Home Konjunktur Erneuerbare Energie: Reicht der grüne Strom für die Industrie?

Erneuerbare Energie: Reicht der grüne Strom für die Industrie?

von Thomas Kaufmann

Der Kohleausstieg ist in unmittelbare Nähe gerückt. Das schürt die Sorge um die eine stabile Stromversorgung. Gleichzeitig ist das grundsätzliche Interesse mittelständischer Unternehmen an erneuerbaren Energien groß – es fehlen allerdings nach wie vor die nötigen Handreichungen seitens der Politik.

Von Thomas Kaufmann

Die neue Ampel-Koalition hat sich für die Energiewende viel vorgenommen. Das hat auch Auswirkung auf den deutschen Mittelstand. So haben sich die Parteien im Koalitionsvertrag zum Ziel gesetzt, bis 2030 vollständig aus der Kohleverstromung auszusteigen. Gleichzeitig sollen bis dahin 80 Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Quellen stammen. Unter anderem sollen dazu die Photovoltaik-Kapazitäten von derzeit 54 Gigawatt auf 200 Gigawatt steigen.

Einer Auswertung des Energiewirtschaftlichen Institut an der Uni Köln (EWI) zufolge müssten zur Erreichung dieser Ziele Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien in einem bisher nicht da gewesenen Ausmaß gebaut werden. Beispiel: Der bisherige Rekordwert beim Ausbau der Photovoltaik-Kapazitäten liegt bei 7,9 Gigawatt Zubau im Jahr 2012, für die Erreichung der Koalitionsziele wäre ein jährlicher Nettozubau von Kapazitäten über 14,6 Gigawatt erforderlich. Gleichzeitig wird die Stromnachfrage in den kommenden Jahren durch Digitalisierung, Elektromobilität und den Bedarf neuer Technologien zur Energiegewinnung steigen. Mit ihren politischen Absichten treibt die Ampel die Sorgen des Mittelstandes vor einem flächendeckenden Blackout in die Höhe.

Ohne den nötigen Praxisbezug bleiben die Klimaziele unrealistisch

Bereits heute lässt die Stabilität des europaweiten Stromnetzes deutlich nach. Meldungen von Netzstörungen mehren sich. Im Jahr 2021 stand Deutschlands Nachbar Österreich kurz vor dem Blackout. Grund war ein Kraftwerkausfall in Rumänien. Das Bundesamt für Bevölkerungs- und Katastrophenschutz stuft die Wahrscheinlichkeit einer durch einen Blackout verursachten Katastrophe in Deutschland höher ein als alle anderen Gefahren. Hier wäre seitens der Ampel-Koalition mehr Bezug zu den praktischen Gegebenheiten wünschenswert. Andernfalls droht die Umsetzung der Klimaziele 2030 zum Desaster zu werden.

Dabei ist das Interesse mittelständischer Unternehmen an grünem Strom grundsätzlich groß. Laut einer Umfrage des Marktforschungsunternehmens Civey nutzt mehr als jedes dritte KMU Ökostrom, jedes fünfte produziert ihn selbst. 82,2 Prozent der ökostromproduzierenden Unternehmen verfügen über eine Solaranlage, 17,1 Prozent über ein Blockheizkraftwerk, 6,9 Prozent über eine Biomasseanlage und 4,8 Prozent über ein Windrad. Doch der Gesetzgeber macht es Unternehmen weiterhin schwer, den Aus- und Umbau eigener Anlagen für die Erzeugung erneuerbarer Energien zu realisieren.

Ampel-Koalition trifft vage Versprechen

Schon seit vielen Jahren kritisieren Unternehmerverbände die aufwändigen Planungs- und Genehmigungsverfahren. Gleichzeitig sind die Marktprämien für Solarstromleistungen seit dem Jahr 2020 um 29 Prozent gefallen, während die Preise für den Bau der Anlagen steigen. Dennoch bleibt die neue Koalition vage hinsichtlich ihrer Absichten zur Lösung des Problems.  Man werde die Verfahren „erheblich beschleunigen“, heißt es im Koalitionsvertrag. Und hinsichtlich der Kosten wolle die Koalition „Wege eröffnen, um private Bauherren finanziell und administrativ nicht zu überfordern.“ Konkrete Maßnahmen jenseits der bestehenden Fördermöglichkeiten für den Mittelstand werden aber nicht genannt. Über die Absichtserklärungen der Koalition hinaus müssen KMU die konkrete Umsetzung daher erstmal abwarten.

Konkret wird die Ampel-Koalition in einem anderen Punkt. Die EEG-Umlage soll künftig nicht mehr über den Strompreis, sondern über den Bundeshaushalt finanziert werden. Unternehmerverbände hatten die Abschaffung dieses Aufschlags auf den Strompreis, mit dessen Hilfe die Kosten für erneuerbaren Strom subventioniert werden, seit langer Zeit gefordert. Mittelständische Unternehmen werden so ab Januar 2023 zumindest in einem von vielen wichtigen Punkten entlastet.

 

 

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