In der Beitrags-Serie erklären die Kapitalmarkt-Experten der Quirin Privatbank Schritt für Schritt wie ein Börsengang (Initial Public Offering – IPO) abläuft. Von den Vorbereitungen bis hin zum Start auf dem Börsenparkett erfahren am Kapitalmarkt interessierte Unternehmer und Unternehmen, worauf es bei einem IPO ankommt. Im zweiten Teil erklärt Carsten Peter, Direktor Corporate Finance bei der Quirin Privatbank, die Etappen nach dem Start: die Erstellung des Wertpapierprospekts und die Entwicklung der Equity Story sowie die Due Diligence.
Herr Peter, im ersten Beitrag der Kapitalmarkt-Serie sprachen Sie über die allgemeinen Rahmenbedingungen, die ein Unternehmen erfüllen sollte, wenn es ein IPO plant. Was sind die ersten Schritte im Prozess zum Listing an der Börse?
Carsten Peter: Nach dem Pitch – also dem ersten Austausch mit der Gesellschaft – wird der Mandatsvertrag verhandelt. Anschließend werden gleich mehrere Prozesse angestoßen, die zu großen Teilen parallel ablaufen. Im Rahmen der Due-Diligence-Prüfung werden die Bereiche Financial, Legal, Commercial und Tax abgedeckt. Ziel ist es, das Geschäftsmodell sowie die Planung und Finanzen des Unternehmens und den Wettbewerb zu analysieren. Gleichzeitig wird ggf. auch die Umwandlung der Gesellschaft in eine Aktiengesellschaft (AG) umgesetzt und entschieden, in welchem Marktsegment das Unternehmen startet. In der Regel brauchen diese Prozesse rund drei bis sechs Monate.
Gibt es ein erstes „Etappen-Ziel“ auf dem Weg zum finalen IPO, auf das hingearbeitet wird?
Ziel der ersten Schritte ist die Erstellung eines Wertpapierprospekts. Es gibt zwar Ausnahmen, allgemein gilt jedoch die Prospektpflicht, denn in Deutschland dürfen Wertpapiere grundsätzlich nicht ohne einen von der BaFin gebilligten Prospekt öffentlich angeboten oder zum Handel am Markt zugelassen werden. Im Prospekt werden die Informationen zur Emission im Detail dargestellt. Der Prospekt ist öffentlich und beinhaltet alle wichtigen Angaben zum Emittenten, verschafft einen Überblick über die Geschäftstätigkeit, Risiken und Gewinnprognose des Unternehmens. Zudem wird die Zuteilung der Aktien und deren Platzierung erklärt. Investoren erhalten umfassende Finanzinformationen sowie Angaben zu Anteilseignern und Wertpapierinhabern. Parallel zur Erstellung des Prospekts wird an der Equity Story des Emittenten gearbeitet und ein Investment Case entwickelt, der die Investment Highlights für die Investoren darstellt.
Wie sieht der Zeitplan für die Erstellung des Prospekts aus? Welche Zeiträume bieten sich für ein IPO besonders an?
Im Wertpapierprospekt müssen aktuelle Unternehmensdaten abgebildet sein. Relevant sind vor allem historische Finanzinformationen wie etwa die letzten Halbjahresfinanzberichte und Jahresabschlussberichte sowie Gewinn- und Verlustrechnungen. Es gilt die 135 Tage-Regel. Zwischen dem Datum, an dem die Untersuchungshandlungen des Wirtschaftsprüfers abgeschlossen sind (Cut-off Date) und den letzten geprüften Finanzdaten dürfen maximal 135 Tage liegen. Der Zeitpunkt für ein Börsengang wird somit im Wesentlichen durch die Veröffentlichungen der Abschlüsse vorgegeben.
Unternehmen, die den Schritt an die Börse wagen, bewegen sich in unbekanntem Fahrwasser. Welchen neuen Herausforderungen müssen sich am Kapitalmarkt interessierte Unternehmen im IPO-Prozess stellen?
Die Daten, die in den Wertpapierprospekt fließen, werden auch für die Equity Story aufgearbeitet. Die Equity Story hebt die Stärken des Unternehmens hervor und stellt die Investment-Highlights in den Mittelpunkt. Hierbei müssen zukünftige Emittenten umdenken. Viele Mittelständler etwa sind es gewohnt, ihre Unternehmen durch Bankenkredite zu finanzieren. Vor einem IPO stehen aber andere Kennzahlen und Qualitäten im Fokus der potenziellen Geldgeber. Unternehmen müssen in der Lage sein, nicht nur ihr Produkt, sondern das Geschäftsmodell und eine Investment Story zu verkaufen, denn Investoren geht es darum, dass das Management einen überzeugenden Investment Case präsentiert. Natürlich bereiten wir das Unternehmen und das Management im Rahmen des Projektes genau auf diese Situationen vor und zeigen mögliche Fragen von Investoren auf.
Welche Punkte werden bei der Equity Story in den Vordergrund gestellt?
In der Equity Story sollte herausgearbeitet werden, in welchen Segmenten das Unternehmen besonders stark aufgestellt ist. Alleinstellungsmerkmale des Geschäftsmodells sowie der Vergleich zum Wettbewerb und Managementstärken werden herausgearbeitet. Das Unternehmen muss auch zeigen können, wie gut es finanziell aufgestellt ist – das erfordert viel Transparenz. Darüber hinaus sollte auch die Transaktionsstruktur klar sein, welche Aktiengattung angestrebt wird, in welchem Börsensegment das Unternehmen gelistet werden soll und wie die Zielaktionärs-Struktur aussieht. Klar muss auch sein, wie das Unternehmen Kapitalzuflüsse aus seinem IPO investieren will. Will das Unternehmen expandieren, müssen mögliche Wachstumsperspektiven im Vordergrund stehen.
Unternehmen streben in der Regel ein IPO an, um Kapital aufzunehmen und im Rahmen einer Umplatzierung der Altaktionäre den Freefloat weiter zu erhöhen. Welche Form des Börsengangs lohnt sich für Unternehmen?
Wesentlicher Punkt beim IPO ist der Mittelzufluss in Verbindung mit einer Umplatzierung. Dabei werden bestehende Aktien der Alteigentümer an neue Aktionäre veräußert, hierbei steht der Kapitalzufluss für das Unternehmen im Mittelpunkt. Bei der Kapitalerhöhung hingegen werden neue Aktien emittiert. Verfolgt das Unternehmen eine Wachstumsstrategie, sollte daher vor allem die Kapitalaufnahme im Rahmen einer Umplatzierung im Vordergrund stehen.
Eine gute Unternehmens-Performance ist bei Investoren Voraussetzung, welche Kriterien sollten Unternehmen darüber hinaus erfüllen?
In den vergangenen Jahren ist vor allem das Thema ESG – Environment, Social, Governance – in den Vordergrund gerückt. Investoren schauen mittlerweile genauer darauf, ob die Gesellschaft nachhaltig positioniert ist. Unternehmen, die an einem IPO interessiert sind, sollten daher schon frühzeitig Strukturen schaffen, die das Sammeln relevanter ESG-Daten einfacher macht. Zuletzt hilft es, Nachhaltigkeits-Ziele zu formulieren und aktiv auf diese hinzuarbeiten. So lässt sich in späteren Berichten der ESG-Fortschritt leichter nachverfolgen und präsentieren.
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