KMU mit Betätigungsfeldern im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) haben derzeit sehr gute Chancen am Kapitalmarkt. Auch traditionelle Mittelständler, die ihre Produktionsanlagen erneuern und auf KI-basierte Technologien setzen wollen, rennen bei Investoren offene Türen ein. Welche Chancen KI für den Mittelstand bietet.
Künstliche Intelligenz, kurz KI oder AI im Englischen, hat sich im ersten Halbjahr 2023 als Motor der Börse erwiesen. Kein anderes Thema lockt derart viele Anleger an wie die Chancen, die sich aus dem Einsatz selbstlernender Maschinen ergeben. Die großen amerikanischen IT-Konzerne Microsoft, Alphabet, Meta, Amazon und Nvidia investieren derzeit Milliardensummen in die Weiterentwicklung der Technik und haben damit begonnen, KI-Tools in ihre bestehenden Angebote zu integrieren. Die Tech-Riesen waren fast im Alleingang dafür verantwortlich, dass die Aktienmärkte neue Höchststände erreichten.
Die Frage, die Anleger wie Unternehmen gleichermaßen stellen: Ist das nur eine vorübergehender Spekulationsblase oder sind die übergroßen Hoffnungen mit Blick auf KI tatsächlich gerechtfertigt? Und profitieren davon nur finanzstarke Konzerne oder auch die kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU)?
KI ermöglicht es technischen Systemen, ihre Umwelt wahrzunehmen, Probleme zu lösen und so Ziele schneller zu erreichen. Je mehr Daten die selbstlernenden KI-Systeme bekommen, umso besser funktionieren sie. Laufen sie dann nach hinreichendem Training selbstständig, können die Unternehmen zahlreiche Prozesse und Innovationen beschleunigen und so viel Geld sparen. KI-Systeme können den Menschen massiv entlasten und so den Unternehmen helfen, ihre personellen Ressourcen zu schonen sowie Material- und Energieverbrauch zu senken.
Riesiges Wertschöpfungspotenzial durch Künstliche Intelligenz
Das Potenzial scheint enorm, das spiegeln zumindest die sehr hohen Börsenbewertungen der KI-Aktien wieder. So erwartet etwa die Unternehmensberatung McKinsey bis 2030 einen Produktivitätszuwachs von 2,4 bis 4,1 Billionen Euro – pro Jahr. Ob sich die Prognosen in dieser Form bewahrheiten werden, bleibt natürlich abzuwarten. Doch auch Analysen von Bloomberg und PWC rechnen mit vergleichbar großen Effekten der KI-Technologie auf die Weltwirtschaft.
Viele Experten erwarten, dass KI schnell Einzug in die Wirtschaft halten wird. Erst kürzlich stellte Microsoft den KI-Copiloten ihrer Office-Software vor, der Texte analysieren und E-Mails vorformulieren kann und schon bald fester Bestandteil der Bürosoftware sein wird. Gleichzeitig stellt die Microsoft-Beteiligung Open AI ihre Technologie hinter dem populären Chatbot ChatGPT Programmierern kostenlos zur Verfügung, damit diese frei und ungezwungen spezielle KI-Anwendungen entwickeln können. Den gleichen Weg beschreitet die Facebook-Mutter Meta mit ihrer KI-Software Llama. Es ist also damit zu rechnen, dass die KI-Technologie schnelle Ausbreitung finden wird, während die Anwendungsfälle in der Wirtschaft immer weiter zunehmen. Der Siegeszug künstlicher Intelligenz erscheint somit unaufhaltsam und KI dürfte schon in wenigen Jahren im Alltag omnipräsent sein.
KI und KMU gehören zusammen
Während bereits erste KI-Anwendungen in Großunternehmen zum Einsatz kommen, halten sich Deutschlands kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bisher noch weitgehend zurück. Viele scheuen Aufwand und Kosten einer Implementierung, andere suchen noch nach den richtigen Einsatzgebieten und Aufgaben. Dabei gibt es bereits KI-Angebote, die sich ohne großen Aufwand und zu überschaubaren Kosten im Mittelstand einsetzen ließen. Gerade in mittelständischen Betrieben werden die positiven Effekte von KI sehr schnell sichtbar. Künstliche Intelligenz kann beispielsweise dabei helfen, die Personalressourcen zu schonen, Material und Energie einzusparen, die Logistik zu optimieren, technische Anlagen zu warten, Lagerbestände zu verwalten oder automatisiert Werbeanzeigen zu schalten.
Spezialisierte Dienstleister prüfen die Möglichkeiten für den KI-Einsatz und bringen auch die passenden KI-Tools mit. Beispielsweise hat das Bundesumweltministerium den Green-AI Hub Mittelstand initiiert. Ziel ist es, die Nachhaltigkeitsbemühungen im Mittelstand mittels KI-Unterstützung zu fördern. Dafür stellt der Mittelstands-Hub Experten-Know-how und geeignete Tools zur Verfügung und berät KMU auch vor Ort im Betrieb. Mit der Initiative hat etwa die BBM Maschinenbau und Vertrieb GmbH, ein mittelständischer Hersteller von Maschinen zur Produktion von Kunststoffhohlkörpern wie Kanistern oder Tanks, den Einsatz von recyceltem Kunststoff auf 80 Prozent erhöhen können. Die KI hat dabei im Simulationsverfahren die optimale Konstruktion für den Einsatz recycelten Materials ermittelt. Durch die KI konnte BBM zudem die Qualität und Lebensdauer der so produzierten Kunststoffteile erhöhen.
Investoren suchen händeringend KI-Anlagechancen
Inzwischen und teilweise schon seit Jahren tummeln sich zahlreiche KI-Trainer in der Wirtschaft. Zum Beispiel bietet auch die Initiative „Mittelstand digital“ des Bundeswirtschaftsministeriums Kurse und Workshops an, um den teilnehmenden Unternehmerinnen und Unternehmen Einsatzmöglichkeiten von KI näherzubringen.
Allerdings ist der Einsatz von KI auch kein Selbstläufer. Damit KI im Betrieb ein Erfolg wird, muss eine Einführung gut geplant und vorbereitet werden. Zunächst müssen daher klare Ziele definiert werden. Was will das Unternehmen durch Einsatz von künstlicher Intelligenz genau erreichen? Ist das Ziel beispielsweise die Vorauswahl passender Bewerber auf offene Stellen, wird ein KI-Tool genau für diesen Zweck konfiguriert. Auch müssen für den Einsatzzweck geeignete digitale Daten zur Verfügung stehen, um das KI-System vor und während der Anwendung zu trainieren. Spezialisierte KI-Berater können bei der Planung und Umsetzung helfen.
Die Nutzung von KI ist oftmals weniger aufwändig und kostenintensiv, als viele Mittelständler fürchten. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es dennoch sinnvoll, genügend Zeit und ein ausreichend großes Budget für die KI-Einführung sowie das Training der Systeme einzuplanen. KMUs tun daher gut daran, sich zügig mit den Möglichkeiten vertraut zu machen und erste KI-Projekte zu planen und zu budgetieren. Nicht nur, weil sie so Prozesse und Produkte verbessern können, sondern auch, weil Investoren das Geld für KI-Chancen derzeit locker sitzen haben. Für KMU, die KI-Projekte planen und eine Finanzierung benötigen, öffnen sich aktuell viele Türen, auch am Kapitalmarkt. Wer hohen Kapitalbedarf hat und zur Finanzierung der KI-Investitionen eine Anleihe begeben will oder sogar einen Börsengang plant, hat derzeit beste Chancen. Es wäre schade, dieses Potenzial ungenutzt liegen zu lassen.
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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.