Jeans treffen auf Anzüge, Coworking-Space auf ausgefeilte Büroorganisation, Tradition und Routine auf Experimentierfreudigkeit und Pragmatismus. Ja, Startups und Mittelstand, das klingt im ersten Moment wie Feuer und Eis. Viel zu groß scheinen die Unterschiede, in der Organisationsstruktur ebenso, wie in der Unternehmenskultur, bei Vertriebswegen, in Hinblick auf Markterfahrung und nicht zuletzt bei Digitalisierungsprozessen. Dabei können gerade diese durchaus vorhandenen Unterschiede zum Innovationsmotor für beide Seiten werden. Doch dazu müssen Schranken überwunden werden – vor allem im Kopf der Beteiligten.
Vorhandenes Potenzial wird auch deshalb selten genutzt, weil der Mittelstand und Startups immer noch viel zu wenig voneinander wissen. Außerdem fehlt es mittelständischen Unternehmen oft an notwendigen Kontakten zu Startups. So gaben in einer Umfrage des Branchenverbandes Bitcom 2018 immerhin 61 Prozent der 600 befragten Unternehmen an, nicht mit Startups zusammenzuarbeiten. „Gerade der Mittelstand tut sich noch häufig schwer damit, die Digitalisierung aktiv zu gestalten und für das eigene Unternehmen zu nutzen und sollte darum den Versuch wagen, Kooperationen mit Startups einzugehen“, meint Bitcom-Präsident Achim Berg. Allzu viel Gehör scheint er mit seiner Aufforderung nicht gefunden zu haben.
KMU und Startups müssen aufeinander zugehen
Denn das Institut der deutschen Wirtschaft kommt im Januar 2020 zu einem ähnlichen Ergebnis: „Mittelständische Unternehmen liegen bei der Umsetzung digitaler Konzepte für die Industrie 4.0 mit Ausnahme weniger Vorreiter weiterhin deutlich zurück.“ Dabei es ist 5 vor 12 – wer auch zukünftig nachhaltig wachsen und eine profitable Rolle spielen will, muss sich anpassen und aufeinander zugehen. Die Digitalisierung der Märkte fordert Veränderung und ermöglicht gleichzeitig Geschäftsmodelle, die bisher undenkbar waren.
Während Startups von den Markterfahrungen und -zugängen der KMU profitieren oder deren bestehende Infrastruktur nutzen könnten, besteht für die Mittelständler die Chance, Geschäftsmodelle mit innovativen, technologischen Lösungen der Gründerszene zukunftsfähig zu gestalten. Kurzum: Die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit sind vielfältig. Sie reichen vom simplen Informationsaustausch über Kooperationen bis zur gemeinsamen Produktentwicklung oder finanziellen Beteiligung. Ob effektive Cloud-Lösungen, die Entwicklung von gemeinsamen Online-Marketing-Strategien, Aufbau von Online-Shops, Optimierung von Zahlungs- und Vertriebsprozessen – vieles scheint möglich. Voraussetzung ist jedoch, dass beide Seiten zueinander finden – beispielsweise auf Messen oder durch die Teilnahme an Pitch-Events – zueinander passen und sowohl KMU als auch Startups von den Ideen und den sich bietenden Möglichkeiten überzeugt sind.
KMU-Startup-Kooperation: Eine Erfolgsgeschichte
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist zwar immer noch nicht gewiss, dass eine Kooperation zwischen einem alteingesessenen Mittelständler und einem Startup auch tatsächlich Früchte trägt. Doch die Chance, dass der Mittelstand vom frischen Startup-Wind und die Business-Pioniere von der langjährigen Expertise profitieren können, besteht dann durchaus. So geben laut der RKW-Studie „Mittelstand meets Startups 2018“ 96 Prozent der KMU mit Kooperationserfahrung an, in Zukunft erneut mit einem Startup zusammenzuarbeiten. Wenn Jeans auf Anzüge treffen, kann das also offenbar durchaus in einer Win-Win-Situation münden.
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