Die Zahlen der weiblichen Chefs im Mittelstand sind rückläufig. Das ist nicht nur aus Gründen der Gleichberechtigung erschreckend. Unternehmen verschenken damit langfristig Potenzial und spielen mit ihrer Zukunft.
Eine aktuelle Untersuchung der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zeigt, dass nur in 15,4 Prozent aller mittelständischen Unternehmen eine Frau auf dem Chefsessel sitzt. Die Zahl der Frauen an der Spitze von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) hat demnach sogar abgenommen. Woran liegt das? Einerseits sind viele Handwerksbetriebe noch immer sehr männlich geprägt. Bereits die Zahl der weiblichen Auszubildenden ist deutlich geringer. Doch es gibt Lichtblicke: Wie das Bundesinstitut für Berufsbildung meldet, ist die Zahl der Frauen, die den Meister machen, gestiegen und liegt inzwischen bei 25 Prozent. Selbst in traditionellen Männerberufen wie Maler und Lackierer oder Tischler steigt die Zahl der Frauen, die den Beruf ergreifen. Diese Trends müssten sich doch eigentlich auch bis zur Chefposition fortsetzen – tun sie aber (noch) nicht.
Mehr Frauen im Mittelstand, bessere Zahlen
Dabei kann der Mittelstand von mehr Frauen auf dem Chefsessel profitieren. Eine Untersuchung der Universität Kalabrien hat im vergangenen Jahr gezeigt, dass weibliche Führungskräfte ihre Teams zu besseren Leistungen bringen. Dazu wurden Studierende in Gruppen eingeteilt und die Gruppenführung ausgelost. Gemeinsam mussten Aufgaben erledigt werden. Das Ergebnis: Gruppen mit weiblichen Gruppenleitungen schnitten besser ab. Der besondere Effekt: Insbesondere die Leistungen weiblicher Gruppenmitglieder legten dank der weiblichen Führung zu.
Für den Mittelstand könnten mehr Frauen als Chefs der Schlüssel zu weniger Fachkräftemangel und weiter steigenden Zahlen weiblicher Auszubildenden sein. Tradierte Argumente, wie das der körperlichen Unterlegenheit und der geringeren Belastbarkeit spielen angesichts der immer komplexer werdenden Aufgaben auch im Handwerk keine Rolle mehr. Doch auch außerhalb des Handwerks lohnt es sich für Unternehmen, wenn sie mehr Frauen in Führungspositionen haben.
Kam die Universität von Kalabrien mittels einer Versuchsanordnung zum vorgenannten Ergebnis, unternahm die Beratungsgesellschaft McKinsey vor einiger Zeit eine quantitative Analyse: Die Zahl der Frauen auf den ersten drei Führungsebenen wurde mit dem wirtschaftlichen Erfolg des jeweiligen Unternehmens ins Verhältnis gesetzt. Das Ergebnis: Je mehr Frauen im Management sind, desto besser schneidet ein Unternehmen ab. Konkret war die Wahrscheinlichkeit für ökonomischen Erfolg bei einem starken Frauenanteil um ein Fünftel höher. Zwar bleiben bei solchen Korrelationsanalysen immer auch Fragen offen, doch weisen aktuelle Untersuchungen einen klaren Weg: Unternehmen können von Frauen in Führungspositionen profitieren.
Vielfalt macht Teams stärker
Gerade in klassischen Männerberufen könnte ein weiblicher Chef ein Signal an künftige Mitarbeiterinnen sein. Ob letztlich die vermeintlich besseren Führungsqualitäten oder die entspannte Personalsituation Grund für wirtschaftlichen Erfolg sind, ist unterm Strich egal. Um dieses Potenzial zu nutzen, sollten KMU bekannte Maßnahmen ergreifen: Dazu gehören die Vereinbarkeit von Familie und Beruf mittels Job-Sharing-Modellen, Homeoffice und die gezielte Förderung weiblicher Talente. Ob Frauen die besseren Führungskräfte sind, wird sich wissenschaftlich nicht eindeutig belegen lassen, ebenso wenig wie das Gegenteil. Fakt ist aber, dass komplementär aufgestellte Teams besser auf komplexe Herausforderungen reagieren können. Davon sollte auch der Mittelstand profitieren.
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2 Kommentare
Hallo zusammen,
vielen Dank für den interessanten Artikel. Die Zahlen sind erschreckend. Leider wird in vielen Unternehmen immer noch nicht viel dazu unternommen. Ich selbst bin Betriebsratsmitglied und setze mich vor allem für Frauen ein. Damit konnte ich mich nicht nur für Frauen im Unternehmen einsetzen, sondern mich auch selbst weiterbilden (https://www.brwahl.de/kandidaten/gute-gruende-betriebsrat-zu-werden). Ich hoffe, dass ich dadurch auch zukünftig noch einiges Verändern kann und wir somit etwas mehr Vielfalt in unsere Unternehmen bringen können.
Liebe Grüße
Luisa
Hallo Frau Aalberts,
freut uns sehr, dass Ihnen der Beitrag gefallen hat. Obwohl der Text vor mittlerweile rund zwei Jahren erstellt wurde, hat sich seither nicht allzu viel getan. Der Anteil weiblicher Chefs / Führungskräfte verharrt weiterhin auf niedrigem Niveau; damit wird – aus vielfältigen Gründen – eine Menge Potenzial verschenkt. Wir werden die weitere Entwicklung im Blick behalten und dieses Thema sicherlich noch einmal aufgreifen.