KMU-Vorstände sehen Betriebsräte oft als „Klotz am Bein“, der Entscheidungen nur unnötig verlangsamt. Während nahezu alle großen Konzerne über einen Betriebsrat verfügen, tut sich der Mittelstand daher nach wie vor schwer, Mitarbeiter auch mitbestimmen zu lassen. Dabei sprechen mittlerweile viele Gründe für die Interessenvertretung der Arbeitnehmer.
Unternehmenslenker sehen Betriebsräte meist als verzichtbaren, wenn nicht sogar geschäftsschädigen Versuch der Arbeitnehmer, das Tagesgeschäft mitzubestimmen und bei wichtigen Entscheidungen reinzureden. Dieses Vorurteil ist auch ein Grund, warum Betriebsräte in mittelständischen Unternehmen im Gegensatz zu Großkonzernen immer noch stark unterrepräsentiert sind. Denn während fast alle großen Unternehmen über einen Betriebsrat verfügen, über den Mitarbeiter ihre Interessen artikulieren können, gibt es gerade mal in knapp einem Drittel aller mittelständischen Unternehmen in Deutschland einen solchen Ort der Mitbestimmung. Die Gründe für diesen Mangel sind vielseitig. Fest steht jedoch, dass Betriebsräte – entgegen der Vorstellungen in der Chef-Etage – dem Unternehmen entschiedene Vorteile bringen können.
Betriebsrat kann die Produktivität im Mittelstand stark erhöhen
Die Wahl eines Betriebsrates ist ab fünf wahlberechtigten Beschäftigten möglich, die Anzahl der Ratsmitglieder hängt dabei von der Größe des Betriebs ab. Allgemein gelten Betriebsräte als Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Eine der wichtigsten Aufgaben dieses Gremiums besteht darin, die Einhaltung von Normen und Vorschriften im Betrieb zu prüfen. Darüber hinaus setzt sich das Arbeitnehmerorgan für Maßnahmen sowie für Gleichberechtigung im Betrieb ein. Die Aufgaben sind vielseitig und betreffen nahezu alle Bereiche eines Unternehmens. Dazu zählen etwa personelle, soziale und wirtschaftliche Angelegenheiten. Die Kosten des Betriebsrates übernimmt dabei das jeweilige Unternehmen.
All das mag für den Arbeitgeber erst einmal belastend klingen, im Gegenzug kann der Betriebsrat die Kosten aber locker aufwiegen. Denn: Betriebsräte tragen laut einer Studie im Schnitt zu deutlich mehr Produktivität und steigenden Renditen bei. Zudem zeichnen sich mitbestimmte Betriebe durch mehr ökologische Investitionen, Innovationen, Weiterbildungen und duale Ausbildungen aus. Forscher des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung fanden heraus, dass lediglich in den allerersten Jahren nach Gründung eines Betriebsrats die Produktivität leicht zurückgeht, danach jedoch stetig steigt. Unternehmen, die auf diese Art der Mitbestimmung setzten, konnten 15 Jahre nach Gründung eines Rats im Schnitt stattliche 25 Prozent Produktivitätswachstum vorweisen.
Besseres Betriebsklima sorgt für niedrigen Krankenstand und weniger Fluktuation
Die steigende Produktivität kommt im Fall mitbestimmter Unternehmen durch mehrere Faktoren zustande. Wichtigste Ursachen dürften die geringe Personalfluktuation, die steigende Attraktivität für Fachkräfte und der sinkende Krankenstand sein. Zentral ist dabei, dass der Betriebsrat als Sprachrohr der Mitarbeiter dient. Gibt es Probleme im Betrieb, können Arbeitnehmer ihren Unmut mitteilen, bevor die Lage an Brisanz gewinnt. So könnten etwa zahlreiche Kündigungen vermieden werden, weil Mitarbeiter sich im Betrieb nicht wahrgenommen und unwohl fühlen. Kurzum: Konflikte werden bereits im Anfangsstadium beseitigt.
Werden Mitarbeiter stärker in Arbeitgeberentscheidungen einbezogen, akzeptiert die Belegschaft auch schwierige Entscheidungen leichter – schließlich wurde die Entscheidungsfindung von den Arbeitnehmern mitgetragen und wird nicht von „oben nach unten“ durchgedrückt. Das kann zu einem stark verbesserten Betriebsklima beitragen, was laut einer Umfrage des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) zu weniger Krankenstand führt. Demnach ist jeder vierte Mitarbeiter, der seine Unternehmenskultur als schlecht bewertet, auch mit der eigenen Gesundheit unzufrieden. Bei den Befragten, die ihr Unternehmen positiv sehen, war es nur jeder Zehnte. Betriebsräte, die mit einem respektvollen Umgang und gegenseitiger Wertschätzung für ein gutes Betriebsklima sorgen, schaffen als positiven Nebeneffekt auch ein gesundheitliches Wohlbefinden bei der Belegschaft. Gleichzeitig wird durch ein verbessertes Betriebsklima die Arbeitgeberattraktivität erhöht, was die Mitarbeiterbindung stärkt und die Fluktuationsrate senken kann. Und: Glückliche Mitarbeiter neigen dazu, ihr Unternehmen besser zu bewerten, was wiederum qualifizierte Fachkräfte anzieht.
Betriebsrat im Mittelstand: Kein Muss, aber häufig sinnvoll
Das alles bedeutet nun nicht, dass jedes KMU einen Betriebsrat gründen muss. Es gibt auch gute Gründe, warum ein mittelständisches Unternehmen keinen Betriebsrat benötigt. So mögen sich Beschäftigte ohnehin schon gut von der Geschäftsleitung miteingebunden fühlen oder sie vertreten ihre Interessen bereits erfolgreich ohne Betriebsrat. Darüber hinaus zeigt sich jedoch, dass die Mär von der arbeitgeberfeindlichen Mitbestimmung meist gar nicht zutrifft, sondern ganz im Gegenteil starke wirtschaftliche und soziale Vorteile für das Unternehmen mit sich bringen kann.
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