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Generationenkapital statt Aktienrente: Besser als nichts, aber nicht genug

von Lieselotte Hasselhoff
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Weil immer weniger Berufstätige in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen und gleichzeitig die Zahl der Rentner steigt, steht das umlagefinanzierte Rentensystem vor dem Kollaps. Ohne Zutun der Politik aus dem Staatshaushalt müssten die Beitragssätze deutlich steigen oder das Rentenniveau sinken. Nun will die Regierung mit dem sogenannten Generationenkapital in die kapitalgedeckte Rentenfinanzierung einsteigen, um das System zu stabilisieren. Warum dieser Schritt grundsätzlich zu begrüßen ist, das Vorhaben selbst aber zu optimistisch geplant und zu klein dimensioniert ist.

von Carsten Peter

Die gesetzliche Rentenversicherung leidet unter der Überalterung der deutschen Bevölkerung, es gibt zu wenige Beitragszahler. Nun verschärft sich die Lage durch den schrittweisen Renteneintritt der Babyboomer, also der geburtenstarken Jahrgänge ab den 60er-Jahren. Da die gesetzlichen Renten direkt aus den laufenden Beiträgen der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten zur Rentenversicherung bestritten werden – dieses Verfahren wird Umlagefinanzierung genannt – und immer mehr Rentner einer sinkenden Zahl von Betragszahlern gegenüberstehen, ist die gesetzliche Rentenversicherung zunehmend unterfinanziert.

Dass eine Umlagefinanzierung der Rentenzahlungen immer schwieriger und eigentlich unmöglich wird, ist am historischen Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentnern ablesbar. 1962 kamen auf einen Rentner noch sechs Erwerbstätige, 1992 waren es nur noch 2,7 Beitragszahler und 2030 werden es nur noch 1,5 Erwerbstätige sein, mit deren Beiträgen die laufenden Rentenzahlungen für einen Ruheständler finanziert werden sollen. Ursächlich für diese Entwicklung sind die im Vergleich zu den 60er-Jahren zu niedrigen Geburtenraten, die Wiedervereinigung 1991 und der medizinische Fortschritt, der dafür sorgt, dass die Menschen heute viel älter werden. So ist zwar die Zahl der Beitragszahler seit 1992 um mehr als 20 Prozent gestiegen, im gleichen Zeitraum hat jedoch die Zahl der Altersrentner um mehr als 56 Prozent zugelegt. Schon jetzt muss der Bund der Rentenkasse jährlich mehr als 100 Milliarden Euro zuschießen, damit die gesetzlich garantierten Renten weiter gezahlt werden können.

Generationenkapital: Kapitaldeckung bringt dem Rentensystem Stabilität 

Das grundsätzliche Problem, dass die Umlagefinanzierung bei zunehmender Überalterung und niedriger Geburtenrate an ihre Grenzen stößt, ist schon seit Jahrzehnten bekannt. Viele Rentenreformen der Vergangenheit hatten das Ziel, dieses Demografieproblem abzumildern. Wenn aber der Beitragssatz sowie das Rentenniveau auch in Zukunft gehalten werden sollen, muss deutlich mehr passieren.

Ein ökonomisch sinnvoller Weg, das Rentensystem zu stabilisieren, ist eine kapitalgedeckte Rente. Die Idee: Die Rentenbeiträge der Erwerbstätigen werden am Kapitalmarkt investiert, so dass der Beitragsstock dank der Renditen an der Börse bis zu ihrem Renteneintritt weiter wächst. Langfristig dürfte das angesparte und investierte Kapital pro Jahr voraussichtlich um durchschnittlich fünf Prozent anwachsen, so dass bis zum Renteneintritt dank Zinseszinseffekt genügend Kapital für die Auszahlung einer auskömmlichen Rente zur Verfügung steht. 5 Prozent Rendite pro Jahr im Durchschnitt sind realistisch, es kann aber von Jahr zu Jahr auch mal mehr oder weniger sein. Zwar sind Investments an der Börse auch immer mit Verlustrisiken verbunden, allerdings sind diese durch eine Auswahl geeigneter Wertpapiere, eine breite Streuung der Risiken und eine langfristig ausgerichtete Anlagestrategie beherrschbar.

