Konkurrenz wird sie nicht ungenutzt lassen.
Fachkräftemangel: Eigeninitiative ist gefragt
Beispiel Fachkräftemangel: Hier ist das Leiden der KMU besonders groß und in der Tat eine nicht zu unterschätzende mögliche Wachstumsbremse. Auf der anderen Seite unternehmen viele mittelständische Firmen zu wenig, um junge Talente an sich zu binden. Wie kleine und mittlere Unternehmen junge Fachkräfte finden und binden und diese dazu beitragen können, dass langfristige Wachstum zu sichern, lesen Sie hier.
Auch was die Finanzierung angeht, macht es für KMU Sinn, sich schon jetzt nach alternativen Finanzierungsformen umzuschauen – und nicht nur auf den klassischen Bankkredit zu setzen. Schließlich ist es absehbar, dass die Änderungen in der europäischen Bankenregulierung in den kommenden Jahren den Zugang von KMU zu Bankkrediten erschweren dürften. Als attraktive Alternative bieten sich beispielsweise ein Börsengang oder die Begebung einer Anleihe an.
Handeln, nicht warten
Das Thema Nachhaltigkeit sollten KMU ebenfalls im Blick behalten. Zwar mag es auf den ersten Blick widersinnig klingen, die deutschen Unternehmen im Angesicht des Abschwungs auch noch mit Klima-Maßnahmen zu belasten. Damit hier aber nicht ein noch größeres Problem entsteht, sollte der Mittelstand schon jetzt seiner Verantwortung gerecht werden und prüfen, wie er freiwillig die Belange von Natur und Umwelt berücksichtigen könnte. Denn der Klimawandel lässt sich nicht zurückdrehen. Sollte er weiter so voranschreiten, könnten Abschwungs-Sorgen schon bald durch ganz andere Probleme verdrängt werden.
Dann wird auch die Politik zum Handeln gezwungen sein. Neue Vorgaben und schneller umzusetzende, strengere Regeln sind die Folge. Wer jetzt schon handelt, erspart sich dann vielleicht ein böses Erwachen.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.