Laut Koalitionsvertrag plant die Ampel-Regierung eine neue Rechtsform: „GmbH mit gebundenem Vermögen“. Sie soll sicherstellen, dass Unternehmensgewinne nicht einseitig zugunsten der Gesellschafter ausgeschüttet werden, sondern vorrangig dem Zweck des Unternehmens dienen. Für KMU könnte das neue Konstrukt auf den ersten Blick eine interessante Alternative zur klassischen GmbH darstellen. Doch was genau würde diese neue Rechtsform eigentlich für KMU bedeuten?
Nachhaltigkeit lautet das Gebot der Stunde für jedes Unternehmen – nahezu unabhängig von Unternehmenszweck und -größe. Und tatsächlich sind insbesondere Gründer häufig auf der Suche nach einer Unternehmensform, die ihren ökologischen und sozialen Ansprüchen sowie ihren Vorstellungen einer nachhaltigen Unternehmensführung gerecht wird. Die GmbH mit gebundenem Vermögen könnte – als Alternative zu bestehenden Rechtsformen wie GmbH, GbR oder Stiftung – eine neue Rechtsform für Unternehmen werden, die den passenden Rahmen zur Erfüllung dieser Unternehmensansprüche bietet. So zumindest die Idee.
Die GmbH mit gebundenem Vermögen ist eine Rechtsformvariante der herkömmlichen GmbH (Gesellschaft mit beschränkter Haftung). Der Gesetzesentwurf soll zwei unternehmerische Grundsätze in den Fokus rücken: die Vermögensbindung – also die Bindung des unternehmerischen Vermögens an bestimmte unternehmerische Zwecke – und die Weitergabe des Unternehmens innerhalb einer „Fähigkeiten- und Wertefamilie“.
Die Idee: ein Unternehmen mit an bestimmte Zwecke gebundenem Vermögen
Im Unterschied zur klassischen Rechtsform einer GmbH sollen in der GmbH mit gebundenem Vermögen die Gesellschafter des Unternehmens keine unmittelbare Verfügungsgewalt über das Unternehmensvermögen haben. Gewinne sollen nicht automatisch an die Gesellschafter ausgeschüttet werden, sondern sie sollen zweckgebunden der Erfüllung konkret definierter Unternehmensziele zur Verfügung stehen. Das Unternehmensvermögen dient unter anderem für Investitionen innerhalb des Unternehmens – beispielsweise für die Verbesserung von Produktions- oder Arbeitsprozessen, die Weiterentwicklung von Produkten oder auch Lohnerhöhungen in einem gewissen Rahmen. Hintergrund dieser Festlegung ist der Anspruch, eine Unternehmenskultur zu schaffen, in der sich die Mitarbeitenden mit dem Unternehmenszweck identifizieren – weil sie nicht für das private Vermögen von Eigentümern oder Investoren sondern für das eigentliche Unternehmensziel arbeiten.
Unternehmensnachfolge innerhalb einer „Fähigkeiten- und Wertefamilie“
Zudem kann das Unternehmen nicht wie ein Vermögenswert von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden. Stattdessen soll die Firma innerhalb einer bestimmten Gruppe von Personen gehalten werden, die eine enge Verbindung zu den Werten und Fähigkeiten haben, die die GmbH repräsentieren.
Nach bisherigem Recht ist die Stiftung die Rechtsform, die diesen Zielen am ehesten gerecht wird. Und es gibt bereits Unternehmen, die seit Jahrzehnten über ein Konstrukt, das mehrere Rechtformen miteinander kombiniert, diese Ziele verfolgt. Doch für KMU ist dieses Konstrukt kaum praktikabel:
Ein bekanntes Beispiel ist Robert Bosch: Die gemeinnützige Robert Bosch Stiftung GmbH hält 94 Prozent der Kapitalanteile an der Robert Bosch GmbH. Die Stimmrechte bei der Robert Bosch GmbH wiederum liegen zu 93% bei der mit Vertretern der Familie Bosch und Personen des Wirtschaftslebens besetzten Robert Bosch Industrietreuhand KG. Diese hält praktisch keine GmbH-Anteile. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass die Gewinne des Unternehmens an die Stiftung GmbH ausgeschüttet werden, die wiederum dem Unternehmenszweck der Robert Bosch GmbH verpflichtet ist oder direkt bei der Robert Bosch GmbH verbleiben.
