44 Prozent der mittelständischen Unternehmen in Deutschland sind als Exporteure oder als Zulieferer im Ausland unterwegs. Strafzölle wie es sie schon auf Stahl und Aluminium gab, sind daher für kleine und mittelständische Unternehmen ein nicht zu unterschätzendes Problem. Wie sich der Handelsstreit weiter entwickeln und was der Mittelstand jetzt tun könnte.
Es begann mit Strafzöllen auf Eisen-, Stahl- und Aluminiumerzeugnissen, die die USA gegen zahlreiche andere Länder verhängte. Passend zu seiner „America-First-Politik“ reagierte US-Präsident Donald Trump damit auf das hohe US-Außenhandelsdefizit. Seit Anfang 2018 schwelt mittlerweile schon der Handelsstreit – allen voran zwischen China und den USA. Ein Konflikt, der wie ein Damoklesschwert über zahlreiche Länder, Branchen und dem Kapitalmarkt schwebt.
Zuletzt hat sich die Situation immer weiter hochgeschaukelt. Mittlerweile erhebt die USA Zölle auf Waren im Wert von 200 Milliarden Dollar, während China die Zölle auf US-Produkte auf 60 Milliarden Dollar aufstockt.
Auch die Europäische Union steht nicht teilnahmslos an der Seitenlinie. Im vergangenen Jahr hat die EU mit Zöllen auf US-Produkte reagiert und drohte erst kürzlich mit „Vergeltung“, sollten die Vereinigten Staaten die geplanten Strafzölle in Höhe von 11 Milliarden Dollar auf Produkte aus der EU umsetzen.
Handelsstreit drückt auf die Stimmung
Der andauernde Handelskonflikt hinterlässt mittlerweile bei vielen Branchen und Unternehmen Spuren – selbstverständlich auch aus der EU. Das geht aus einer jüngst veröffentlichen Mitgliederbefragung der EU-Handelskammer in Peking hervor. Demnach wird jedes dritte EU-Unternehmen, das in China tätig ist, negativ beeinflusst. Nur weniger als fünf Prozent der befragten EU-Firmen sahen positive Auswirkungen auf ihr Geschäft.
Besonders schmerzhaft ist der nicht enden wollende Handelsstreit für den exportorientierten deutschen Mittelstand. Einer Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) zufolge sehen sich KMU immer mehr Handelshemmnissen ausgesetzt. So bereiten verstärkte Sicherheitsanforderungen, lokale Zertifizierungsanforderungen und höhere Zölle die größten Probleme. Außerdem ist die USA nach wie vor der größte Exportpartner Deutschlands.
Handelsstreit und Mittelstand: Kühlen Kopf bewahren
Was können Mittelständler jetzt tun? Zunächst sollten sie einen kühlen Kopf bewahren, denn Panik und Angst ist auch in Zeiten von zunehmendem Protektionismus kein guter Begleiter. Unternehmen sollten ihre Prozesse sowie Lieferströme prüfen und Vorkehrungen auf eventuell steigende Risiken treffen. Denn: Laufen die globalen Lieferketten nicht wie geschmiert, gerät auch der deutsche Industriemotor ins Stocken.
So werden viele Waren in China gefertigt und direkt oder über Umwege von deutschen Unternehmen in die USA geliefert. Zwar dürften schon heute bereits viele Unternehmen mit zusätzlichen Zöllen kalkulieren, doch könnte sich der Druck in den nächsten Wochen und Monaten noch weiter zunehmen – und das zu Lasten der Margen.
Protektionismus kennt nur Verlierer
Kurzum: Kleine und mittelständische Unternehmen sollten die wirtschaftspolitischen Entwicklungen beobachten, analysieren und für das Worst-Case-Szenario gewappnet sein. Das lässt sich häufig über Risikoanalysen oder mit szenario-basierten Handlungsanweisungen abdecken. Damit ist gewährleistet, dass Unternehmen im Fall der Fälle schnell und agil Lösungen parat haben.
Zwar sollte nicht ausgeschlossen werden, dass der Handelsstreit zeitnah ein gutes Ende findet, doch sehr wahrscheinlich erscheint dieses Szenario nicht, im Gegenteil. Dass die US-Regierung seit Mitte Mai US-Unternehmen untersagt, ohne Genehmigung der Regierung Geschäfte mit dem chinesischen Netzwerkausrüster und Technologieunternehmen Huawei zu tätigen, spricht eher dafür, dass der Konflikt an Dynamik gewinnen könnte. Man sollte eigentlich meinen, dass im 21. Jahrhundert jedem klar sein sollte, dass Protektionismus nur Verlierer kennt. Doch dem ist leider nicht so.
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