Nicht nur aller Anfang ist schwer: Der„Global ESG Monitor“ zeigt, dass sogar bei den weltweit größten Unternehmen noch erheblicher Nachholbedarf in puncto Transparenz beim ESG-Reporting herrscht. Den ersten Bericht zu sogenannten ESG-Themen (Environment, Social und Governance) zu erstellen, ist allerdings eine ganz besondere Herausforderung. Strukturen fehlen häufig noch, Nachhaltigkeitsdaten müssen erst erhoben werden – und wo soll man überhaupt beginnen?
Von Michael Diegelmann & Justus Fischer
Unser erster Tipp: Tief durchatmen. Zwar ist der ESG-Bericht die wichtigste Quelle für nichtfinanzielle Informationen für eine ganze Reihe von Stakeholdern mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen, aber wenn Sie die folgenden vier typischen Fehler vermeiden, den andere Unternehmen bei ihrem ersten (und manche auch noch bei ihrem nächsten) ESG-Bericht machen, sind Sie schon einmal auf einem guten Weg.
1. ESG-Themen nicht priorisieren
Viele Erstberichterstatter versuchen am Anfang zu viel: Sie wollen über alle möglichen ESG-Themen berichten. Das ist ein großer Fehler. Aus diesem Grund sollten Sie eine Wesentlichkeitsanalyse durchführen, die in der Befragung interner und externer Stakeholder definiert, was die wichtigsten ESG-Themen für das Unternehmen selbst sind. Wer nicht priorisiert, riskiert, dass der Bericht ein großer Kessel Buntes wird – ohne die Kernthemen des Unternehmens zu verdeutlichen.
Besonders wichtig ist es außerdem, die finanziell relevanten Informationen anzugeben, da diese gerade für Investoren und Asset Manager besonders interessant sind. Ein Ansatzpunkt dafür sind die SASB Standards. Diese bieten eine Definition für jede Sub-Branche, welche ESG-Daten gerade für diese Branche finanziell wesentlich sind. Wer zu den Kriterien von SASB Auskunft geben kann, erhält einen klaren Kommunikationsvorteil.2.
2. Datensammlung unterschätzen
Erstberichterstatter schreiben oft ausschweifende Textblöcke. Das liegt daran, dass die Daten zur Messung des Fortschritts schwer zu beschaffen sind. Die Beschaffung kostet Zeit und hängt von der Zusammenarbeit vieler Akteure ab. Klare Abfragestrukturen und zuverlässige Datenquellen sind dafür nötig. Es ist ein beliebter Trugschluss zu glauben, dass das IT-System des Unternehmens die notwendigen Daten schon irgendwie „ausspucken“ wird. Dafür sind die Datenanforderungen von ESG-Themen viel zu unterschiedlich.
3. Keine Ziele setzen
Wenn Sie die Daten und den Bericht haben, vergessen Sie nicht, sich Ziele zu setzen, um auch in Zukunft Fortschritte zu machen. Beschreiben Sie genau, wie Sie dabei vorgehen wollen. Damit machen Sie sich zwar angreifbar, doch das ist genau das, was Ihre Stakeholder sehen wollen – dass Sie Verantwortung übernehmen.
In den zukünftigen Berichten müssen Sie die Ziele, die Sie sich in der Vergangenheit gesetzt haben, nachverfolgen und reflektieren. Dabei müssen Sie auch mutig sein und sich mögliche Fehler eingestehen
4. Das Publikum vergessen
Jede Sekunde durchkämmen Abertausende von unsichtbaren Maschinen Internetseiten und verschlingen riesige Mengen an öffentlichen ESG-Informationen. Sie wollen nicht, dass die sogenannten ESG-Algorithmen Ihre Website hungrig verlassen. Denn diese werden von Investoren, Banken, Rating-Agenturen und vielen anderen Finanzmarktteilnehmern genutzt, um sich ein Urteil über Ihr Unternehmen zu bilden: Sind Ihre ESG-Daten überzeugender als die Ihrer Wettbewerber oder nicht?
Machen Sie Ihre Daten deshalb leicht zugänglich: Verwenden Sie gängige Frameworks, um Ihren Bericht zu strukturieren. Die GRI-Standards geben Ihrem Bericht beispielsweise eine übergreifende Struktur und sorgen dafür, dass Informationen leicht auffindbar sind. Füllen Sie außerdem all Ihre ESG-Informationen in Tabellen – auch jene, die Sie für Ihren eigentlichen Bericht als überflüssig erachtet haben.
Außerdem gibt es immer noch menschliche Leser, auch wenn es nicht sehr viele sind. Einige Investoren, Analysten oder zukünftige Mitarbeiter wollen tiefer in das einsteigen, was Sie über ESG zu sagen haben – und vor allem wie Sie es sagen. Machen Sie Ihr ESG-Reporting „sexy“, indem Sie gute Bilder, anschauliche Diagramme und eine leserfreundliche Navigation einbauen.
Fazit:
Einen Nachhaltigkeitsbericht zum ersten Mal zu erstellen erfordert Zeit und Investitionen. Sie müssen aktiv Kapazitäten aufbauen und Strukturen kreieren, um die Grundlage für eine starke ESG-Berichterstattung zu schaffen. Und es sollte im Sinne jedes Unternehmens sein, seriös über ESG-Themen zu berichten: So stellen Sie sicher, dass das hohe Vertrauen Ihrer Stakeholder in Ihr Unternehmen auf Dauer aufrechterhalten bleibt.
Michael Diegelmann: Gründer und Geschäftsführer der cometis AG | Autor
Michael Diegelmann hat Erfahrungen in über 150 Kommunikationsprojekten (Börsengänge, Investor Relations, M&A, Krise) gesammelt und ist seit 1997 im Bereich Kapitalmarktkommunikation tätig. Er ist Autor von 16 kapitalmarktrelevanten Buchpublikationen und war vormals Projektleiter bei einem internationalen Beratungsunternehmen und einem Frankfurter Brokerhaus.
Justus Fischer: Berater bei der cometis AG | Autor
Justus Fischer hat Erfahrungen in verschiedenen Investor-Relations- und Unternehmenskommunikationsprojekten gesammelt. Für einen internationalen Technologiekonzern hat er eine crossmediale Content-Marketing-Kampagne koordiniert. Justus studierte Medienwissenschaft, Rhetorik und Literaturwissenschaft an den Universitäten Tübingen, Bielefeld und La Plata (Argentinien). Als sozialen Beitrag arbeitet Justus als Referent für eine gemeinnützige Stiftung, die begabte Jugendliche unterstützt.