Vorteile der Rechtform gegenüber Stiftung und GmbH
Zum einen bedeutet das Konstrukt mit mehreren GmbHs und einer KG einen hohen administrativen Aufwand, den kleine und mittlere Firmen wohl kaum bewältigen können. Darüber hinaus fordern die Stiftungsbehörden für die Gründung einer Stiftung in der Regel ein Mindestkapital von 100.000 Euro – für KMU unter Umständen ein nicht unerheblicher Anteil des verfügbaren liquiden Kapitals. Zudem gilt für Stiftungen das Gebot des realen Kapitalerhalts, das Stiftungen den dauerhaften Erhalt ihres Grundstockvermögens vorschreibt.
Diese Schwierigkeiten würden bei einer GmbH mit gebundenem Vermögen wegfallen. Das heißt, die GmbH mit gebundenem Vermögen könnte ein vergleichsweise simpel zu realisierende Rechtsform für Unternehmensgründer sein.
Die Rechtsform der klassischen GmbH wiederum bietet nicht den nötigen Rahmen für eine dauerhafte und unveränderbare Vermögensbindung. Eine Vermögensbindung könnte zwar im Rahmen einer Gesellschaftervereinbarung geregelt werden. Doch wäre eine solche Vereinbarung zeitlich befristet und unter bestimmten Umständen auch kündbar.
Risiken der GmbH mit gebundenem Vermögen für KMU
Dennoch gibt es auch Risiken: Durch die Zweckbindung des Vermögens kann die GmbH mit gebundenem Vermögen in ihrer unternehmerischen Flexibilität eingeschränkt sein. Das gebundene Vermögen kann nicht ohne weiteres für andere Zwecke verwendet werden, was die Handlungsfreiheit des Unternehmens beeinträchtigen kann. Kritiker des Gesetzesvorschlags sehen zudem eine Missbrauchsgefahr. So könnte die Zweckbindung des Vermögens umgangen werden oder das Vermögen aufgrund fehlender Spezifikationen für andere Zwecke verwendet werden als vorgesehen.
Hinzu kommen Risiken, die stets mit neuen Gesetzen einhergehen: Es gibt noch keine etablierten Praxiserfahrungen oder Rechtsprechungen. Das birgt das Risiko von unklaren Regelungen und Interpretationsspielräumen. Möglicherweise wird das Gesetz im Nachgang noch mehrfach überarbeitet werden müssen, was im Worst Case dazu führen könnte, dass es einen seinen derzeitigen Vorteile – seine Unkompliziertheit – einbüßen wird. Gerade für den Mittelstand könnte auch die geringe Bekanntheit der neuen Rechtsform zum Problem werden: potenzielle Geschäftspartner oder Investoren, die nicht mit der Rechtsform vertraut sind, könnten sich davon abgeschreckt fühlen, in das Unternehmen zu investieren.
Unterm Strich birgt der Gesetzesvorschlag aber einige Potenziale. Sollte es zu einer Verabschiedung kommen, kann es für KMU also Sinn machen, sich das Konstrukt der GmbH mit gebundenem Vermögen einmal genauer anzusehen. Gerade, wer bei der Unternehmensgründung den Aspekt der Nachhaltigkeit in den Vordergrund rücken möchte, könnte hierin ein interessantes Unternehmensmodell für sich finden.
Trotzdem gilt natürlich: KMU sollten keine voreiligen Entscheidungen treffen, ohne sich gründlich von fachlicher Seite beraten zu lassen. Eine Liste mit unterschiedlichen Beratungsangeboten und weiteren Links zu relevanten Berater-Datenbanken bietet das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf seiner Webseite an. Doch allzu große Eile ist hier bei der Gründungsentscheidung wahrscheinlich nicht geboten, denn noch wartet der Gesetzesvorschlag auf die weitere Bearbeitung. Bis zur Umsetzung kann es also noch einige Monate – wenn nicht sogar Jahre – dauern.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.