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KMU: Basis der deutschen Wirtschaft

von Lieselotte Hasselhoff
Industriegebiet, KMU Kapitalmarkt Mittelstandsfinanzierung IPO Börse

Kleine- und mittelständische Unternehmen, kurz KMU, gelten zu Recht als das Rückgrat der deutschen Unternehmenslandschaft. Aber wie groß ist ihre Bedeutung wirklich? Und was genau unterscheidet KMU vom Mittelstand und Großunternehmen, was macht sie einzigartig? Und welche Herausforderungen stellt das Thema Finanzierung an die Unternehmen in diesem Bereich? Hier die wichtigsten Fakten.

Alle deutschen Unternehmen haben derzeit mit hoher Inflation, hohen Zinsen, der zurückhaltenden Kreditvergabe der Banken, Fachkräftemangel, stark gestiegenen Energiepreisen und zunehmender Bürokratie zu kämpfen. Doch immer, wenn über die Herausforderungen für die Wirtschaft berichtet wird, heißt es, eine Gruppe sei besonders davon betroffen: die kleinen und mittelständischen Unternehmen, kurz KMU, gelegentlich aber auch einfach als Mittelstand bezeichnet. Auf der anderen Seite gelten KMU und Mittelstand als das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Was also genau bezeichnen die Begriffe KMU und Mittelstand und was macht diese Unternehmensgruppe so besonders und so wichtig? 

Zunächst ein Blick in die Historie: Erstmals soll die Bezeichnung „Mittelstand“ Ende des 17. Jahrhunderts in Schlesien gefallen sein. Und auch wenn ihn heutzutage viele nutzen – im alltäglichen Sprachgebrauch ebenso wie in der Presse –, wissen viele nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, was konkret eigentlich der Mittelstand ist. Ebenso geht es vielen mit dem Ausdruck KMU, den manch einer mit dem Mittelstandsbegriff gleichsetzt.

Kriterien für den Mittelstand

Wer an Mittelstand denkt, der denkt in erster Linie an Tradition, an Familienunternehmen, an inhabergeführte Gesellschaften. Er denkt an das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, an einen Motor für Innovationen. Und damit liegt er eigentlich auch schon ziemlich nah dran an der Wahrheit. Wer nun meint, dass dies eher qualitative Kriterien seien, hat vollkommen recht. Denn in der Tat richtet sich eine akademische Klassifizierung des Mittelstands nicht nach einer quantitativen Größe des jeweiligen Unternehmens. 

Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bonn etwa definiert ein Unternehmen als dem Mittelstand zugehörig, wenn dieses eine Einheit von Eigentum und Leitung mit sich bringt. Vom Unternehmer selbst erwartet das Institut, dass:

  • von diesem ein maßgeblicher persönlicher Einfluss ausgeht
  • er das unternehmerische Risiko trägt und
  • seine persönliche Erwerbs- und Existenzgrundlage durch das Unternehmen gesichert ist.

Als Synonyme für „Mittelstand“ sieht das IfM die Begriffe „Familienunternehmen“, „Eigentümerunternehmen“ und „familiengeführte Unternehmen“ an. Das heißt, dass auch große Gesellschaften dem Mittelstand angehören können.

Unterschied zwischen Mittelstand und KMU

Eine Definition nach Größe gibt es für den Mittelstand also nicht. Es gibt sie allerdings für die sogenannten KMU – und das ist auch der Grund, warum dieses Kürzel nicht nur in der Wirtschaftspresse und bei Kapitalmarktexperten immer wieder Verwendung findet. KMU steht für kleine und mittlere Unternehmen, im Englischen heißt es analog Small and Medium Enterprises, abgekürzt SMEs.

Nach der Definition des IfM Bonn sind folgende Größen bei Beschäftigen und Umsätzen für die Klassifizierung als kleines beziehungsweise mittleres Unternehmen entscheidend:

Typ Beschäftigte   Umsatzerlös
in Mio. €
Kleinstunternehmen ≤ 9 und ≤ 2
Kleine Unternehmen ≤ 49 und ≤ 10
Mittlere Unternehmen ≤ 499 und ≤ 50

Quelle: IfM Bonn

Auch von der EU-Kommission gibt es eine Definition für KMU, die zusätzlich noch die Bilanzsumme des jeweiligen Unternehmens als Kriterium für eine Kategorisierung einschließt:

KMU-Schwellenwerte der EU seit 1. Januar 2005

Unternehmensgröße Zahl der Beschäftigten und Umsatz €/Jahr oder Bilanzsumme €/Jahr
kleinst bis 9   bis 2 Millionen   bis 2 Millionen
klein bis 49   bis 10 Millionen   bis 10 Millionen
mittel bis 249   bis 50 Millionen   bis 43 Millionen

  Quelle: EU-Kommission, IfM Bonn

Größter Unterschied der beiden Definitionen ist davon abgesehen der Umstand, dass die EU-Unternehmen nur bis zu einer Beschäftigtenzahl von 249 als mittelgroß ansieht, das IfM das jedoch bis zu 499 Mitarbeitenden tut und erst ab 500 Beschäftigten von Großunternehmen spricht.

