Die Ampelkoalition will Deutschlands Rentensystem verändern. Dazu soll ein Teil der Vorsorgegelder künftig am Kapitalmarkt angelegt werden – über zwei eigens dafür geschaffene staatliche Fonds. Das verspricht Kapitalzuflüsse in zweistelliger Milliardenhöhe.
Deutschland bekommt einen Staatsfonds. So steht es zumindest im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien. Die neue Regierung werde „zur langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen“, heißt es darin. Der Fonds soll von einer öffentlich-rechtlichen Stelle verwaltet werden, diese könne das Geld global anlegen. Für die Märkte bedeutet das einen enormen Kapitalzufluss und für die Arbeitnehmer ein neues Rentensystem.
Die sogenannte Aktienrente kann helfen, die wachsende Finanzierungslücke im umlagefinanzierten Rentensystem zu schließen. Dazu soll die Deutsche Rentenversicherung im kommenden Jahr einen Kapitalstock in Höhe von 10 Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln erhalten, den sie gemeinsam mit ihren Reserven – derzeit 36 Milliarden – am Kapitalmarkt anlegt. Künftige Renten sollen aus dem Fonds mitfinanziert werden. Setzt sich dieses Modell durch, können Arbeitnehmer zudem alternativ zur bisherigen privaten Vorsorge demnächst einen Teil ihres Lohns über einen weiteren staatlich gemanagten Fonds in Aktien oder Anleihen anlegen.
Aktienrente bedeutet Milliardenzuflüsse für die Märkte
Knapp 18 Prozent der Deutschen investieren in Aktien und Aktienfonds. Zum Vergleich: In Schweden sind es mehr als die Hälfte der Bevölkerung, denn hier gehört die Aktienrente seit 1999 zur gesetzlichen Altersvorsorge. Die Schweden zahlen 16 Prozent ihres Bruttoeinkommens an die gesetzliche Rentenkasse. Zusätzlich ist es verpflichtend, 2,5 Prozent in Aktienfonds zu investieren.
Das schwedische Rentensystem gilt als mögliches Vorbild für ein kapitalmarktgedecktes Modell in Deutschland. Würden auch die Deutschen künftig 2,5 Prozent ihrer Einkünfte in den staatlichen Fonds zahlen, bedeutete das für die Märkte jährlich Kapitalzuflüsse im zweistelligen Milliardenbereich. Ganz so weit wird es wohl nicht kommen, denn laut Koalitionsplan zahlen nur diejenigen Arbeitnehmer in den Fonds ein, die keinen Widerspruch einlegen. Für einen spürbaren Liquiditätsschub auf den Märkten dürften die Neuerungen dennoch ausreichen. Das zusätzliche Kapital würde unter anderem die Rahmenbedingungen für Neuzugänge an der Börse verbessern und wäre daher auch aus Sicht von kapitalmarktorientierten Mittelständlern begrüßenswert.
Künftige Rentnergenerationen profitieren vom Wirtschaftswachstum
Fest steht außerdem: Das vollständig umlagefinanzierte Modell trägt sich nicht mehr. 25 Prozent des Bundeshaushalts fließen schon heute in laufende Rentenzahlungen, bis 2040 könnten es 50 Prozent sein. Die Zahl der Berufstätigen, die heute in die Rentenkasse einzahlen, sinkt im Verhältnis zur Zahl der Rentner. Die jüngere Generation kann deshalb die Rentenleistungen für die Älteren nicht mehr stemmen. Europaweit landet Deutschlands Rentensystem laut Global Pension Index 2021 auf Platz 10. Spitzenreiter sind Island, die Niederlande und Dänemark – Länder, die Kapitalanlagen in ihr Rentensystem implementiert haben.
Für künftige Rentner birgt ein solches Modell Risiken und Chancen: Kritiker fürchten, dass im Falle einer Krise die Aktienwerte einbrechen und so Vorsorgeeinlagen verlorengehen könnten. Dagegen spricht der historische Trend etablierter Aktienindizes: Der amerikanische Dow Jones 30 ist von 1928 bis 2021 um 14.824 Prozent gestiegen. Auch der DAX hat seit 1959 um immerhin 3.690 Prozent zugelegt. Künftige Generationen könnten dank Aktienrente somit vom Wirtschaftswachstum profitieren.
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