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Lieferkettengesetz trifft KMU unvorbereitet

von Holger Clemens Hinz

Seit dem 1. Januar gilt in Deutschland das sogenannte Lieferkettengesetz. Als Zulieferer größerer Firmen sind davon auch viele Mittelständler betroffen. Das stellt vor allem kleinere Unternehmen vor ungeahnte Herausforderungen.

 
 

Zum Jahreswechsel ist in Deutschland das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, kurz LkSG oder einfach Lieferkettengesetz, in Kraft getreten. Es verpflichtet Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten dazu, die Einhaltung von Menschenrechten und Arbeitsstandards bei ihren direkten Zulieferern zu überprüfen. Bei nicht geahndeten Verstößen drohen Bußgelder in Millionenhöhe – vom Reputationsschaden in der Öffentlichkeit ganz zu schweigen.

Trotz der jahrelangen Diskussion um das Gesetz, scheint ein Großteil der Betroffenen nicht auf die Umsetzung vorbereitet zu sein. Gerade Mittelständler zeigen sich regelrecht überfordert. Die meisten Unternehmenslenker haben nicht damit gerechnet, schon jetzt über ihre Lieferbeziehungen Rechenschaft ablegen zu müssen. Zwar soll eigentlich erst 2024 die Berichtspflicht auf Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern ausgeweitet werden. Als Zulieferer sind kleinere Unternehmen aber schon heute betroffen. Denn ihre größeren deutschen Kunden verlangen schon jetzt entsprechende Nachweise, um ihrerseits der Sorgfaltspflicht nachzukommen.

Lieferkettengesetz betrifft indirekt auch KMU

Diese Anforderungen haben viele Unternehmen kalt erwischt. Nur wenige verfügen über die entsprechenden Daten und Strukturen. Laut einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov haben bislang nur rund 21 Prozent der befragten Mittelständler ihre gesamte Lieferkette im Blick. 54 Prozent haben noch keinen Menschenrechtsbeauftragten. Auch bei der Transparenz hapert es. Nur bei 24 Prozent der Teilnehmer sind die Lieferketten auf den Webseiten transparent nachvollziehbar.

Dass es solche Lücken noch gibt, ist durchaus nachvollziehbar. Denn selbst kleine und mittlere Unternehmen arbeiten nicht selten mit Hunderten oder gar Tausenden von Lieferanten zusammen. Und nur die wenigsten verfügen über die technischen und personellen Ressourcen, um die aufwändigen Recherchen selbst durchzuführen. So liegt die Kostenquote für die freiwillige Durchführung eines nachhaltigen Lieferkettenmanagements in Deutschland zwischen 0,005 und 0,6 Prozent des Unternehmensumsatzes. Dabei sinkt die relative Kostenbelastung sowohl mit zunehmender Erfahrung als auch mit steigendem Umsatz. Kleinere Unternehmen, die noch nie über Aspekte ihrer Lieferkette berichten mussten, sind also doppelt benachteiligt.

EU-Richtlinie weitet Berichtspflichten aus

Nichtsdestotrotz muss die Arbeit gemacht werden, sonst könnte sich die Lücke noch weiter vergrößern. Denn mittelfristig ist zu erwarten, dass sich nicht nur der Staat und Großkunden für die Lieferbeziehungen von KMU interessieren. Auch Versicherer und Investoren fragen zunehmend nach den Risiken, die ggf. in den Lieferketten von Unternehmen schlummern. So wird das Lieferkettenmanagement als Teil des Nachhaltigkeitsengagements ein zunehmend wichtiger Aspekt der Mittelstandsfinanzierung. Und auch NGOs sowie Endverbraucher stellen mitunter unangenehme Fragen zu den Herstellungsbedingungen selbst auf den ersten Blick unproblematischer Produkte. Nur wer seine Lieferkette genau kennt, kann damit sicher umgehen.

Zumal bereits im Mai eine neue Lieferketten-Richtlinie auf EU-Ebene verabschiedet werden soll, die noch deutlich strengere Regeln vorsieht. Neben den direkten Zulieferern und dem eigenen Geschäftsbereich müssen Unternehmen künftig die gesamte Wertschöpfungskette weltweit auf menschenrechtliche und umweltbezogene Aspekte hin überprüfen. Und diese Richtlinie gilt dann schon für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern. Es ist also auch für kleine und mittlere Unternehmen ratsam, sich schon jetzt auf die kommenden Herausforderungen einzustellen.

 

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