Home Finanzierung Umgang mit Kostensteigerung: Wie lange sind die hohen Energiepreise für den Mittelstand noch tragbar?

Umgang mit Kostensteigerung: Wie lange sind die hohen Energiepreise für den Mittelstand noch tragbar?

von Philipp Rose

Kaum sind die Pandemie und die mit ihr verbundenen Schwierigkeiten in den Hintergrund getreten, sieht sich der Mittelstand mit neuen Herausforderungen konfrontiert: Hohe Energiepreise, Lieferkettenprobleme und eine hohe Inflation – die Liste der Probleme, die durch den Ukraine-Konflikt noch verschärft wurden, ist lang.

Von Carsten Peter

Vor allem der Blick auf die Entwicklung der Energiepreise sorgt für eine hohe Unsicherheit in mittelständischen Unternehmen. Laut einer Erhebung von KfW Research stellen die seit Kriegsbeginn stark gestiegenen Energiepreise derzeit für 62 Prozent aller mittelständischen Firmen eine Belastung dar. Gegenüber Mai 2022 hat sich dieser Anteil um rund sieben Prozentpunkte erhöht. Schon im ersten Quartal 2022 waren die Energiekosten bei über der Hälfte der mittelständischen Unternehmen gestiegen und lagen durchschnittlich 41 Prozent über dem Wert des Vorjahres.

13 Prozent der Mittelständler empfinden Kostensteigerungen als echte Bedrohung

Diese Zahlen sind besorgniserregend. Experten zufolge wird eine Rezession in Deutschland zurzeit immer wahrscheinlicher. Der Mittelstand macht hierzulande 66 Prozent der gesamten Netto-Wirtschaftsleistung aus. Sollte ein Großteil der mittelständischen Unternehmen dem Kostendruck nicht mehr standhalten können, hätte dies entsprechend weitreichende Folgen für die deutsche Wirtschaft. Dennoch gibt rund die Hälfte der KMU zum Befragungszeitpunkt an, die Mehrbelastung durch gestiegene Energiekosten nach eigener Einschätzung noch abfangen zu können.

Dies ist sicherlich in Teilen darauf zurückzuführen, dass die Energiekosten für die Mehrheit der Mittelständler in Deutschland eine eher untergeordnete Rolle spielen, da sie einen verhältnismäßig kleinen Teil des Kostenapparats darstellen: Im Jahr 2021 machten die Energiekosten bei mehr als drei Viertel aller KMU weniger als 10 Prozent der Gesamtkosten aus, bei mehr als der Hälfte der KMU sogar weniger als 5 Prozent. Im Umkehrschluss bedeuten die Zahlen aber auch, dass für 13 Prozent der Befragten die rasant steigenden Energiekosten eine echte Bedrohung darstellen. Für sie sind die Mehrkosten eine Belastung, die – sollten die Kosten auf dem aktuellen Niveau bleiben oder gar ansteigen – das Unternehmen finanziell überfordern würde.

KMU können die Mehrkosten nicht unbegrenzt an Abnehmer weitergeben

Eine Möglichkeit, handlungsfähig zu bleiben, ist für die Unternehmen die Weitergabe der gestiegenen Kosten an den Kunden. 66 Prozent der KMU tun dies bereits oder planen dies zum Befragungszeitpunkt im September im Laufe des Jahres. Dies ist aber nur bis zu einem gewissen Grad möglich, denn sollten die Produkte der Unternehmen immer teurer werden, könnten am Ende des Tages die Abnehmer wegbrechen.

Nicht zu vergessen sind neben den gestiegenen Energiekosten die Preissteigerungen in anderen Bereichen. So haben sich – ebenfalls verursacht durch gestiegene Energiekosten – die Preise der deutschen Großhändler, also einem Teil der Zulieferer der Unternehmen, im September um rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat erhöht. Die Erhöhung zieht sich hierbei durch beinahe alle Bereiche. Besonders die Preise für Mineralölerzeugnisse, feste Brennstoffe und lebende Tiere sind erheblich gestiegen. Aber auch chemische Erzeugnisse, Milch und Milcherzeugnisse, Eier, Speiseöle und Nahrungsfette sowie Getreide, Rohtabak, Saatgut und Futtermittel sind deutlich teurer als im Vorjahr.

Die Sonderrolle des verarbeitenden Gewerbes

Grund zur Sorge liefert jedoch ein Teilbereich der mittelständischen Wirtschaft: das verarbeitende Gewerbe. Das verarbeitende Gewerbe macht zwar nur 5,8 Prozent aller mittelständischen Betriebe aus, gleichzeitig beschäftigt es aber die meisten Angestellten, erzeugt die höchsten Umsätze und tätigt mehr Investitionen als andere Betriebe. Somit hat das verarbeitende Gewerbe innerhalb des Mittelstands eine Schlüsselrolle inne.

Im verarbeitenden Gewerbe sind jedoch naturgemäß auch die rund 29.000 Unternehmen mit energieintensiver Produktion verortet, wie etwa das Papiergewerbe oder die Metallerzeugung und -verarbeitung. Und genau diese Unternehmen sind gegenwärtig besonders belastet – denn 13 Prozent der Firmen dieses Wirtschaftsbereichs hängen bei der Erzeugung von Prozesswärme maßgeblich von Gas ab.

Somit wird die Entwicklung der Gaspreise für den deutschen Mittelstand zum entscheidenden Faktor. Ihre Entwicklung ist angesichts der Spannungen mit Russland und des nicht absehbaren Endes des Krieges in der Ukraine schwer abschätzbar. Zusätzlich ist ungewiss, inwieweit eine Beruhigung der geopolitischen Lage zu einer Entspannung der Preise für Rohstoffe sorgt. Diese Unsicherheit verschärft die Situation für mittelständische Unternehmen, denn eine Planungssicherheit fehlt.

Die Auswirkungen, sollte eine Vielzahl der Unternehmen im verarbeitenden Gewerbe in eine wirtschaftliche Schieflage geraten, wären entsprechend enorm. Gerade deshalb ist es unerlässlich, diese nicht aus dem Blick zu verlieren. Denn obwohl mittelständische Unternehmen alles im Rahmen des Möglichen tun, um die Krise gut zu überstehen, ist ungewiss, wann und ob sich die Lage entschärft.

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

 

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