Ein etabliertes umlagefinanziertes Rentensystem durch eine Kapitaldeckung zu ersetzen, ist eine Mammutaufgabe, weil laufende Renten weiter gezahlt, gleichzeitig aber erst ein Kapitalstock aufgebaut werden muss. Dennoch will die Ampel-Regierung nun den Einstieg in die kapitalgedeckte Rente wagen. Bundesfinanzminister Christian Lindner und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil haben für die Kapitaldeckung ihr Generationenkapital daher als eine Art Beiboot zum gesetzlichen Rentensystem geplant.

Das geplante Generationenkapital ist also keine Aktienrente im klassischen Sinn, die Einzahlungen der Erwerbstätigen sammelt und an der Börse investiert, um später die Rentenbezüge zu erhöhen. Stattdessen bildet der Staat einen Kapitalstock, dessen Renditen helfen sollen, die Rentenbeiträge stabil zu halten. Konkret: Der Bund stattet einen Stiftungsfonds bis 2035 mit 200 Milliarden Euro aus, die am Kapitalmarkt investiert werden. Ab 2036 soll dieser Fonds dann eine jährliche Rendite von zehn Milliarden Euro pro Jahr an die gesetzliche Rentenversicherung überweisen, ohne den Kapitalstock anzutasten. Das ist langfristig eine gute Sache, weil die Milliarden nach dem Aufbau des Kapitalstocks in die Rentenkassen fließen, ohne dass der Staat Steuer- und Beitragszahler dafür zur Kasse bitten muss.

Das Problem: Das Generationenkapital ist zu knapp bemessen und schuldenfinanziert

Bei jährlichen Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung von 360 Milliarden Euro im Jahr, wird aber auch schnell deutlich: Zehn Milliarden Euro aus Kapitalerträgen leisten nur einen winzigen Beitrag zur Rentenfinanzierung. Um die 360 Milliarden Euro vollständig aus Kapitalerträgen zu bestreiten, wäre allerdings bei einer Durchschnittsrendite von fünf Prozent theoretisch ein Anlagekapital in Höhe von 7,2 Billionen Euro nötig, sprich 7.200 Milliarden Euro. Selbst wenn die Regierung nur eine Rendite in Höhe des jährlichen Bundeszuschusses von rund 100 Milliarden Euro erzielen wollte, bräuchte sie dafür rund zwei Billionen Euro Anlagekapital. Das würde die Rentenversicherung wirklich spürbar entlasten.

Die 200 Milliarden Euro bis 2035 sind also zu wenig, sie sind lediglich ein Anfang. Noch dazu tut die Bundesregierung etwas, was für Privatanleger als No-Go gilt: Das an der Börse investierte Generationenkapital wird durch neue Schulden finanziert. Selbst wenn die Regierung über Ausgabe einer Bundesanleihe günstig an das Geld kommt, etwa zu 2,5 Prozent pro Jahr, bedeutet das im Umkehrschluss, dass die jährliche Rendite des Generationenkapitals schon auf 7,5 Prozent steigen muss, damit jedes Jahr die geplanten zehn Milliarden Euro an die Rentenkasse überweisen kann. Hinzu kommen auch noch die Kosten für das Portfoliomanagement.

Unter dem Strich wären also um die 8 Prozent jährliche Kapitalmarktrendite für das Vorhaben nötig, damit das Konzept aufgeht. Grundsätzlich sind 8 Prozent Rendite am Aktienmarkt möglich, jedoch nur, wenn riskantere Titel ausgewählt werden und der Aktienanteil des Investments recht hoch ist. Das wiederum erhöht das Verlustrisiko, die angestrebte Rendite könnte auch mehrere Jahre in Folge unerreicht bleiben. Mit halbwegs sicheren Anleiherenditen allein sind die acht Prozent Kapitalmarktrendite jedoch aktuell nicht zu schaffen.

Ist das Generationenkapital so gut wie die schwedische Aktienrente?

Als Vorbild für das deutsche Generationenkapital sollte die schwedische Aktienrente dienen, die in Europa als Erfolgsmodell gilt. Schweden hat das staatliche Rentensystem 1999 reformiert und um eine kapitalgedeckte Säule ergänzt. Doch es gibt erhebliche Unterschiede zur Umsetzung in Deutschland.