Schnittmengen zwischen KMU und Mittelstand

Die Begriffe „Mittelstand“ und KMU sind aber keine Synonyme. Genau genommen sind die Begriffe Mittelstand und KMU auch nicht einander gleichzusetzen. Dennoch gibt es Schnittmengen. So treffen auf den Großteil der KMU die oben genannten Eigenschaften eines Mittelständlers zu, also die Einheit von Eigentum und Leitung sowie die überdurchschnittlich starke persönliche Einflussnahme des Unternehmers. Andererseits können diese Kriterien auch von Großunternehmen erfüllt werden, die die für ein KMU entscheidenden Kennzahlen bei weitem überschreiten.

KMU und Mittelstand dominieren die deutsche Wirtschaft

Dass der Mittelstand ebenso wie die KMU als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet wird, liegt in der auch zahlenmäßigen volkswirtschaftlichen Relevanz der damit bezeichneten Unternehmen begründet. Das Bonner IfM hat dazu einige Daten aus dem Jahr 2021 zusammengetragen: Rund 3,37 Millionen Unternehmen sind demnach den KMU (welche das IfM als solche definiert) zuzurechnen, das entspricht 99,3 Prozent aller Unternehmen mit Umsatz aus Lieferungen und Leistungen und/oder sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland. Und dabei sind die vielen Betriebe aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei noch nicht einmal mitgezählt. 

Die KMU in Deutschland erwirtschaften den IfM-Zahlen zufolge zusammen rund 2.440 Milliarden Euro, das waren 31,4 Prozent des gesamten Umsatzes in Deutschland. Sie beschäftigen mit 19 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten mehr als die Hälfte (51,3 Prozent) der Angestellten in Deutschland. Ebenfalls deutlich wird ihre Bedeutung bei einem Blick in Richtung Zukunft: 70 Prozent aller Auszubildenden lernen ihren Beruf in Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten. Mit knapp sieben Milliarden Euro entfallen rund acht Prozent aller Forschungs-und-Entwicklungs-Aufwendungen in Deutschland auf KMU. Last but not least haben deutsche KMU auch Gewicht in der Exportwirtschaft. Mit einem Exportumsatz von rund 228 Milliarden Euro sind sie für rund 16 Prozent des deutschen Exportumsatzes verantwortlich. Außerdem trugen sie knapp die Hälfte zur gesamten Nettowertschöpfung aller Unternehmen bei.

Europas Mittelstand ist stark

Die große Relevanz kleiner und mittlerer Unternehmen für die Volkswirtschaft ist keine deutsche Besonderheit, sondern in der Europäischen Union weit verbreitet. Laut der Statistikbehörde Eurostat handelt es sich bei 98 Prozent der am Warenverkehr innerhalb der Europäischen Union (EU) beteiligten Unternehmen um solche, die den KMU zuzuordnen sind. Anders ausgedrückt: Im Im- und Export von Waren und Dienstleistungen spielen KMU aus ganz Europa die tragende Rolle.

Im Europavergleich ist weder die Zahl der kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Deutschland noch ihr Wertschöpfungsanteil sonderlich hoch. Zum Vergleich: In den 27 EU-Staaten sind 99,8 Prozent aller Unternehmen den KMUs zuzuordnen. Vor allem die KMU-Dichte ist im europäischen Ausland höher: Während in Deutschland 100.000 Einwohnern 3.032 KMU gegenüberstehen, sind es im EU-Durchschnitt schon 5.103 KMU. In Tschechien, Slowakei und Portugal sind es sogar zwischen 9.000 und 10.000 KMU pro 100.000 Einwohner. 

Deutsche KMU zählen zu den erfolgreichsten

Spitzenreiter im EU-KMU-Vergleich ist Deutschland allerdings an anderer Stelle, so auch bei der Zahl der Beschäftigten pro Unternehmen. Im EU-Durchschnitt hat ein KMU 3,6 Mitarbeiter, in Deutschlands sind es mit 7,1 Mitarbeitern knapp doppelt so viele. Kein anderes EU-Land erreicht hier einen höheren Wert.

