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Der Engagement Letter – ein unterschätztes Dokument auf dem Weg zum IPO

von Lieselotte Hasselhoff
Verpuppung, Startvorbereitungen, Börsengang, IPO, Kapitalerhöhung, Kapitalmarkt, Unternehmensfinanzierung

Unternehmen, die ihren IPO vorbereiten, müssen zunächst wichtige Vereinbarungen treffen. Der sogenannte Engagement Letter zählt zu den wichtigsten rechtlichen Dokumenten beim Börsengang. Im ersten Teil unserer Beitragsreihe zu den wichtigsten Dokumenten beim IPO erläutern wir, was der Engagement Letter regelt und worauf es ankommt.

Von Dr. Andreas Zanner

Der Engagement Letter bei einem IPO ist eine Mandatsvereinbarung zwischen den Beteiligten eines Börsengangs. Das sind die den IPO führenden Banken, die Gesellschaft als Emittentin der Aktien sowie diejenigen Aktionäre, die im Zuge des IPOs Aktien über den Kapitalmarkt an Investoren verkaufen.

Im Engagement Letter geht es um die Beauftragung des Börsengangs und den Umfang des Mandats für die Banken. Unter den Regelungen eines Engagement Letter finden sich insbesondere die wechselseitigen Verantwortlichkeiten der Beteiligten bei einem Börsengang. Dabei werden zunächst die Aufgaben der Lead Banken geregelt, die unter den Emissionsbanken die Hauptrolle übernehmen. Diese Banken beraten und unterstützen maßgeblich bei der Strukturierung des IPO. Sie haben die Gesamtkoordination der Transaktion und ihre Aufgaben beim IPO sollten im Engagement Letter möglichst konkret und präzise beschrieben werden. Zu diesen Aufgaben gehören das Aufstellen von Zeitplänen, die Organisation der Arbeitsabläufe, der Roadshows und der Analystenpräsentationen. Wichtigste Aufgabe der Emissionsbanken ist die Platzierung der Aktien bei Investoren, selbstverständlich ohne Gewähr.

IPO vorbereiten: Kernteam der Bank, Abschlussprüfer und Mehrzuteilungsoption festlegen

Das ist aber längst noch nicht alles und es gibt noch einige wichtige weitere Themen, die im Interesse der Emittentin im Engagement Letter geregelt werden können. Aus Sicht der Emittentin ist zum Beispiel Wert darauf zu legen, dass das Deal-Team auf Seiten der Banken festgelegt wird. Schließlich ist es aus dem Blickwinkel der Emittentin wichtig, dass das Kernteam der Banken nicht nur bei der Bewerbung um das IPO-Mandat auftritt, sondern auch für die Dauer der Vorbereitung und Durchführung des Börsengangs an Bord bleibt und sich nicht anderen Transaktionen widmet.

Des weiteren wird im Engagement Letter festgelegt, welche Abschlussprüfer und welche Rechtsanwälte welche Aufgaben zu übernehmen haben. Übliche Bestimmungen betreffen darüber hinaus die Mehrzuteilungsoption sowie Marktschutzverpflichtungen von Emittenten und Altaktionären (sogenannte Lock-up-Verpflichtungen), wonach diese Aktien innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach dem IPO nicht ohne Zustimmung der Banken verkaufen oder eine Kapitalerhöhung durchführen dürfen.

Wichtige Themen schon im Engagement Letter regeln

Der Emissionsübernahmevertrag (Underwriting Agreement) zwischen den Beteiligten eines Börsengangs, der die Platzierung der Aktien und die dabei entstehenden wechselseitigen Verpflichtungen regelt, wird im Engagement Letter nur gestreift und nicht vorgezogen. Die Gesellschaft kann aber Interesse daran haben, dass bestimmte Fragestellungen – zum Beispiel im Zusammenhang mit der Haftung – schon im Engagement Letter adressiert werden. Es ist im Interesse aller Parteien, wenn möglichst frühzeitig beim Vorbereiten eines IPOs über sensible Themen Klarheit herrscht. Bei der Verhandlung und dem Abschluss des Übernahmevertrages steht der IPO regelmäßig kurz bevor und der Zeitdruck ist für alle Parteien sehr hoch.

Deshalb kann eine frühzeitige Lösung einiger kontroverser Themen im Engagement Letter sinnvoll sein. Beispielsweise kann schon festgelegt werden, welche sanktionsrechtlichen Bestimmungen die Emittentin in den USA einhalten muss. Sinnvoll kann es auch sein, die im Übernahmevertrag abzugebenden Garantien im Zusammenhang mit Antikorruptions- und Antibestechungsbestimmungen zur Klarheit der Emittentin schon im Engagement Letter aufzulisten.

„Key Underwriting Terms“ früh festlegen

Ein häufig diskutiertes Thema ist auch die Definition „nach bestem Wissen der Gesellschaft“, die für einige im Underwriting Agreement abzugebende Gewährleistungen aus Sicht der Gesellschaft empfehlenswert ist. In der Regel müssen die Garantien zwar objektiv und ohne Einschränkung abgeben werden. Aber einige Garantien im Übernahmevertrag werden durchaus nur nach „bestem Wissen der Gesellschaft“ abgegeben. Im Engagement Letter könnte schon festgelegt werden, welches Wissen von Angestellten der Emittentin diesem „besten Wissen der Gesellschaft“ zugerechnet wird. Es kann also sinnvoll sein, bestimmte „Key Underwriting Terms“ bereits im Engagement Letter zu regeln.

Weitere übliche Themen des Engagement Letters sind die Laufzeit und die mögliche Beendigung des IPO-Mandats.

Dieser Beitrag ist der erste Teil einer Artikel-Reihe für den Kapitalmarktblog. Hier stellt der Kapitalmarktrechtler Dr. Andreas Zanner nach und nach die wichtigsten Dokumente für Unternehmen auf dem Weg an die Börse vor und gibt einen Überblick über wesentliche zu klärende rechtliche Fragen.


 

Dr. Andreas Zanner, Rechtsanwalt und Partner bei

© Andreas Zanner

Dr. Andreas Zanner ist seit 1991 Rechtsanwalt und seit 1997 Partner bei CMS Hasche Sigle in Frankfurt am Main. Als Head of Equity Capital Markets berät er börsennotierte Gesellschaften, emissionsbegleitende Banken und andere Kapitalmarktteilnehmer in kapitalmarkt- und gesellschaftsrechtlichen Fragen. Gemeinsam mit seinem Team hat er mehr als 60 Börsengänge aus verschiedensten Branchen als Rechtsberater begleitet. Darüber hinaus bereitet er viele junge Unternehmen auf ihrem Weg an den Kapitalmarkt vor.

 

 

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