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Wie der Mittelstand der neue Innovationsmotor werden kann

von Holger Clemens Hinz

Wer die Zeichen der Zeit richtig deutet, kann schnell zum nächsten Trendsetter werden. Doch gerade der Mittelstand tut sich nach wie vor schwer, Innovationen hervorzubringen. Vor allem eine ungünstige Unternehmenskultur und der Mangel an finanziellen Möglichkeiten hindern viele Mittelständler daran, ihr volles Potenzial zu nutzen.

Der Handy-Riese Nokia ging pleite, weil das iPhone unterschätzt wurde. Und der ehemalige Technologieführer Kodak ist mittlerweile nur noch eine Randnotiz, weil die Digitalisierung und der Siegeszug der Smartphones ebenfalls unterschätzt wurden. Diese Beispiele zeigen, was passieren kann, wenn man Trends verschläft, die Zeichen der Zeit nicht richtig deutet und Risiken scheut. Viele Unternehmen, die auf einen Trend aufspringen wollen, schaffen dies gar nicht oder zu spät – und kommen erst am Ziel an, wenn der Hype schon längst abgeflaut ist und sich die nächste Bewegung anbahnt. Das liegt zum einen an der Unternehmenskultur: Entscheidungen werden häufig risikoavers getroffen, Fehler sollen um jeden Preis vermieden werden. Zum anderen wird das Potenzial von Innovationen, die noch in ihrer Entwicklung begriffen sind, häufig verkannt.

Investitionen in Innovationen machen sich bezahlt

Dass sich Trends für Unternehmen auszahlen, zeigt eine Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW), bei der die Innovationsstärke von 855 Unternehmen im Jahr 2017 analysiert wurde. „Betriebe, die dem hochinnovativen Milieu zugerechnet werden können, erzielen meist deutlich höhere Umsatzrenditen als der Durchschnitt der Unternehmen“, heißt es in der Studie. Innovative Unternehmen werden demnach in verschiedene Kategorien klassifiziert:

  • Die höchsten Umsatzrenditen konnten so genannte disruptive Innovatoren erzielen. Sie steigerten ihre jährliche Nettoumsatzrendite demnach um 33 Prozent. Disruptive Innovatoren zeichnen sich durch Mut und Offenheit für Neues aus. Zudem binden sie ihre Mitarbeiter in den Innovationsprozess stark mit ein. Laut IW zählen 20 Prozent der Betriebe zu dieser Kategorie.
  • Spitzenreiter der Innovationsbetriebe sind die Technologieführer, die sich durch eine starke Forschungs- und Technologieorientierung auszeichnen. Laut dem IW zählen nur 6 Prozent der Industriefirmen zu dieser Klasse. Anders als disruptive Innovatoren kommen sie aber „nur“ auf eine Steigerung der Nettoumsatzrendite von 12 Prozent.
  • 4 Prozent mehr Nettoumsatzrendite machen die so genannten Kooperativen Innovatoren. Sie setzen auf Teamarbeit und eine gute interne Vernetzung, so dass die gesamte Belegschaft in den Innovationsprozess einbezogen wird. Laut IW können 25 Prozent der Branche dieser Unternehmensart zugerechnet werden.

Weniger Innovationen belasten Umsätze

Den Innovatoren stehen Firmen gegenüber, die sich mit der Adaption neuer Techniken und der Gestaltung innovativer Prozesse schwertun. Passive Umsetzer etwa entwickeln Innovationen nicht aus eigenem Antrieb und machen im Vergleich zwei Prozent weniger Umsatz. Zufällige Innovatoren, die zwar offen für neue Technologien sind, aber Entwicklungen nicht langfristig und strategisch in ihr unternehmerisches Handeln einplanen, machen im Schnitt 16 Prozent weniger Umsatz. Konservative Innovatoren investieren zwar in Forschung und Entwicklung, beziehen ihre Mitarbeiter jedoch zu wenig in diese Prozesse mit ein – im Durchschnitt machen sie 16 Prozent weniger Nettoumsatzrendite als der Rest. Das Schlusslicht der Innovationsskala bilden Unternehmen ohne jeglichen Innovationsfokus. Diese Unternehmen machen im Vergleich ein Umsatz-Minus von 36 Prozent.

