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Für einen wettbewerbsfähigen Mittelstand

von Holger Clemens Hinz

Der Ukrainekrieg trifft den deutschen Mittelstand ins Mark. Höhere Beschaffungspreise und Lieferengpässe bei Energierohstoffen belasten kleine und mittelständische Unternehmen stärker als die Corona-Pandemie. Bereits im Zuge der Pandemie hatten Engpässe in internationalen Lieferketten dazu geführt, dass deutsche Mittelständler die meist vollen Auftragsbücher nur verzögert abarbeiten konnten. Die zusätzlich erhöhten Energiekosten gefährden nun ganze Geschäftsmodelle. Es drohen Drosselungen der Produktion, Abschaltungen von Großanlagen und Insolvenzen. Ein Gastbeitrag von Dr. Volker Müller, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen e.V. (UVN).

Doch auch abseits der aktuellen Krisen steht der deutsche Mittelstand vor einer Reihe von Herausforderungen. Die im internationalen Vergleich hohe Steuerlast untergräbt die finanzielle Basis und gefährdet die internationale Wettbewerbsfähigkeit. Immer strengere und komplexere Finanzierungsanforderungen wie die EU-Verordnung zur „Taxonomie“ und Basel III erschweren dringend notwendige Investitionen. Kaputte Straßen, marode Brücken und ein ausbaufähiges Schienennetz behindern die Anbindung der häufig im ländlichen Raum gelegenen Standorte an die großen Ballungszentren. Der demografische Wandel führt zu einem zunehmenden Engpass bei beruflich Qualifizierten – besonders im Bereich der Informationstechnologie. Ein langsames Internet und löchrige Mobilfunknetze verhindern es, dass die Chancen der Digitalisierung voll ausgeschöpft werden. Rein nationale Umweltauflagen senken die Wettbewerbsfähigkeit und somit auch die Voraussetzungen für Investitionen in Klima- und Umweltschutz am Standort Deutschland.

Einheimische Produktion stärken

Um die Belastungen für den Mittelstand durch die gestiegenen Energiepreise so gering wie möglich zu halten, muss die Abhängigkeit von Russland verringert werden. Dazu ist die einheimische Produktion zu stärken, indem über das Verschieben des Ausstiegs aus Kohle und Atomkraft ehrlich diskutiert, die heimische Gasförderung gesteigert und auch die Potenziale des Fracking objektiv und ergebnisoffen geprüft wird. Darüber hinaus sind die Bezugsquellen für Importe zu diversifizieren und vollständig technologieoffene Importterminals, sogenannte Multi-Hubs, aufzubauen. Ein weiterer wichtiger Baustein ist die dauerhafte Beschleunigung der energetischen Gebäudesanierung, um Einsparpotenziale zu heben. Außerdem müssen energieintensive mittelständische Unternehmen durch die Abschaffung der EEG-Umlage sowie Erleichterungen bei der Energiesteuer entlastet werden. In jedem Fall ist ein Embargo auf russisches Gas zu vermeiden, da es zu einer scharfen Rezession, einer steigenden Arbeitslosigkeit und einer höheren Staatsverschuldung führen würde.

Verwaltungen modernisieren und verschlanken

Um die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands auch in anderen Bereichen zu sichern, bedarf es günstiger politischer Rahmenbedingungen. So müssen beispielsweise eine Steuerbelastung von maximal 25 Prozent sichergestellt und die Gewerbesteuerhebesätze vereinheitlicht werden. Die Verwaltung muss modernisiert und verschlankt, Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, zum Beispiel durch digitale Prozesse. Auch die Finanzierungsanforderungen dürfen kleine und mittelständische Unternehmen nicht über Gebühr belasten. Beispielsweise braucht es eine finanzielle Kompensation für die Nachhaltigkeitsberichterstattung. Zur Anbindung der mittelständischen Betriebe an die Ballungszentren ist eine moderne Verkehrsinfrastruktur unabdingbar.

Um die Engpässe bei qualifizierten Arbeitnehmern zu überwinden, muss die Bildungspolitik modernisiert werden. Das bedeutet: technische und inhaltliche Anpassungen in der schulischen und beruflichen Bildung, regelmäßige Lehrerfortbildungen und eine individuelle Schülerförderung. Die Wirtschaft muss in die Berufsorientierung in allen Schulformen eingebunden werden, wobei die MINT-Fächer von besonderer Bedeutung sind. Weitere wichtige Bestandteile sind: Lebenslanges Lernen fördern, ausreichend Betreuungsplätze schaffen und zugewanderte Fachkräfte in den Arbeitsmarkt integrieren – gerade vor dem Hintergrund des Ukrainekrieges. Um die Chancen der Digitalisierung nutzen zu können, brauchen wir schnell einen Ausbau des Glasfasernetzes, ein wettbewerbsfähiges industrielles 5G-Ökosystem und Gigabitnetze bis in die Häuser und Wohnungen. Nationale Umweltauflagen dürfen die finanziellen und personellen Kapazitäten des Mittelstandes nicht überfordern.

Es braucht einen wettbewerbsfähigen Mittelstand

Kleine und mittelständische Unternehmen bilden das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Indem sie vor allem am heimischen Standort in Technologie, Beschäftigte und Forschung investieren, tragen sie in entscheidendem Maße zu Wertschöpfung, Innovation, Beschäftigung und Wohlstand bei. Ein wettbewerbsfähiger Mittelstand ist somit eine Grundvoraussetzung für die erfolgreiche Transformation der deutschen Wirtschaft und auch für Investitionen in Umwelt- und Klimaschutz. Die passenden Rahmenbedingungen sind dafür unabdingbar.


Dr. Volker Müller ist Hauptgeschäftsführer der Unternehmerverbände Niedersachsen e.V. (UVN).

www.uvn.digital

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