Im Zuge von Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen zwischen den Regierungspartnern wurde eine ganze Reihe an Themen diskutiert. Und mit Sicherheit sind auch alle dringlich. Trotzdem kommt die Wirtschaft etwas zu kurz.
Dabei liegt hier derzeit einiges im Argen. Vor allem dort, wo es drauf ankommt: im Herzen der Wirtschaft, dem Mittelstand. Den jüngsten Hinweis darauf liefert der „Jahresmonitor der Stiftung Familienunternehmen“, der vom Ifo-Institut erstellt wurde. Der Monitor kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die Unternehmen ihre Kapazitäten zunehmend im Ausland erweiterten, während sie in Deutschland weniger investieren wollten. Als Ursache für diese Zurückhaltung geben sie vor allem die hohen Lohnkosten sowie die wirtschaftspolitischen und steuerlichen Rahmenbedingungen an. Abhilfe kann in ihren Augen unter anderem ein Abbau der bestehenden Bürokratie schaffen.
Es ist allerdings nicht nur die Regulatorik, derer sich die wie auch immer geartete neue Regierung annehmen muss. Sie muss sich auf mehreren Ebenen neuen Ideen widmen – und darf sich dabei auch ruhig einmal Inspirationen in anderen Ländern holen. In Sachen Finanzierung etwa gibt es ein sehr schönes Beispiel aus Italien.
Pir: Italien als Vorbild
Dort können Firmen von einer Anlageform namens „Pir“ profitieren, die für die Anleger seit Anfang 2017 steuerfrei ist – wenn bestimmte vom Finanzminister aufgestellte Regeln eingehalten werden. Eine dieser Vorgaben ist etwa, dass die Investoren sich mit ihren Investments für fünf Jahre binden. 70 Prozent des Kapitals sollen in Titel italienischer Unternehmen oder in Papiere von EU-Unternehmen, die eine Tochterorganisation in Italien haben, investiert werden. Zudem sind 30 Prozent der Gesamtsumme in kleine und mittlere Unternehmen anzulegen.
Mit der Entwicklung dieses Vehikels unterstützt die italienische Regierung auf der einen Seite die Finanzierung eben dieser KMUs, auf der anderen Seite ermöglicht sie Anlegern eine attraktive Rendite – es gab schon schlechtere Lösungen, die einem als klassische Win-win-Situation verkauft wurden.
Längst überfälliges Finanzierungsinstrument
Der Name „Pir“ ist übrigens eine Abkürzung für „piano individuale di risparmio“, was sich vor allem im Vergleich zur deutschen Entsprechung „individueller Sparplan“ auch noch unglaublich gut anhört. Unabhängig davon besteht für uns kein Zweifel daran, dass auch für Deutschland ein solches Instrument der Mittelstandsfinanzierung längst überfällig ist.
Auch in Sachen Finanzierung muss es für die neue deutsche Regierung dann heißen, dass die Zeit des Verwaltens vorbei ist und neue Ideen hermüssen. Und wenn es auch kopierte Ideen sind.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.