Die neue Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die soziale Marktwirtschaft zu einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft weiterzuentwickeln. Unabhängig von dieser geplanten Transformation stehen die Unternehmen aber auch weiterhin vor der Herausforderung, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern und sich an den beschleunigten Strukturwandel anzupassen. Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Friederike Welter, Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn.
Von Prof. Dr. Friederike Welter
Rahmenbedingungen der Marktwirtschaft
Um all‘ diese Aufgaben bewältigen zu können, sollte die Bundesregierung neben den sektoralen und betriebsbezogenen Unterstützungsleistungen, die während einer Pandemie sinnvoll und notwendig sind, ordnungspolitische Grundsätze wieder in den Vordergrund rücken. Dabei sollte die zukunftsorientierte Rahmensetzung so gestaltet sein, dass die mittelständischen Unternehmen die Anforderungen des Struktur- und Klimawandels sowie der digitalen Transformation als Chance für das eigene Unternehmen begreifen – und nutzen. Oder wie Ludwig Erhard es als ein wesentliches Element der sozialen Marktwirtschaft formulierte: „Ebenso wie der Schiedsrichter bei einem Fußballspiel nicht mitspielen darf, hat auch der Staat nicht mitzuspielen. (…) Was ich mit einer marktwirtschaftlichen Politik anstrebe, das ist – um im genannten Beispiel zu bleiben – die Ordnung des Spiels und die für dieses Spiel geltenden Regeln aufzustellen.“
Mittelstand muss bei Gesetzgebung berücksichtigt werden
Eine verbindliche Rahmensetzung, innerhalb derer die mittelständischen Unternehmen eigenständig ihre Wettbewerbsfähigkeit wahren und stärken können, wird auch regelmäßig in den IfM-Befragungen für das Zukunftspanel Mittelstand eingefordert. Betrachtet man die Herausforderungen, vor denen die mittelständischen Unternehmen im Hinblick auf nachhaltiges Wirtschaften stehen, so zeigt zudem eine aktuelle Studie des IfM Bonn, dass die Unternehmen über alle Größenklassen hinweg längst für die Risiken sensibilisiert sind, die durch den Klimawandel erwachsen. Auch berücksichtigen sie bereits Aspekte des Klimaschutzes bei ihren unternehmerischen Entscheidungen. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass zum Befragungszeitpunkt mehr als die Hälfte der 900 Unternehmen angaben, bereits umweltrelevante Innovationen durchgeführt zu haben.
Für die mittelständischen Unternehmen ist es daher auch wichtig, dass die Bundesregierung Mittelstandspolitik als Querschnittspolitik versteht. Konkret bedeutet dies: Schon im Vorfeld der Gesetzgebung sollte darauf geachtet werden, dass die Belange des Mittelstands in allen beteiligten Ressorts berücksichtigt werden. Diese Querschnittsfunktion lässt sich anhand der avisierten Klimaschutzpolitik gut illustrieren: So ist es prinzipiell positiv, dass das Thema Klimaschutz im Bundesministerium für Wirtschaft angesiedelt ist. Damit steigen die Chancen, dass umweltpolitische Regelungen beispielsweise keine verfahrensbedingten Kostendegressionen als Vorteil für Großunternehmen beinhalten und dass bereits bei den Vorgaben für die größeren Unternehmen die Folgen für die kleineren und mittleren Unternehmen mitgedacht werden.
Bürokratie für den Mittelstand abbauen
Auf EU-Ebene war dies in jüngster Vergangenheit beispielsweise bei der Einführung neuer Berichtspflichten zur Nachhaltigkeit nicht der Fall. Diese wurden mit Blick auf Großunternehmen entworfen, ohne zu berücksichtigen, dass auch deren kleine und mittlere Zulieferunternehmen indirekt betroffen sein werden. Ohne zeitnahe Anpassung der Berichtspflichten an die Möglichkeiten kleinerer Unternehmen bedeutet dies für die Zulieferer einen hohen bürokratischen Aufwand.
Zugleich werden aber auch wirtschaftsferne Politikfelder wie die Arbeits- oder Bildungspolitik großen Einfluss auf die zukünftige Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der mittelständischen Unternehmen nehmen. Dazu gehört beispielsweise die gemeinsame Aufgabe, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Unter diesem leiden kleinere und mittlere Unternehmen deutlich mehr als Großunternehmen. Mittelstandspolitik als Querschnittspolitik bedeutet folglich auch, dass sich die Ministerien im Hinblick auf die gemeinsame mittelstandspolitische Zielsetzung besser und gezielter untereinander abstimmen.
Prof. Dr. Friederike Welter ist Präsidentin des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM) Bonn und Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insb. Management kleiner und mittlerer Unternehmen und Entrepreneurship, an der Universität Siegen.
Für ihre Forschung zu kleinen und mittleren Unternehmen ist die Ökonomin in 2020 in den renommierten Kreis der 21st Century Entrepreneurship Research Fellows aufgenommen worden. In 2017 erhielt sie den Greif Research Impact Award des Lloyd Greif Center for Entrepreneurial Studies, University of Southern Califoria. In 2014 wurde sie mit der Aufnahme in den renommierten Kreis der Wilford L. White Fellows ausgezeichnet und 2011 in den Kreis der ECSB Fellows aufgenommen.
Prof. Dr. Friederike Welter ist u. a. Mitglied im Mittelstandsbeirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und Vorsitzende des „EXIST“-Sachverständigenbeirats sowie Vorsitzende des Gutachterkreises „Validierung des technologischen und gesellschaftlichen Innovationspotenzials wissenschaftlicher Forschung ‑ VIP+“ | Autorin