Und in noch einem Bereich heben sich deutsche Mittelständler von ihren europäischen Nachbarn ab:  4,0 Prozent der deutschen KMU im Verarbeitenden Gewerbe sind dem Hochtechnologiebereich zuzuordnen, im EU-Durchschnitt sind es gerade mal 1,9 Prozent. Und nicht zuletzt glänzt Deutschland mit zahlreichen heimlichen Weltmarktführern. Weltweit soll es im Mittelstand- und KMU-Bereich 3.400 Unternehmen geben, die in ihrem Markt eine Spitzenstellung einnehmen und weltweit führend sind. Von diesen Hidden Champions sollen allein 1.600 aus Deutschland stammen. Deutsche KMU gelten somit weltweit als besonders innovativ und qualitätsbewusst. Sie sind es letzten Endes, die den kleinen und mittelständischen Unternehmen aus Deutschland in der ganzen Welt einen herausragenden Ruf bescheren.

Spezielle Herausforderungen für KMU

Doch warum sind KMU immer besonders stark von wirtschaftlichen Herausforderungen betroffen? Zu den vorrangigsten aktuellen Themen für KMU zählen die Digitalisierung, die Energiewende, die hohen Zinsen und Kredithürden der Banken, die überbordende Bürokratie sowie der zunehmende Fachkräftemangel. Die digitale Transformation sowie die Nutzung künstlicher Intelligenz etwa fordert die KMU besonders, da vielfach Versäumnisse der vergangenen Jahre aufgeholt werden müssen, will man von weiter fortgeschrittenen Wettbewerbern nicht abgehängt werden. Dafür aber haben die KMU häufig zu geringe personelle Ressourcen, es fehlen die nötigen Fachkräfte oder schlicht das Geld für derart komplexe und aufwändige Projekte.

Auch mit der Abkehr von fossilen Energieträgern tun sich KMU oft schwerer, weil dann hohe Anfangsinvestitionen nötig sind. Zudem setzt der Fachkräftemangel den kleinen und mittelständischen Unternehmen mehr zu als Konzernen, die bundesweit bekannt und internationaler aufgestellt sind. Größere Unternehmen haben es daher leichter, gute Fachkräfte zu rekrutieren, auch weil sie über größere finanzielle Möglichkeiten und mehr Personalressourcen verfügen. 

Finanzierung von KMU wird immer schwieriger

Durch den hohen Transformationsbedarf ist die Mittelstandsfinanzierung zu einer besonderen Herausforderung geworden. Gerade bei kleineren und jungen Betrieben sind die Geldinstitute im Zuge der Basel-III-Richtlinien bei der Kreditvergabe restriktiver geworden und verlangen von den Unternehmen Sicherheiten, die diese nicht in jedem Fall leisten können. Die Kredithürde der Banken ist vor allem im Mittelstand deutlich gestiegen. Grundsätzlich gibt es jedoch eine Reihe von Alternativen zum Bankkredit für die Mittelstandsfinanzierung, die von Mezzanine-Kapital über die Platzierung einer Anleihe bis zu einem Börsengang zur Ausgabe neuer Aktien reichen können.

Fazit

Die KMU in Deutschland sind zwar das Fundament der deutschen Wirtschaft, weisen einen weltweit einmalig hohen Anteil an Weltmarktführern („Hidden Champions“) auf und haben im europäischen Vergleich überdurchschnittlich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Allerdings stehen die KMU auch vor großen Aufgaben bei Digitalisierung, Energiewende, der Gewinnung von Fachkräften und der Finanzierung all dieser Transformationsprozesse. Deshalb haben EU und Bundesregierung Programme und Maßnahmen aufgelegt, um die Finanzierung von Mittelstand, KMU und Start-up-Szene zu fördern. Beispielweise über das Zukunftsfinanzierungsgesetz, das EU-Vorgaben umsetzt, sowie über das Entlastungspaket der Bundesregierung.

Die Maßnahmen sollen unter anderem dem Mittelstand den Zugang zum Kapitalmarkt erleichtern, Berichtspflichten vereinfachen und die Kosten für eine Börsennotierung reduzieren. Die regulatorische Erleichterung beispielsweise bei Mitarbeiterbeteiligungen soll es vor allem jungen Unternehmen ermöglichen, verdienten Mitarbeitern Aktien rabattiert als Gehaltskomponente zu übertragen, was derzeit oftmals an bürokratischen Hürden scheitert. Der Politik ist die große Bedeutung der KMU in Deutschland also durchaus bewusst.

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