Home Mittelstand Digitalisierung: Mehr als ein Buzzword für den Wahlkampf

Digitalisierung: Mehr als ein Buzzword für den Wahlkampf

von Holger Clemens Hinz

Der jüngste Bundestagswahlkampf war geprägt von gleich mehreren Schlagwörtern. Zwischen Migration, innerer Sicherheit und Gerechtigkeit tauchte vor allem ein Begriff immer wieder auf, mit dem gerade jüngere Wähler gewonnen werden sollten. Die Rede ist von der Digitalisierung.

Was für die Politik ein schönes Buzzword für den Stimmenfang ist, birgt allerdings einiges in sich. Und man ist sich nicht sicher, ob in Berlin schon angekommen ist, was die tatsächlichen Herausforderungen der vielzitierten Digitalisierung sind.

Stark ausbaufähig

Fakt ist, dass Digitalisierung die Zukunft ist – wer international wettbewerbsfähig sein will, muss bei dieser Entwicklung am Ball bleiben. Manch einer aus dem Mittelstand hat das schon begriffen – so fordert die Arbeitsgemeinschaft Mittelstand von der Politik ein höheres Tempo bei der Digitalisierung, schnellere Netze und die Erschließung neuer Flächen mit Breitband.

Allerdings wird auch deutlich, dass noch eine Menge kleinerer und mittlerer Unternehmen, sogenannter KMUs, bei der konsequenten Umsetzung hin zur digitalen Welt einen weiten Weg vor sich hat: Der Wirtschaftsindex DIGITAL von Kantar TNS, der den Digitalisierungsgrad der gewerblichen Wirtschaft misst, erreichte im vergangenen Jahr gerade einmal 54 von 100 möglichen Punkten. Auch laut einer Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) und der IW Consult erreichen 90 Prozent der Betriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern und zwei Drittel der Firmen mit 20 bis 99 Beschäftigten gerade einmal die unterste Kompetenzstufe bei der Umsetzung auf die Industrie 4.0 – also bei der intelligenten Vernetzung und Automatisierung von Maschinen, Prozessen und Produkten über die komplette Wertschöpfungskette hinweg. Eine Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) bringt es auf den Punkt: Sie bezeichnet die Digitalisierung in mittelständischen Unternehmen in Deutschland schlicht als „stark ausbaufähig“.

Knackpunkt Finanzierung

Es besteht kein Zweifel: Der Wechsel auf die digitale Überholspur ist für Mittelständler ein Muss, um im Wettbewerb mit digitalen Angreifern und großen Unternehmen nicht den Anschluss zu verlieren. Dass sich für Unternehmen die Vernetzung von Produkten und Prozessen sowie die Verbindung von physischer und virtueller Welt rechnen werden, ist unter Experten unumstritten. Und mittlerweile wächst auch bei den Firmen das Bewusstsein, dass die Verfolgung einer konsequenten Digitalisierungsstrategie und der Anstoß entsprechender Projekte unabdingbar sind.

Die Gründe, weshalb viele Unternehmen die Digitalisierung dennoch nur von der Seitenlinie verfolgen, sind vielfältig – von zu hohen Anforderungen an die IT-Sicherheit bis hin zur zu großen Komplexität des Themas. Vor allem aber schreckt der finanzielle Aufwand offenbar viele Unternehmen ab. Dabei gibt es gerade hier viele Möglichkeiten der Finanzierung – wenn die Unternehmen bereit sind, über den Tellerrand der klassischen Finanzierungsmöglichkeiten hinauszuschauen.

Bislang setzt ein Großteil der deutschen Mittelständler nach wie vor auf den klassischen Bankkredit oder die Finanzierung aus eigener Kraft ganz ohne Bank – vor dem Hintergrund der nach wie vor ultra-lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank vielleicht durchaus nachvollziehbar. Doch KMUs, die ausschließlich auf das Bankdarlehen bauen, setzen sich noch anderen Gefahren als dem Klumpenrisiko aus. So könnten die Auswirkungen von Basel III dafür sorgen, dass es aufgrund der restriktiveren Forderungen an ihre Eigenkapitalhinterlegung zu einer deutlich reduzierten Kreditvergabe durch die Banken kommt, wenn die Wirtschaft wieder in unruhigeres Fahrwasser gerät.

Dabei kann sich das Angebot an alternativen Finanzierungsinstrumenten hierzulande durchaus sehen lassen. So könnte sich vor allem für Unternehmen mit einer guten Bonität der Markt für Schuldscheine als interessante Option erweisen. Diese Instrumente überzeugen nicht nur durch attraktive Konditionen, sondern punkten auch mit vergleichsweise schlanken Dokumentationspflichten. Ein Schuldschein ist zwar wie Industrieanleihen ein verbrieftes Darlehen, aber er ist nicht an der Börse notiert. Somit entfallen die Kosten für einen Prospekt und die Emissionsgebühren. 

Der Diversifikation von Finanzierungsquellen ebenfalls zuträglich ist eine Anleihe. Wird der Bond im Rahmen eines Private Placements ausschließlich institutionellen Anlegern angeboten, hat das für den Emittenten unter anderem ebenfalls den Vorteil, dass er auf die zeitintensive Erstellung des Wertpapierprospekts verzichten kann. So ist das Unternehmen schneller in der Lage seinen Finanzierungsbedarf zu decken – und so auch sehr zeitnah und flexibel auf sich bietende Chancen zu reagieren. Und Schnelligkeit ist beim Wechsel auf die digitale Überholspur mit Sicherheit kein Nachteil.

 

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

You may also like

1 Kommentar

Oliver Stauss 09/03/2018 - 15:36

In der Tat, es wird Zeit, dass der Mittelstand anfängt, digitaler zu denken. Leider tun sich immer noch zahlreiche Unternehmen mit der Umsetzung schwer.

Reply

Hinterlassen Sie einen Kommentar