Bei der Zahl der Neuemissionen an der deutschen Börse sah es in den vergangenen zwei Jahren eher verhalten aus. Doch jetzt zeichnet sich ab, dass der Abwärtstrend durchbrochen sein könnte. So wagten sich im ersten Halbjahr 2021 bereits acht Unternehmen auf das Börsenparkett. Weitere Neuzugänge und ein SPAC könnten im zweiten Halbjahr folgen.
Die Zahl der IPOs war in Deutschland in den vergangenen zwei Jahren durchwachsen. Gingen 2019 nur vier Unternehmen an die Börse, trauten sich 2020 trotz Corona-Krise immerhin sechs Firmen mit einem IPO auf das Börsenparkett. Ein Blick auf die IPOs des ersten Halbjahrs 2021 zeigt, dass das Tal der Tränen durchschritten ist. So sind bis Ende Juni bereits acht Unternehmen an der Börse gestartet. Weitere bereiten sich derzeit auf ein Listing vor. Und: Nach langer Zeit könnte in diesem Jahr erstmals auch ein Unternehmen über ein SPAC an die Börse kommen. Ob die Zahl der IPOs in Deutschland dieses Jahr im zweistellig wird, muss sich aber erst noch zeigen. Doch schon jetzt steht fest: Der Markt für Neuzugänge nimmt deutlich an Fahrt auf.
Auto1 und Vantage Towers erzielen zweistellige Milliarden-Bewertungen
Einen fulminanten Start legte die KfZ-Plattform Auto 1 als erstes IPO des Jahres im Februar hin: 26,3 Millionen Aktien wurden platziert, hinzu kamen rund 15,6 Millionen Aktien von bestehenden Gesellschaftern. Der angekündigte Emissionspreis lag bei 38 Euro, in den Handel startete das Papier mit stattlichen 55 Euro. Daraus ergibt sich eine Bewertung von satten 12 Milliarden Euro. Auto1 legte somit das größte deutsche IPO seit 2019 hin.
Mit einem weiteren zweistelligen Milliarden-Deal ging auch die Vodafone-Tochter Vantage Towers an den Start. Dank der guten Stimmung am Markt und der steigenden Nachfrage an Funkmasten durch den Ausbau des LTE- und 5G-Netzes wurde Vantage Towers ebenfalls mit rund 12 Milliarden Euro bewertet.
Gemischte Gefühle und Überzeichnung bei weiteren Neuzugängen
Weniger Interesse gab es hingegen bei anderen Neuzugängen. So konnte das IPO der International School of Augsburg an der Börse München lediglich einen Bruttoerlös von 1,7 Millionen Euro erzielen. Geplant gewesen waren jedoch 8 Millionen Euro bei voller Zeichnung. Ein eher verhaltenes Börsendebüt legte auch der Labordienstleister Synlab hin. Der Kurs zum Start an der Börse entsprach dem Ausgabepreis von 18 Euro. Die Laborkette hatte ihre Papiere am unteren Rand der Preisspanne von ursprünglich 18 bis 23 Euro pro Anteilsschein emittiert. Der Bruttoerlös entspricht 722 Millionen Euro.
Auch bei zwei weiteren Zugängen gab es gemischte Gefühle. Anlagenbauer Friedrich Vorwerk konnte mit seinem IPO 900 Millionen erzielen, der Ausgabepreis von 45 Euro bewegte sich am unteren Rand der ursprünglich angedachten Spanne von 41 bis 56 Euro. Der Linux-Softwareanbieter Suse musste seine Erwartungen ebenfalls nach unten korrigieren. Das Unternehmen verzeichnete bei seinem IPO einen Nettoerlös von 1,12 Milliarden Euro. Der Ausgabepreis lag mit 30 Euro je Aktie ebenfalls am unteren Rand des Spektrums.
Mitte Mai legte der Elektronikspezialist Katek mit einem IPO an der Frankfurter Börse einen guten Start hin. Die Emission war bei einem Ausgabepreis von 23 Euro mehrfach überzeichnet, der Kurs kletterte nach Eröffnung auf 27,90 Euro. Der Bruttoemissionserlös beträgt 91 Millionen Euro. Die Anteilsscheine waren in einer Spanne von 21 bis 26 Euro ausgegeben worden.
Gerade noch pünktlich zum Ende des ersten Halbjahres legte der Zalando-Konkurrent About You Mitte Juni ein beachtliches Debüt an der Börse hin. Der erste Preis der Neuemission wurde mit 25,60 Euro notiert und lag damit 11,3 Prozent über dem Ausgabepreis von 23 Euro. Im weiteren Handelsverlauf erreichte die Aktie mehr als 26 Euro und lag somit an der Obergrenze der angepeilten Preisspanne. Insgesamt konnte die Modekette mit dem IPO 842 Millionen Euro in ihre Kasse spülen.
Börse: Pipeline für den Rest des Jahres ist gefüllt
Das zweite IPO-Halbjahr dürfte einige Überraschungen bereithalten. So könnte seit 2010 ein Unternehmen erstmals wieder über ein SPAC an die Börse kommen. Der Lakestar SPAC I SE ist derzeit auf der Suche nach geeigneten Übernahmekandidaten, Insidern zufolge hat das Reise-Start-Up Hometogo derzeit die besten Aussichten. Angestrebt wird eine Bewertung von einer Milliarde Euro. Dieses Ziel ist ambitioniert, doch das Start-Up könnte den derzeitigen Trendwechsel für sich nutzen: Tourismus-Werte profitieren momentan von der fortschreitenden Eindämmung der Pandemie.
Zudem könnte dieses Jahr noch die Veganz Group mit einem IPO aufwarten. Der mittelständische Hersteller veganer Lebensmittel führt derzeit eine Kapitalerhöhung durch, der Börsengang könnte in den nächsten sechs Monaten erfolgen.
IPO ist eine gute Möglichkeit der Mittelstandsfinanzierung
Ein IPO bleibt eine spannende Alternative zum Bankenkredit: Denn Investoren sind dank Niedrigzins-Politik weiter auf der Suche nach attraktiven Anlagemöglichkeiten. KMU sind unabhängiger, da keine mächtigen Gesellschafter beim operativen Geschäft Einfluss nehmen können. Gleichzeitig steigert der Schritt auf das Börsenparkett in der Regel die Bewertung des Unternehmens und sorgt für positive Publicity. Auch wenn manches Unternehmen noch den Sprung ins kalte Wasser scheut, kann sich bereits ein „IPO-Light“ lohnen. Bereits das Listing an der Börse kann den Bekanntheitsgrad steigern und Aufmerksamkeit erregen.
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