Der Wettbewerb um die besten Talente hat stark zugenommen. Gleichzeitig fehlen den meisten Personalern die Ressourcen, um hochkarätige Fachkräfte erfolgreich zu umgarnen. Eine ebenso naheliegende wie schlagkräftige Lösung sind sogenannte HR-Apps, die speziell für Personaldienstleistungen entwickelt wurden.
Fachkräfte sind derzeit so gesucht wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Laut Stellenerhebung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gab es im vierten Quartal 2022 in Deutschland 1,98 Millionen offene Stellen. Damit wurde der Rekord vom vorangegangenen Quartal nochmals übertroffen. Dadurch ist der betriebliche Konkurrenzdruck um passendes Personal stark gestiegen.
Davon kann vor allem der Mittelstand ein Lied singen, der zwar in Umfragen regelmäßig für seine gute Ausbildung und Familienfreundlichkeit gerühmt wird. Im Wettbewerb um die besten Köpfe haben kleine und mittelständische Unternehmen jedoch häufig das Nachsehen gegenüber großen Konzernen, die mit internationalen Karrieren und Spitzengehältern punkten können. Nicht selten erliegen mühsam über Jahre aufgebaute Experten diesen Verlockungen und müssen dann arbeitsaufwändig ersetzt werden.
HR-Apps entlasten Personalabteilungen
Davon gleich doppelt betroffen sind die Personalabteilungen. Denn sie müssen nicht nur die neuen Bewerber für die Fachabteilungen rekrutieren. Oft haben sie selbst auch mit Personalengpässen zu kämpfen. Da bleibt neben den laufenden Aufgaben kaum Zeit, um langwierige Bewerbungsprozesse durchzuführen. Abhilfe versprechen hier sogenannte HR-Apps, mit denen sich viele Prozesse digitalisieren lassen.
So das cloudbasierte System Personio. Darüber lässt sich beispielsweise die Lohnabrechnung digital abrufen und muss nicht mehr per Post verschickt werden. Urlaubsanträge auf Papier sind damit ebenso Geschichte. Arbeitszeiten von Schichtarbeitern werden direkt auf dem Tablet oder Smartphone erfasst. Andere Apps helfen dabei, Fähigkeiten und Bildungslücken der Mitarbeiter zu erfassen und diese gezielt zu schulen. Mit CoachHub lassen sich beispielsweise High Potential und Coaches weltweit zusammenbringen, je nach Bedarf und Angebot. Die Sitzungen finden remote statt, ergänzt um eine Chat-Funktion für Rückfragen.
Bewerber-Auswahl mit künstlicher Intelligenz
Und auch das Recruiting selbst lässt sich mit speziellen Software-Lösungen optimieren. Dabei bieten verschiedene Apps ganz neue Möglichkeiten, Unternehmen und Mitarbeiter zusammenzuführen, die wirklich zueinander passen. Start-ups wie z.B. Truffls oder Hokify nutzen das Prinzip der Dating-App Tinder. Nur dass sich dort keine potenziellen Partner finden, sondern eben Unternehmen und Bewerber. Letztere geben einmalig ihre Daten ein und bekommen passende Jobs vorgeschlagen. Wie beim berühmten Vorbild gibt die Swipe-Richtung vor, wie es weitergeht: Nach links heißt nicht interessiert, nach rechts signalisiert die Bereitschaft zum Kennenlernen. Das Unternehmen bekommt dann eine anonymisierte Version des Profils und kann entscheiden, ob es Bewerberin oder Bewerber zum Kennenlerngespräch einladen möchte.
Arbeitgeber, die auf ein diskriminierungsfreies, anonymes Recruiting Wert legen, werden bei MeetFrank fündig. Die Plattform aus Finnland bietet Job-Profile grundsätzlich ohne persönliche Angaben zu Geschlecht, Alter oder Nationalität. Bei der Kontaktaufnahme müssen Fähigkeiten, Gehaltswunsch und Arbeitsort mit dem Angebot des Unternehmens übereinstimmen, sonst ist der Kontakt gesperrt. Auch das ermöglicht eine passgenaue Personalsuche ohne einschränkende Vorurteile. Gleichzeitig findet eine automatisierte Vorauswahl der Bewerber statt.
Optimiertes Bewerbungsverfahren per Video
Den gleichen Zweck verfolgen Bewerbungen per ChatBot. Die Basis bilden die hochgeladenen Daten beispielsweise aus einer Bewerberdatenbank. Anhand derer empfiehlt eine KI-basierte Software die geeignetsten Kandidaten. Andere Anwendungen delegieren auch das erste Videogespräch an eine KI. Darin müssen die Bewerber Fragen zu Fachthemen beantworten, werden aber auch hinsichtlich ihrer Persönlichkeit untersucht. In den allermeisten Fällen werden KI-basierte Verfahren aber nur die Vorstufe zu einem persönlichen Kennenlernen bilden.
Auch die App Talentcube revolutioniert das Bewerbungsverfahren. Dort ersetzen kurze Bewerbervideos von 45 Sekunden Länge das übliche Prozedere des Motivationsschreibens. Damit lässt sich mitunter viel schneller und direkter ein Eindruck davon gewinnen, ob ein Bewerber ins Team passt oder nicht. Nur Bewerber, deren Videos bei den Unternehmen Gefallen gefunden haben, können sich ihrerseits auf offene Stellen bewerben.
Bei allen App-basierten Anwendungen gilt: Insbesondere die junge Generation, die mit SnapChat und TikTok aufgewachsen ist, dürfte sich hier angesprochen fühlen. Wer Mitarbeiter mit langjähriger Erfahrung sucht, wird auch weiterhin parallel auf klassische Bewerbungsverfahren setzen. Dennoch können HR-Apps dabei helfen, Ressourcen zu sparen, sowohl personell als auch monetär.
Über den Kapitalmarktblog:
Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.