Home Konjunktur Schifffahrt: Teure Frachtraten bereiten Mittelstand Sorge

Schifffahrt: Teure Frachtraten bereiten Mittelstand Sorge

von Holger Clemens Hinz

Der Markt für Container-Seeverkehr boomt und mit ihm die Preise für die Warenverschiffung. Die teuren Frachtraten treffen vor allem den Mittelstand. Während sich große Reedereikunden langfristige und damit billigere Verträge sichern, werden KMU auf den Spotmarkt abgedrängt.

Von Holger Hinz

Mehr als 95 Prozent aller zwischen Deutschland und China gehandelten Waren werden per Schiff transportiert. Doch die Transportpreise haben mittlerweile ein Niveau erreicht, dass bis vor zwei Jahren kaum denkbar gewesen wäre. Das belastet besonders mittelständische Unternehmen. Nicht nur sind die Frachtraten nahezu unbezahlbar geworden. Zusätzlich bekommen KMU im Vergleich zu großen Reedereikunden oft schlechtere Konditionen.

Die Frachtraten haben sich mehr als vervierfacht

Anfang März lag der World Container Index bei 9.279,46 US-Dollar pro 40-Fuß-Container. Das ist mehr als das Vierfache des Preises vor Corona. Anfang 2020 lag der Wert noch unter 2.000 US-Dollar. Der Index setzt sich zusammen aus den gewichteten Frachtraten für Verschiffungen vom Hafen Shanghai nach Rotterdam, Genua, New York, Los Angeles und zurück. Je nach Linie und Fahrtrichtung kann der Preis variieren. Besonders der hohe Bedarf nach Waren aus Asien macht sich bemerkbar: Wer zum Beispiel Bauteile in China bestellt hat, zahlt für den Seetransport von Shanghai nach Rotterdam 12.968 Dollar pro 40-Fuß-Container. Dieselbe Route in die andere Richtung kostet nur 1.439 Dollar.

Darüber hinaus sind die Reedereien dazu übergegangen, Mehrjahresverträge mit größeren Unternehmen abzuschließen, die günstigere Tarife beinhalten. Damit legen sich die Unternehmen zwar längerfristig auf Frachtraten fest, die deutlich über dem Niveau vor Corona liegen. Unter dem Strich kommen sie damit aber günstiger weg. Die Reedereien stellen mit dieser Preispolitik sicher, dass die Frachtrate nach der Pandemie nicht schlagartig absackt. Die großen Verlierer dabei sind kleine und mittelgroße Unternehmen. Sie müssen kurzfristig zusehen, wo noch Ladeflächen zu vergeben sind und werden so systematisch auf den Spotmarkt mit seinen explodierenden Frachtpreisen verdrängt.

Kaum Ausweichmöglichkeiten auf andere Transportmittel

KMU können zwar versuchen, auf andere Transportmittel wie Güterzüge oder Lkws auszuweichen. Doch insbesondere für Lkw fehlen seit einer Weile genügend Fahrer. Zudem gilt der Transport per Lkw als deutlich unsicherer. Auf der rund 12.000 Kilometer langen Strecke von China nach Deutschland fehlen sichere Abstellmöglichkeiten. Durch Staus, Baustellen oder Probleme an den Grenzübergängen kann es zu Verzögerungen kommen.

Ein Lichtblick: Das Verhältnis von Angebot und Nachfrage wird sich über kurz oder lang zugunsten der Reedereikunden verschieben. In den kommenden Jahren sollen neue Schiffe mit einem Frachtvolumen von rund 20 Prozent der bisherigen globalen Flotte auf den Markt kommen. Auch die Containerproduktion läuft auf Hochtouren. Allerdings haben Reedereien die Gunst der Stunde bereits genutzt, um mit ihrer Vertragspolitik die hohen Preise mittelfristig sicherzustellen. Auch nach Ende der Corona-Pandemie werden die Frachtpreise also nur ganz allmählich wieder sinken.

Wer kann, macht sich weniger abhängig von einzelnen Lieferanten

Wer kann, sollte also versuchen, sich von kostspieligen Lieferketten unabhängiger zu machen. Zu den möglichen Maßnahmen gehören größere und effizientere Lagermöglichkeiten, Ausbau der eigenen Fertigungsanlagen und Diversifizierung von Produzenten und Lieferwegen. Auch für Investitionen in die Digitalisierung kann jetzt ein guter Zeitpunkt sein. Mithilfe digitaler Tools können KMU bestehende Infrastruktur – zum Beispiel Lieferketten oder Lagerbestände – effizienter verwalten und überwachen. Das spart mittelfristig Kosten.

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

You may also like

Hinterlassen Sie einen Kommentar