Seit der Reform zahlen die Schweden 16,5 Prozent ihres Einkommens in ihre umlagefinanzierte gesetzliche Rente und 2,5 Prozent eigenverantwortlich in einen Kapitalmarktfonds ein. Für diesen Zweck sind in Schweden mehr als hundert privatwirtschaftliche Aktienfonds sowie ein staatlicher Fonds zugelassen. Wer sich nicht für einen privaten Aktienfonds entscheidet, investiert automatisch in den aktiv gemanagten staatlichen Fonds. Dessen durchschnittliche jährliche Wertsteigerung liegt laut Medienberichten bei 12,5 Prozent, die privaten Fonds liegen im Schnitt drei Prozentpunkte schlechter. Das zeigt, dass die kapitalgedeckte Säule der schwedischen Rente funktioniert.

Allerdings hat Schweden für die Kapitalausstattung der Aktienfonds keine neuen Schulden gemacht, sondern die Beitragszahlungen neu aufgeteilt. Das ist gut für die Rendite in der kapitalgedeckten Säule, jedoch schlecht für die Einnahmeseite der Rentenkasse. Weil so viel Geld in der gesetzlichen Rente fehlte, mussten die Schweden empfindliche Renteneinbußen hinnehmen. Durch die Reform sank die staatliche Rente von 60 bis 65 Prozent des Arbeitseinkommens auf geschätzte 45 bis 55 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland liegt das Rentenniveau der gesetzlichen Rente bei 48 Prozent des Durchschnitteinkommens. Im Zuge der Reform hat Schwedens Regierung auch die zuvor geltende Rentengarantie abgeschafft, so dass dort niemand genau sagen kann, wie hoch seine spätere gesetzliche Rente ausfallen wird. Ebenso schwankt die Rendite der Aktienfonds von Jahr zu Jahr deutlich. Die Rente hat in Schweden somit auch an Zuverlässigkeit eingebüßt.

Fazit: Richtiger Weg, Mängel in der Umsetzung

Die Bundesregierung geht mit dem Generationenkapital grundsätzlich den richtigen Weg, allerdings gibt es Mängel in der Umsetzung. Zum einen ist der geplante Kapitalstock zu klein dimensioniert und noch dazu schuldenfinanziert, was die Rendite schmälert. Zudem ist für die Kapitalanlage lediglich ein staatlicher Stiftungsfonds geplant, die privatwirtschaftlichen Anbieter von Finanzprodukten wie etwa Fondsgesellschaften werden ausgeschlossen. Damit steht und fällt der Erfolg des Generationenkapitals mit dem Fondsmanagement. Auch das könnte die Rendite schmälern bzw. die Risiken erhöhen.

Unter dem Strich wird das deutsche Generationenkapital eher ein Akzeptanzproblem bekommen als die schwedische Aktienrente. Denn anders als in Schweden profitieren Beitragszahler oder Rentner nicht direkt vom Anlageerfolg an der Börse, sondern zunächst die Rentenkasse und der Bundeshaushalt. Beitragszahler bekommen lediglich einen abstrakten Vorteil dadurch, dass die Beiträge zur gesetzlichen Rente durch die Kapitalmarktrendite weniger stark steigen, als sie es aufgrund der Demografie eigentlich müssten. Die Zufriedenheit, die durch ein erfolgreiches Börseninvestment entsteht, bleibt deutschen Rentenzahlern vorenthalten. Es bleibt also zu hoffen, dass die Bundesregierung in Sachen Aktienrente und Generationenkapital beizeiten noch eine Schippe drauflegt.

Übrigens hat mein Kollege Holger Clemens Hinz, Leiter Kapitalmarktgeschäft bei der Quirin Privatbank AG, auf LinkedIn eine Umfrage zur Aktienrente gemacht. Ergebnis: 94 Prozent der Abstimmenden halten das Generationenkapital der Ampel-Regierung für einen Schritt in die richtige Richtung, nur 6 Prozent finden das nicht. Hoffen wir, dass weitere, langfristig orientierte Schritte folgen.

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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