Familienunternehmen dominieren die Wirtschaft und bilden den Kern des Mittelstands. Doch im internationalen Wettbewerb um Familienbetriebe gerät Deutschland immer mehr ins Hintertreffen. Reformen der Unternehmenssteuer und des Erbrechts sind notwendig, um den Wirtschaftsstandort zu stärken. Der Mittelstand könnte so deutlich schneller aus dem derzeitigen Krisenmodus kommen.
Familien führen rund 90 bis 95 Prozent aller Firmen in Deutschland. Darunter fallen Betriebe, bei denen die Eigentums- und Leitungsrechte in einer Person beziehungsweise deren Familie vereint sind. Doch wer von Familienbetrieben spricht, muss auch vom Mittelstand sprechen. Denn es sind Familien, die den überwiegenden Anteil der kleinen und mittleren Unternehmen leiten. Obwohl diese Unternehmen die Wirtschaft dominieren, wird es für sie immer schwieriger, sich am globalen Markt zu behaupten. Denn trotz seiner wirtschaftlich starken Stellung ist Deutschland im internationalen Wettbewerb um Familienunternehmen von Jahr zu Jahr schlechter aufgestellt.
Deutschland im Ländervergleich abgeschlagen
Im „Länderindex Familienunternehmen“ rutscht Deutschland 2021 erstmals auf den 17. Platz – das schlechteste Ergebnis seit erstmaliger Erhebung der Daten im Jahr 2006. Im Vergleich unter 21 Industrienationen bildet Deutschland somit fast das Schlusslicht. Auf den Spitzenplätzen liegen die USA, Großbritannien und Deutschlands Nachbar, die Niederlande. Deutlich abgeschlagen ist Deutschland beim Standortfaktor Steuern. Es mache sich die „Passivität der deutschen Steuerpolitik bemerkbar“, heißt es im Ranking.
Im Vergleich zu europäischen und amerikanischen Wettbewerbern hat Deutschland es versäumt, durch Senkungen von Unternehmenssteuern seine Attraktivität zu steigern. Andere Länder wie die USA, Frankreich und Belgien haben hier Erleichterungen für Familienbetriebe geschaffen – eine Steuerreform ist daher notwendig. Für Familienunternehmen und insbesondere KMU würden sich dadurch mehr Handlungsspielräume ergeben. Vor allem nach der Corona-Krise könnten Steuererleichterungen den Unternehmen helfen, schneller auf die Beine zu kommen und in der Krise aufgebrauchte Rücklagen wieder aufzubauen.
EU-Standort hilft Deutschland
Das heißt jedoch nicht, dass familiengeführte KMU nun reihenweise ins Ausland flüchten sollten. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind in Deutschland zwar stark verbesserungswürdig, doch für viele Mittelständler überwiegen derzeit noch die Vorteile. Deutschland bleibt weiterhin das Zugpferd der Europäischen Union, einem der wichtigsten Absatzmärkte für deutsche KMU. Großbritannien etwa schneidet im Ranking der Familienunternehmen zwar gut ab. Doch der Brexit rächt sich: Trotz guter wirtschaftlicher Gesamtbedingungen verlieren britische Mittelständler nun einen direkten Zugang zum lukrativen Binnenmarkt der EU. Würde Deutschland seine Energiewirtschaft, Steuern und seine digitale Infrastruktur verbessern, könnte es sich dank seines attraktiven Standortes in der EU schnell an die Spitze der Liste katapultieren.
Mehr Handlungsspielraum im Erbrecht
Auf den familiengeführten Mittelstand kommen mittlerweile aber auch ganz andere Probleme zu: Seit jeher stellt der Generationenwechsel die Weichen für die Zukunft eines Familienunternehmens. Mit diesem Prozess sind jedoch zahlreiche Fragestellungen und rechtliche Komplikationen verbunden. Und nicht zuletzt mangelt es immer mehr an geeigneten Übernahmekandidaten aus dem familiären Umfeld. Zum einen befindet sich Deutschland im demographischen Wandel, es gibt immer weniger Nachwuchs. Andererseits entscheiden sich die potenziellen Firmen-Erben häufig für eine eigene Karriere in anderen Bereichen. Darüber hinaus erschweren erbrechtliche Fragen den Generationenwechsel und stellen das Unternehmen vor zahlreiche juristische Herausforderungen. Hier muss der Gesetzgeber deutlich nachbessern und mit einer unternehmerfreundlichen Reform des Erbrechts den Prozess der Übernahme vereinfachen, um so KMU zu entlasten.
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