Mittelstand mangelt es an starken Innovationen

Die Gründe dafür, dass Unternehmen nur geringfügig in Innovationsprozesse investieren, sind vielseitig. Auffällig ist jedoch, dass insbesondere KMU innovationsscheu sind. Die KfW-Bank kommt in mehreren Studien zu dem Schluss, dass KMU Innovationen seltener hervorbringen als große Unternehmen. Das liegt einerseits daran, dass kleine und mittlere Unternehmen weniger Ressourcen zur Verfügung haben als die großen Konzerne, zum anderen, weil die Innovationsforschung in der Regel aus firmeninternen Mitteln bezahlt wird – statt durch Kredite.

Neben dem Ressourcenmangel sind bestimmte Formen der Betriebskultur für die schwache Innovationsfähigkeit im Mittelstand verantwortlich. Denn: Viele Unternehmenslenker haben nach wie vor Angst, Risiken einzugehen und Fehler zuzulassen. Diese Angst hemmt letztlich die Bereitschaft, in Innovationen zu investieren – wer Trendsetter sein will, braucht eine entsprechende Unternehmermentalität. Klar, eine Null-Fehlertoleranz für essentielle Systeme ist unbestreitbar wichtig. Von solchen Fällen einmal abgesehen kann eine Fehlertoleranz jedoch die Reduzierung von Fehlern beschleunigen. Was sich erst einmal paradox liest, lässt sich leicht nachvollziehen: In Unternehmensprozessen sind ab einem bestimmten Zeitpunkt immer komplexere Kontrollmechanismen und Regeln notwendig, um auch wirklich alle Fehler zu vermeiden. Dieses Vorgehen verlangsamt und erschwert Unternehmensprozesse jedoch und macht sie für Mitarbeiter intransparenter. Folge: Entgegen der eigentlichen Zielsetzung entstehen mehr Fehler. Wer Innovationen fördern will, braucht also nicht nur entsprechende Ressourcen, sondern auch eine entsprechende Unternehmenskultur. Wichtig ist, dass die Mitarbeiter stärker in ihre Strukturen eingebunden und Scheitern sowie Fehler als Teil des Innovationsprozesses betrachtet werden.

Signale deuten und der nächste Trendsetter werden

Wer sein Unternehmen innovationsfreundlicher organisiert, ist natürlich nicht automatisch in der Lage, jeden Trend zu erkennen. Trends werden erst dadurch zum wirklichen Hype, weil sie in der Lage sind, ganze Branchen umzukrempeln. Der Trend wird dadurch zur Welle, weil er von vielen Marktteilnehmern adaptiert wird. Doch Innovationen tauchen nur selten mit einem Knall – wie etwa bei der Vorstellung des ersten iPhones – auf. Ihre Vorzeichen sind meist nur sehr schwach und vereinzelt wahrzunehmen.

Mega-Trends entstehen nicht über Nacht

Deshalb lohnt es sich, nach so genannten weak signals Ausschau zu halten. Das Science Hub der EU-Kommission hat in seinem Report von 2019 etwa 256 solcher schwachen Signale ausfindig gemacht, die in absehbarer Zukunft zu riesigen Trends anwachsen könnten. Im Mittelpunkt stehen dabei Überbegriffe wie etwa neuronale Netzwerke, das Internet of Things, der 3D-Druck und die Solartechnik – aus diesen Kategorien leiten sich dann weitere kleinere Trends ab, teilweise mit Querverbindungen zwischen den jeweiligen Kategorien, da Trends vermehrt multikausal entstehen.

Neuerungen, die das EU-Science Hub ausfindig gemacht hat, sind wiederum auf größer angelegte gesellschaftliche Veränderungen zurückzuführen. Egal ob Bio-Märkte, Plastikalternativen, E-Mobilität und regenerative Energie durch Solarpanels – all diese Neuerungen sind auf den Mega-Trend der Neo-Ökologie zurückzuführen. Solche Mega-Trends, zu denen die Digitalisierung, die Globalisierung als auch die Urbanisierung und Individualisierung der Bevölkerung zählen, sind über Jahrzehnte – teils über Jahrhunderte – gewachsen und geben letztlich den Ton der gegenwärtigen sowie zukünftigen Entwicklungen an.

Wer also mit offenen Augen durch die Welt geht, kleine Veränderungen beobachtet und sich traut, die Gelegenheit beim Schopfe zu packen, könnte bald schon der nächste Trendsetter sein.

 

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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