Die Welt erholt sich allmählich von den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise. Doch vielerorts stockt der Erholungskurs. Besonders bemerkbar macht sich das in den globalen Lieferketten. Die Lieferungen von Rohstoffen und Werkteilen hinken massiv hinter der starken Nachfrage vieler Industrieunternehmen hinterher. Dem deutschen Mittelstand macht das zunehmend zu schaffen.
3,7 Prozent Wachstum gegenüber dem Vorjahr lautet die Prognose des Instituts für Wirtschaftsforschung (ifo) für das deutsche BIP im Jahr 2022. Die deutsche Wirtschaftsleistung würde damit auch in diesem Jahr nicht ihr Vorkrisenniveau erreichen. Mit Blick auf die globale Wirtschaftsentwicklung korrigierte die Weltbank im Januar ihre Wachstumsprognose von 4,3 auf 4,1 Prozent nach unten.
Dass das Stocken der Lieferketten auch 2022 einer der stärksten Bremsfaktoren der Weltkonjunktur sein wird, zeichnete sich bereits zu Beginn des Jahres ab. Laut der KfW-Förderbank ist jeder zweite Mittelständler von Lieferengpässen betroffen. Besonders leiden demnach KMU im verarbeitenden Gewerbe. Dort waren im November vier von fünf Firmen mit Lieferengpässen konfrontiert. Im Baugewerbe kämpften 78 Prozent und im Groß- und Einzelhandel 63 Prozent der Unternehmen mit Materialengpässen. Seitdem nimmt der Druck für viele KMU weiterhin zu. Zwar hat das ifo-Institut im Dezember prognostiziert, dass sich die Konjunktur in Deutschland ab Sommer 2022 deutlich erholen werde, doch mit Blick auf die globalen Lieferketten herrscht derzeit einige Unsicherheit.
Neue Corona-Ausbrüche und politische Konflikte sind eine Gefahr für die Märkte
Größter Unsicherheitsfaktor ist weiterhin die Corona-Pandemie. Die Ausbreitung der Omikron-Variante könnte – ebenso wie ein neuer Typus – kurzfristig ganze Regionen wirtschaftlich zum Erliegen bringen. Selbst falls sich die Lieferketten im Laufe der kommenden Monate erholen, hängt diese Gefahr wie ein Damoklesschwert über dem internationalen Handel. Verschärft wird die Lage durch die Zuspitzung politischer Konflikte in den für den globalen Handel strategisch wichtigen Weltregionen. Aktuelle Spannungen wie der offene Konflikt zwischen Russland und der Ukraine oder zwischen China und Taiwan belasten die Weltwirtschaft.
Die Anhebung des US-amerikanischen Leitzinses rückt näher
Mit Blick auf den Kapitalmarkt stehen die Zeichen trotzdem – noch – auf Aufschwung: Dank des Niedrigzinses haben Unternehmen weiterhin gute Chancen, günstig Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen. Aktien bieten für Anleger zudem nach wie vor die beste Renditechancen. Die EZB bleibt bei ihrer Niedrigzinspolitik und auch die US-amerikanische Fed will den Leitzins laut ihrer jüngsten Entscheidung vorerst noch in der Spanne zwischen 0 und 0,25 Prozent belassen – allerdings nicht mehr lange. Die erste von drei geplanten Zinsanhebungen der Notenbank ist schon für März zu erwarten. Welche Folgen für die Konjunktur das mit sich bringen wird, bleibt abzuwarten. Unterdessen zeichnet sich ein weltweiter Anstieg bei der Nachfrage nach Konsumgütern ab. Doch ohne eine Stabilisierung der globalen Lieferketten, wird der Aufschwung ausgebremst: Die Auftragsbücher mittelständischer Unternehmen sind voll, doch die Produktion stockt. Der einzige Ausweg aus dieser Lage ist für Unternehmen die Überprüfung und Neuaufstellung der eigenen Zuliefererstruktur.
KMU sollten in Lager und neue Technologien investieren
Große Unternehmen versuchen daher ihre Lieferketten geografisch zu diversifizieren. Laut ifo schätzt jedoch ein Großteil der kleinen und mittleren Unternehmen in Deutschland die Kosten für die Suche nach neuen Zulieferern als zu hoch ein. KMU sollten daher in umfangreiche Lagermöglichkeiten und in Technologie zur Überwachung ihrer bestehenden Lieferketten investieren. In beiden Bereichen schreitet die Entwicklung entsprechender Cloud-Systeme und Tools zur Datenanalyse in großen Schritten voran. Langfristig in die Digitalisierung des eigenen Unternehmens zu investieren, ist für den Erhalt der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zentral. Es bietet die Chance, einer der aktuell größten wirtschaftlichen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen.
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