Home Finanzierung IPO 2020: Das Tal der Tränen scheint durchschritten

IPO 2020: Das Tal der Tränen scheint durchschritten

von Philipp Rose

Im vergangenen Jahr wurde mit gerade mal vier Neuemissionen ein Tiefpunkt an der Frankfurter Börse erreicht. Dieses Jahr sollte alles anders werden. Und tatsächlich: Trotz Corona-Pandemie wagen wieder deutlich mehr Unternehmen ein IPO. Es bleibt zu hoffen, dass sich dieser Trend auch im nächsten Jahr fortsetzt.

2019 war einer der Tiefpunkte für Neuemissionen an der Frankfurter Börse: Lediglich vier Unternehmen sind an die Börse gegangen und erzielten dabei einen Gesamterlös von 3,5 Milliarden Euro. Dieses Jahr sollte es endlich wieder aufwärts gehen – doch dann kam Corona. Als IPO-Überflieger wird daher auch das Jahr 2020 nicht in die Geschichte eingehen, dafür steht der Markt derzeit noch zu sehr unter Spannung. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass sich trotz Krise immer mehr Unternehmen mit einem Initial Public Offering (IPO) auf das Parkett in Frankfurt trauen. Sechs Börsengänge sind in Frankfurt 2020 bisher über die Bühne gegangen. Und: Noch ist das Jahr nicht zu Ende; das eine oder andere Unternehmen könnte also durchaus noch mit einem IPO überraschen.

Anleger sind wegen Corona noch nicht in großer Investitionslaune

Was die Anzahl der IPOs angeht, sieht es 2020 im Vergleich zum Vorjahr also gar nicht mal so schlecht aus: Mit dem Datenbankspezialisten Exasol, der Technologieholding Brockhaus Capital Management, Pharma SGP, Siemens Energy, dem Wohnmobil- und Wohnwagenhersteller Knaus Tabbert und dem Rüstungskonzern Hensoldt gab es bislang sechs Emissionen in diesem Jahr. Bei der Summe des Ausgabepreises macht sich dann jedoch bemerkbar, dass die Anleger noch nicht in voller Investitionslaune sind. Gerade die letzten Neuzugänge, Siemens Energy und der Knaus Tabbert, starteten schwach auf dem Frankfurter Parkett. Knaus Tabbert musste den erhofften Ausgabepreis nach unten korrigieren, bei Siemens Energy rutschte der Aktienkurs kurz nach Börsenbeginn in den roten Bereich.

Hensoldt, ein deutscher Hersteller für Rüstungselektronik, konnte beim Debüt am 25. September ebenfalls nicht ganz überzeugen – die Aktie lag kurz nach Börsenbeginn rund 10 Prozent unter dem ausgegebenen Wert von 12 Euro. Trotz der bisherigen holprigen Starts können sich Anleger aber auf weitere mögliche IPOs bis Ende 2020 freuen. Als Kandidaten für einen baldigen Start kommen unter anderem der Knaus Tabbert-Konkurrent Hymer, der Wissenschaftsverlag Springer Nature und der Laborausrüster Synlab in Frage.

Deutsche Börse hat ein grundlegendes Problem

So erfreulich die Entwicklung der Neuemissionen für das zweite Halbjahr womöglich auch ist, offenbart sich immer mehr ein Problem der deutschen Börsenlandschaft: Es mangelt an wirklich großen Börsengängen, die den Markt nach vorne bringen. Gerade in zukunftsweisenden Branchen wie E-Mobilität, Biotech und Social Media fehlt es an Zugpferden an der Börse. Hier ist die Politik gefragt, die Rahmenbedingungen für Börsengängen attraktiver zu gestalten und damit einhergehend auch das Interesse von Unternehmen und Investoren zu steigern. Ganz anders sieht das in den USA und in China aus. Dort hat man bereits erkannt, wie wichtig das Börsenkapital für die Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Unternehmen ist. Neuzugänge erreichen dort oftmals eine Marktkapitalisierung, an die alle deutschen IPOs im gesamten Jahr nicht herankommen.

Mittelständler sollten vor einem IPO nicht zurückschrecken

Dabei ist das Börsenumfeld für Neuemissionen in Deutschland weitaus besser, als viele Unternehmen derzeit vermuten. Zwar weisen die Aktienmärkte unter anderem aufgrund der anhaltenden Corona-Pandemie, der bevorstehenden US-Wahl und des Brexits eine erhöhte Schwankungsintensität auf, im Vergleich zum Frühjahr ist die Volatilität aber bereits deutlich geringer. Vor allem dass die Zinsen niedrig sind und auch noch eine ganze Weile auf dem aktuellen Niveau verharren werden, spielt Unternehmen, die mit dem Gedanken eines IPOs spielen, in ihre Karten – sind Investoren doch auf der Suche nach attraktiven Anlagealternativen.

Für ein IPO spricht zudem, dass börsennotierte Unternehmen unter anderem unabhängiger sind, da keine mächtigen Gesellschafter beim operativen Geschäft Einfluss nehmen können. Zudem steigert der Schritt auf das Börsenparkett in der Regel die Bewertung des Unternehmens und sorgt für positive Publicity. Hinzu kommt, dass Banken aufgrund der geplanten Basel-Reformen künftig noch genauer hinschauen werden, welchem Unternehmen sie überhaupt noch ein Darlehen gewähren werden. Auch wenn manches Unternehmen noch den Sprung ins kalte Wasser scheut, kann sich bereits ein „IPO-Light“ lohnen. Denn bereits das Listing an der Börse kann den Bekanntheitsgrad steigern und Aufmerksamkeit erregen.

 

 

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