Die Neuemissionen haben sich in diesem Jahr überdurchschnittlich gut entwickelt. Da die Bankenregulierung Basel III die Kredite für Mittelständler verknappen dürfte, ist auch weiterhin mit einem lebhaften IPO-Geschäft zu rechnen. Ebenfalls attraktiv für KMU bleibt die Finanzierung über Anleihen.
Nach der Corona-Flaute trauen sich zunehmend mehr Firmen an die Börse. Die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft EY sieht bereits das stärkste Jahr für Börsengänge deutscher Firmen seit 20 Jahren. „2021 ist schon jetzt ein sehr erfolgreiches IPO-Jahr, und nach wie vor ist sehr viel Liquidität im Markt, die im Niedrigzinsumfeld nach attraktiver Anlage sucht“, konstatiert EY-Partner Martin Steinbach.
Seit Jahresbeginn zählte EY 22 IPOs deutscher Unternehmen. 17 davon, darunter die AUTO1 Group, Friedrich Vorwerk oder Mister Spex, erfolgten an hiesigen Börsen und erlösten insgesamt 8,2 Milliarden Euro. Jüngster Börsenneuling in spe ist der Spezial-Logistiker Trans-O-Flex, der noch in diesem Monat den Gang aufs Parkett plant und dabei 130 Millionen Euro frisches Kapital einsammeln will. Die Weinheimer sehen sich bei der Lieferung von gekühlten Arzneimitteln wie beispielsweise Impfdosen als Marktführer.
Ungebrochenes IPO-Wachstum
Fünf deutsche Firmen debütierten an ausländischen Börsen, wo sie laut EY auf ein Emissionsvolumen von insgesamt 1,3 Milliarden Dollar kamen. Hoch im Kurs stand die Hightech-Branche, knapp jeder vierte Börsengang entfiel auf ein Technologieunternehmen. Für das vierte Quartal sieht EY-Partner Steinbach weitere Börsenaspiranten in den Startlöchern.
Die Entwicklung in Deutschland reiht sich gut in das weltweite IPO-Geschehen ein, wo allein zwischen Juli und September 547 Unternehmen erstmals ihre Anteilsscheine öffentlich platzierten. Damit lag die Zahl der Börsengänge 23 Prozent höher als im dritten Quartal des vergangenen Jahres. Sollte kein außenpolitischer Schock die Märkte aus dem Gleichgewicht bringen, dürfte das Wachstum ungebrochen bleiben.
Die künftige Bundesregierung sollte gute Wettbewerbsbedingungen für den Börsenstandort Deutschland schaffen, so dass auch kleinen und mittleren Unternehmen der Zugang zum Kapitalmarkt erleichtert wird. Besondere Bedeutung erhält dieser Appell vor dem Hintergrund der neuen Bankenregulierung Basel III, die Mittelständler schon bald spüren dürften. Seit dem 28. Juni dieses Jahres gelten für Finanzinstitute in der Europäischen Union verschärfte Liquiditätsanforderungen. Da die neuen Eigenkapitalvorschriften zu einem geringeren verfügbaren Kreditvolumen führen dürften, sollten KMU Finanzierungsalternativen über den Kapitalmarkt in Betracht ziehen.
Deutlicher Anstieg bei KMU-Anleihen
Dazu zählen neben dem florierenden IPO-Markt auch Mittelstandsanleihen. Das Emissionsvolumen dieser Papiere ist in den vergangenen Jahren stetig gewachsen. Auch in der Corona-Pandemie hat sich dieser Markt als erfreulich stabil erwiesen. So hat sich trotz der anhaltenden Pandemie sowohl die Anzahl der Emissionen als auch das totale Volumen aller Anleihen in den ersten sechs Monaten dieses Jahres erhöht.
Ein gewichtiger Vorteil dieses Finanzierungsinstruments: Mittelstandsanleihen gewähren keine Mitspracherechte. Firmenchefs können somit weiterhin alleine über ihre operative und strategische Geschäftspolitik entscheiden. Zugleich sind die Kosten langfristig planbar, da die Zinsen für die gesamte Laufzeit fest vereinbart werden. Ein weiterer Pluspunkt mit Blick auf die Liquiditätssteuerung: Über die gesamte Laufzeit hinweg sind nur die Zinsen fällig, wohingegen Mittelständler bei Bankkrediten bis zu deren Endfälligkeit die Last aus Zins und Tilgung tragen müssen.
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