Home Konjunktur Insolvenz im Mittelstand: Zahlungsunfähige KMU sollten vorsichtig sein

Insolvenz im Mittelstand: Zahlungsunfähige KMU sollten vorsichtig sein

von Philipp Rose

Wegen der Corona-Krise gehen zahlreiche Unternehmen in Deutschland pleite und müssen Insolvenz anmelden. Die Bundesregierung versucht mit einer Aussetzung der Antragspflicht für Insolvenzen gegenzusteuern. Doch die neuen Regelungen dürften nur einem kleinen Teil der Unternehmen helfen. Überschuldete und noch solvente KMU sollten die Zeit bis Jahresende nutzen, um neue Geschäftspläne auszuarbeiten.

Corona hat eine der größten globalen Wirtschaftskrisen ausgelöst. Deutsche KMU bleiben davon nicht verschont: Alleine im Mittelstand drohen 1,1 Millionen Arbeitsplätze wegzufallen. Laut aktuellen Schätzungen fürchtet jede zehnte Firma im deutschen Mittelstand, infolge der Krise bald vom Markt verschwunden zu sein. Die Wirtschaft bricht ein, tausende Betriebe sind trotz staatlichen Notfallkrediten vollkommen überschuldet. Zumal viele Hilfsgelder überhaupt nicht bei den Unternehmen ankommen. Bürokratische Hürden sorgen etwa dafür, dass viele Betriebe lange auf eine Antwort zu ihrem Förderantrag warten müssen. Für das erste Quartal 2021 rechnet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform daher mit einer riesigen Insolvenzwelle. Mehr als 24.000 Unternehmen sollen von der Pleite betroffen sein. Eins von fünf Unternehmen fürchtet zudem, mit Krediten in Verzug zu geraten und Mitarbeiter entlassen zu müssen. Die Bundesregierung antwortet auf diese Entwicklung mit einer verlängerten Aussetzung der Antragspflicht für Insolvenzen. Doch sollten insolvenzgefährdete KMU genau hinschauen, unter welche Regelung sie fallen.

Nicht alle Unternehmen werden berücksichtigt

„Die Rückkehr zu einer strikten Anwendung der Überschuldungsregeln wäre zum jetzigen Zeitpunkt kontraproduktiv. Unternehmen, die lediglich überschuldet, aber nicht zahlungsunfähig sind, sollen deshalb bis Ende des Jahres weitere Zeit bekommen, um sämtliche Sanierungs- und Refinanzierungsmöglichkeiten auszuschöpfen“, so Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD). Das klingt erst einmal sinnvoll. Schließlich sollen verschuldete Unternehmen Zeit haben, Hilfsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen. Bis zum Ende des Jahres soll die Insolvenzantragspflicht daher ausgesetzt werden.

Doch trifft diese Regelung nur auf Unternehmen zu, die überschuldet und gleichzeitig auch zahlungsfähig sind. Eine überwiegende Mehrheit der überschuldeten Unternehmen sieht sich aber gleichermaßen einer Zahlungsunfähigkeit ausgesetzt. Die liegt vor, wenn Unternehmen laufende Verbindlichkeiten wie etwa Löhne und Mieten nicht mehr bedienen können. In der Regel sind Unternehmen, die Insolvenz anmelden daher auch zahlungsunfähig und nicht ausschließlich verschuldet. Das dürfte auch in der Corona-Krise der Fall sein. Denn in vielen Unternehmen laufen die Betriebskosten trotz der Lockdowns weiter, ohne dass Produkte oder Dienstleistungen verkauft werden. Die Chancen, eine Insolvenz dauerhaft abzuwenden und bis zum Jahresende alle laufenden Verbindlichkeiten zahlen zu können, dürfte wegen der allgemeinen Restriktionen daher nur noch auf wenige Mittelständler zutreffen.

Mehr Spielraum bei Insolvenz

Das Bundesjustizministerium will mit solchen Regelungen sogenannte „Zombie-Unternehmen“ verhindern, die nur künstlich mit Kreditmaßnahmen am Leben bleiben. Allerdings kommen diese Regelungen zu spät und sind zu unpräzise formuliert. Die Bundesregierung lässt hier Transparenz und Spielraum vermissen, die KMU in der Krise dringend benötigen. Wichtig ist jetzt für überschuldete und zahlungsunfähige Unternehmen, sich rechtzeitig um einen Insolvenzantrag zu kümmern. Denn andernfalls droht die Insolvenzverschleppung.

Zeit nicht ungenutzt lassen

KMU, die verschuldet sind, aber gute wirtschaftliche Aussichten haben, sollten die Zeit bis Jahresende hingegen nicht ungenutzt lassen. Lohnenswert ist etwa das Beantragen einer Fortbestehungsprognose, die die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens bescheinigt. Solche Prognosen können bei Wirtschaftsprüfern in Auftrag gegeben werden. Vorher sollten KMU sich jedoch noch Gedanken zu einem geeigneten Geschäftsplan und notwendigen Umstrukturierungen machen. Für Mittelständler kann es sich lohnen, notwendige Strukturen für die Digitalisierung aufzubauen, um so in Bereichen der Datenanalyse, KI und Cloud-Computing zukunftssicher aufgestellt zu sein. Zudem kann es sich lohnen, neue Marketingstrategien zu entwickeln, um neue Kunden und Märkte zu erschließen.

 

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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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