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KI kommt im Mittelstand nicht an – noch nicht

von Holger Clemens Hinz

Künstliche Intelligenz wird unser Zusammenleben verändern – positiv und wahrscheinlich auch negativ. Experten sagen aber schon heute, dass KI über unseren Wohlstand entscheiden wird. Deshalb sollten auch kleine und mittelständische Unternehmen investieren. Aber noch kommt KI im Mittelstand nicht an, die Skepsis überwiegt.

Im deutschen Mittelstand halten 48 Prozent der Unternehmen Künstliche Intelligenz nicht für relevant für das eigene Unternehmen. Erst vier Prozent setzen KI ein, 17 Prozent können sich vorstellen, KI zu nutzen. Zu diesem Ergebnis kam die Studie „Künstliche Intelligenz im Unternehmen“ der Wirtschafts- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers in Kooperation mit Kantar Emnid aus dem vierten Quartal 2018.

Die Autoren der Studie stellen auch fest, dass vor allem kleine und mittelständische Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn sie zukünftig nicht auf Künstliche Intelligenz setzen.  

KI ist schon längst im Alltag angekommen

Aber was verbirgt sich überhaupt hinter KI? Der Begriff „Künstliche Intelligenz“ wurde 1956 von dem US-amerikanischen Informatiker John McCarthy geprägt. Mit KI wird versucht, dem Menschen ähnelnde Entscheidungsstrukturen in einem nicht klar definierten Umfeld nachzubilden. Wir sprechen also immer dann von Künstlicher Intelligenz, wenn ein Programm lern- und anpassungsfähig ist.

KI kann heute schon Bilder analysieren, Daten auswerten, Krankheiten erkennen. Dabei arbeitet sie unermüdlich und kann innerhalb von Sekunden reagieren – und ist daher beispielsweise auch im Bereich des autonomen Fahrens nicht wegzudenken.

Bei diversen Software-Lösungen ist KI ebenfalls schon angekommen. So sucht das Navigationssystem Waze mit einer Kombination aus vorausschauenden Modellen, Prognosen und Optimierungsmethoden die Fahrtroute raus, die uns am schnellsten ans Ziel bringt. Und virtuelle Assistenten wie Siri oder Microsofts Cortana unterstützen uns mit Hilfe der Spracherkennung. In all diesen Produkten steckt bereits Künstliche Intelligenz, wenngleich dem Gros der Nutzer das im Alltag wohl kaum auffallen dürfte.

Dass die Entwicklung von KI in den vergangenen Jahren ordentlich Fahrt aufgenommen hat, kommt nicht von ungefähr. Denn:

  • Die Rechenleistung hat enorm an Geschwindigkeit gewonnen
  • Es liegen mehr Daten vor, die analysiert werden können – unter anderem aus der Interaktion mit Kunden
  • Die Verarbeitung der Daten ist erschwinglicher geworden

KI im Mittelstand: KMU bleiben skeptisch

Dennoch: Gerade einmal vier Prozent der deutschen Mittelständler setzen derzeit auf Künstliche Intelligenz, etwa im Bereich regelbasierter Systeme oder bei der robotergesteuerten Prozessautomatisierung.

So setzt das Hannoveraner Unternehmen Continental Künstliche Intelligenz beispielsweise bei der Fertigung von Reifen ein. Wenn die Reifen aus der Fertigungsstraße rollen, ist noch eine Qualitätsprüfung fällig. Früher kümmerten sich darum Mitarbeiter oder spezielle Röntgengeräte, hohe Fehlerquoten inklusive. Mittlerweile wurde die Röntgeninspektion um ein KI-Verfahren erweitert. Die Folge: Die Fehlerrate ist auf ein Prozent gesunken.

Dass KI-Systeme bei klar definierten, erlernten Aufgaben längst Menschen übertreffen, ist nicht wirklich überraschend. Schließlich behalten die dahinterliegenden Algorithmen bei der Fülle an Informationen länger den Überblick und können die Daten besser analysieren und verknüpfen.  Davon können auch KMU profitieren – unter anderem in folgenden Bereichen:

1. Vertrieb: Der Algorithmus erkennt häufig schon im Voraus, was er einzelnen Kunden als Nächstes anbieten soll – und das zum Teil schon bevor dieser danach sucht.

2. Kundenservice: Mögliche Probleme werden erkannt und vermieden, bevor der Nutzer Unterstützung anfordert. Dabei wird vor allem der Einsatz von Chatbots wird immer wichtiger: Sie helfen dem Kunden im (digitalen) Gespräch sofort oder vermitteln den richtigen Ansprechpartner.

3. Marketing: KI macht es möglich, Kampagnen zielgerichtet und individuell zu realisieren, so dass sie den Kunden im richtigen Moment erreichen.

 

Nicht jammern, handeln

Das klingt alles nach ganz tollen Anwendungsmöglichkeiten. Aber dennoch nutzt nur ein Bruchteil der Unternehmen KI. Warum eigentlich? Die meisten Bedenken betreffen den Datenschutz und die Datenqualität. Unternehmen sehen aber auch Schwierigkeiten bei der Einbindung von KI in bestehende Prozesse, hohe Entwicklungskosten und den Mangel an Fachkräften in diesem Bereich. Das alles darf aber dennoch keine Entschuldigung dafür sein, KI nicht zu nutzen. Unternehmen, deren Geschäftsmodell vom Einsatz der Künstlichen Intelligenz profitieren kann, müssen zeitnah handeln, trotz der beschriebenen Hürden. Zumal es Möglichkeiten gibt, die Finanzierung zu stemmen und entsprechende Experten für das Unternehmen zu gewinnen – trotz des Fachkräftemangels in diesem Bereich. Wer jetzt nicht die entsprechenden Weichen stellt, wird mittel- und langfristig an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Bundesregierung unterstützt Künstliche Intelligenz

Unterstützung kommt auch von Seiten der Politik. So hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Ende 2018 verkündet, sich dafür einzusetzen, dass sich digitale Technologien wie Künstliche Intelligenz im Mittelstand durchsetzen. „Wir müssen sehen, dass die Großen die anderen mitnehmen“, sagte sie damals auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung in Nürnberg. Das sei eine Aufgabe der Wirtschaftsverbände, aber auch der Regierung.

Deshalb sollen in der Zukunft vom Bund geförderte Kompetenzzentren jedes Jahr mindestens 1.000 mittelständische Unternehmen bei der Einführung von KI beraten. Mit drei Milliarden Euro will die Regierung bis 2025 die Entwicklung vorantreiben und Leuchtturmprojekte einzelner Unternehmen fördern und bekannt machen.

Initiativen wie die der Bundesregierung können dabei helfen, ein Verständnis dafür zu schaffen, dass KI weniger kompliziert ist und leichter im Unternehmen implementiert werden kann als gedacht.

Deutschland ist als KI-Standort noch nicht abgehängt. Immerhin ein Teil der Unternehmen hat den Mehrwert von Künstlicher Intelligenz für die eigenen Produkte und Dienstleistungen, aber auch für die Prozessoptimierung erkannt. Erste Schritte sind gegangen. Nun geht es darum, den Weg auch konsequent weiterzugehen. Ansonsten besteht nicht nur die Gefahr, sondern die Gewissheit, dass Deutschland als KI-Standort abgehängt wird.

 

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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