Mitte Juni hat Facebook gemeinsam mit 28 Partnern die Kryptowährung „Libra“ angekündigt. Dabei handelt es sich um eine globale Kryptowährung, die für alle Menschen weltweit den Geldtransfer vereinfachen soll und dabei auch Menschen einbezieht, die bisher über kein Bankkonto verfügten.
Von Afra Stöhr
Für die Umsetzung des Projekts wurde die Libra-Association gegründet, eine unabhängige, gemeinnützige Organisation mit derzeit 28 Mitgliedern. Zu den Mitgliedern zählen Unternehmen wie Mastercard, Visa, Uber, eBay und Paypal. Durch die Zwischenschaltung der Libra-Association möchte Facebook verhindern, dass der Eindruck entsteht, dass Facebook Libra kontrollieren kann und dabei freien Zugang zu sensiblen Daten bekommt. Jedoch ist es schwer vorstellbar, dass Mark Zuckerberg ein Projekt ins Leben ruft, dass das Potenzial hat, das bestehende Geldsystem zu verändern, ohne sicherzustellen, dass die Entwicklung des Projekts in seinem Sinne ist. Er wird dieses Projekt nicht gestartet haben, um die Welt zu verbessern und Menschen das Leben zu vereinfachen.
Facebook hat viel Vertrauen verspielt
Das Vertrauen in Facebook ist aufgrund diverser Datenskandale stark gesunken. Beispielsweise hat Medienberichten zufolge kürzlich die Handels- und Verbraucherschutzbehörde FTC wegen des Datenskandals im Zusammenhang mit Cambridge Analytica eine Strafe in Höhe von 5 Milliarden US-Dollar gegen Facebook verhängt. In dieser Position ist es für Mark Zuckerberg schwierig, das Libra-Projekt im Alleingang zu starten. Der Zusammenschluss globaler Unternehmen ist dahingegen erfolgsversprechender.
Um tatsächlich das „Internet des Geldes“ zu erschaffen, müsste Libra weltweit von Nutzern im Alltag als Zahlungsmittel verwendet werden. Doch hier befindet sich das Projekt in einer sehr vielversprechenden Ausgangsposition. Allein durch die Facebook-Anwendungen ergeben sich 2,5 Milliarden potenzielle Nutzer. Es ist jedoch fraglich, ob sämtliche Facebooknutzer auch tatsächlich potenzielle Libranutzer sind. Die meisten User hat Facebook in Indien, jedoch ist dort die Verwendung von Libra bereits jetzt verboten. Somit scheidet diese Gruppe als Kunden für Libra aus. Wird Libra in die Anwendung Whats app integriert, haben schlagartig 1,5 Milliarden Nutzer Zugang zu der Digitalwährung.
Starke Partner und finanzielle Stärke
Facebook hat Erfahrung darin, neue Netzwerke aufzubauen, und diese mit einem nutzerfreundlichen Interface zu versehen. Folglich sind die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Umsetzung des Projekts allein durch Facebook gegeben. Die Erfolgsaussichten steigen weiterhin, wenn man berücksichtigt, welche weiteren Unternehmen Mitglieder der Libra-Association sind. Beispielsweise akzeptieren weltweit 75 Prozent aller Geschäfte Visa oder Mastercard als Zahlungsmittel. Somit ergibt sich auch hieraus ein weiteres Indiz für das Erfolgspotenzial von Libra. Nicht zu unterschätzen ist die finanzielle Kraft, die hinter diesen Unternehmen steht. Um Mitglied der Libra-Association zu werden, muss jedes Unternehmen ein Beitrag von 10 Millionen US-Dollar entrichten. Somit würde die Libra-Association mit Gründung bereits über 280 Millionen US-Dollar verfügen. Libra hätte somit auch finanziell das Potenzial, global einer der größten Finanzdienstleister zu werden.
Zwar beteuert Facebook, dass die Transaktionsdaten nicht für eigene Zwecke genutzt werden. Jedoch hat das Management in der Vergangenheit bereits diverse Versprechen im Zusammenhang mit dem Umgang mit Daten gebrochen, zum Beispiel bei der Übernahme von Whatsapp. Nicht allein der Umgang mit Daten macht dieses Projekt bedenklich. Auch die Auswirkungen auf die lokale Geldpolitik sowie notwendige Maßnahmen zum Kampf gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung werfen Fragen auf.
Regierungen und Notenbanken bewerten Libra-Vorhaben kritisch
Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich bereits diverse Regierungen, Notenbanken und Regulatoren mit Libra auseinandersetzen. So liegen erste skeptische Äußerungen vom US-Notenbankchef, den Finanzministern aus Deutschland, Frankreich und den USA vor. Der US-Präsident Donald Trump hat sein Unbehagen „getweetet“ und ein Zusammenschluss von Verbraucherverbänden hat die Mitglieder der Libra-Association aufgefordert, die Mitarbeit an dem Projekt abzubrechen. Auch auf dem G7-Gipfel steht die Libra auf der Agenda. Somit werden in diversen Ländern die Risiken von Libra identifiziert und erörtert, welche Maßnahmen ergriffen werden können, um die Etablierung von Libra zu unterbinden. Es geht im Kern darum, die staatliche Kontrolle über die lokale Geldpolitik zu behalten und den Verbraucherschutz zu gewährleisten. So sagte der Bundesfinanzminister Olaf Scholz, dass die Herausgabe einer Währung nicht in die Hände eines Privatunternehmens gehört, denn sie ist ein sehr wesentliches Element staatlicher Souveränität.
Die Ambitionen von Facebook für eine Kryptowährung sind sehr ernst zu nehmen, da das Unternehmen zweifelsohne über eine globale Reichweite verfügt. Eine breite Akzeptanz eines privaten Zahlungsmittels wäre daher von Anfang an möglich. Die Einführung nicht allein idealistisch vom Freiheitsgedanken und der bloßen Vereinfachung von Finanztransaktionen in einer freien Weltwirtschaft geschuldet ist. Es stehen hier handfeste kommerzielle Interessen globaler Konzerne und die Macht der Daten im Mittelpunkt. Wir sollten uns daher bewusst werden, ob wir eine globale Währung haben möchten, die von Konzernen kontrolliert werden und damit die lokale Geldpolitik nachhaltig untergraben. Es bleibt abzuwarten, ob die Macht der Konzerne bereits so groß ist, dass sie sich global gegen Zentralbanken und Regierungen behaupten kann. Hoffentlich nicht.
Afra Stöhr | Autor
Afra Stöhr ist Managerin der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Goldstein Consulting GmbH (www.goldsteinconsulting.de), die 2019 zum zweiten Mal in Folge von dem „manager magazin“ zu einer der besten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften Deutschlands ausgezeichnet wurde. Sie berät in erster Linie Startups. Weiterhin setzt sie sich mit der steuerrechtlichen Qualifizierung von Kryptowährungen und elektronischen Schuldverschreibungen auseinander.
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