Kaum ein Sektor ist für den Mittelstand so wichtig wie die Automobilbranche. Als Zulieferer haben KMU einen grundlegenden Anteil an der Wertschöpfungskette. Doch die Branche befindet sich im Umbruch: Der Verbrenner steht vor dem Aus, alternative Antriebsmöglichkeiten sind stattdessen gefragt. Mittelständler müssen daher jetzt schauen, dass sie den Anschluss an die neuen Technologien nicht verpassen.
Die Automobilindustrie ist eine der tragenden Säulen der deutschen Wirtschaft. In den vergangenen zehn Jahren rollten rund 52,6 Millionen Autos aus deutschen Fabriken auf die Straße. Tausende Zulieferer und rund 613.000 Arbeitsplätze hängen an der Automotive-Branche in Deutschland. Doch diese befindet sich in einem gewaltigen Umbruch: Der Verbrennungsmotor ist ein Auslaufmodell, stattdessen bestimmen E-Autos den Markt. Die Zulassungen für die elektrifizierten Fahrzeuge steigen rasant an, im April 2021 wurden erstmals mehr elektrifizierte Fahrzeuge zugelassen als Diesel. Der zunehmende Wechsel vom Verbrenner auf Elektroautos hat nicht nur alteingesessene Hersteller wie Daimler, Audi, VW & Co ins Schwitzen gebracht. Auch zahlreiche Mittelständler, die als Zulieferer fest in der Branche verwurzelt sind, machen sich Sorgen um ihre Zukunft.
Wertschöpfungskette ändert sich rapide
Mehr als drei Viertel der gesamten Wertschöpfung im Automobilbau wird heutzutage von der Zulieferindustrie geleistet. Ein überwiegender Teil davon sind kleine und mittlere Unternehmen. Da alternative Antriebskonzepte wie E-Autos immer gefragter sind, trifft die Veränderung der Wertschöpfungskette vor allem Zulieferer, die sich auf die Produktion klassischer Verbrennungsmotoren fokussieren. Im Jahr 2019 stellten diese Zulieferer laut dem Münchener ifo-Institut Produkte im Wert von 149 Milliarden Euro her. Unternehmen, die sich auf spezifische Produkte aus diesem Bereich konzentrieren, müssen ihr Geschäftsfeld daher radikal umdenken.
Digitalisierung rückt in den Vordergrund
Ein Problem für Zulieferer: Die Zahl der Komponenten, die ein Verbrenner derzeit benötigt, sinkt bei E-Autos immens. Während zum Beispiel ein klassischer verbrennungsmotorischer Antriebsstrang rund 1.400 Einzelteile benötigt, sinkt die Zahl beim batterieelektrischen Antriebsstrang auf etwa 210. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Komplexität an anderer Stelle nicht steigt. Zulieferer stehen etwa vor der Herausforderung, Kühlung und Heizung in E-Fahrzeugen neu denken zu müssen. Da die Autos batteriebetrieben sind, gibt es keine wertvolle Abwärme vom Motor. Gleichzeitig muss die Batterie gekühlt werden, da sie leicht überhitzen kann. Hier sind innovative Mittelständler gefragt, die mit neuen Lösungen im Thermomanagement den Weg weisen.
Auch abseits der jeweiligen Antriebsart ergeben sich komplett neue Aufgabenfelder für Zulieferer. Denn egal ob mit Batterie oder Wasserstoff: Autonomes Fahren, 5G-Vernetzung und Sharing-Economy liegen im Trend. Gewinner dieses Strukturwandels sind daher auch Mittelständler, die für die Digitalisierung der Automobilindustrie besonders relevant sind. Also etwa Hersteller von Chips, Halbleitern, Batterien und Software. Da viele der Technologien in E-Autos noch am Anfang stehen, haben KMU aus dem Automotive-Bereich die Möglichkeit, jetzt noch in den neuen Markt einzusteigen.
Kunden gewinnen mit Ladestationen
Auch die Art und Weise, wie das Auto „betankt“ wird, ändert sich. Für Fahrer von E-Autos wird das klassische Tankstellen-Modell zunehmend unbedeutend. Geladen wird stattdessen zuhause, vor dem Büro, vor dem Supermarkt oder auf öffentlichen Parkplätzen. Mittelständler aus dem Einzelhandel können von diesem Trend und dem Ausbau der Ladeinfrastruktur profitieren. Unternehmen, die vor Ort Kunden begrüßen, können bei E-Auto-Fahrern klar punkten, wenn sie Lademöglichkeiten anbieten. Denn 80 Prozent der Autofahrer ist es wichtig, dass Geschäfte wie Supermärkte, Gartencenter oder Baumärkte entsprechende Ladestationen zur Verfügung stellen.
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