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Mittelstand: Kurzfristig Liquidität sichern, langfristig an die Börse

von Carsten Peter
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Die finanzielle Lage der deutschen Unternehmen spitzt sich zu. Vor allem im Mittelstand nagen hohe Inflation und steigende Zinsen an der Liquidität. Wie KMU trotz angespannter Lage ihre Zahlungsfähigkeit sichern und ihre Unternehmensfinanzierung breiter aufstellen. 

Von Carsten Peter

Immer mehr Unternehmen bekommen Probleme mit dem Cashflow. Laut der Zahlungsmoralbarometer-Studie des Kreditversicherers Atradius sind auf Sicht von zwölf Monaten mehr als die Hälfte der offenen Rechnungen in Westeuropa nicht bis zum Fälligkeitstermin beglichen worden. Schlimmer noch: Acht Prozent der Forderungen haben sich im gleichen Zeitraum sogar als uneinbringlich erwiesen und die Unternehmen mussten sie als Verlust abschreiben. Gegenüber dem Vorjahr haben die Zahlungsausfälle um 60 Prozent zugenommen. Und mehr als ein Drittel der befragten Unternehmen erwartet, dass sich die Zahlungsmoral ihrer Kunden noch weiter verschlechtert.

Für die den deutschen Mittelstand ist das zusammen mit der sich ankündigenden Rezession düstere Aussichten. Sobald ältere Finanzierungen auslaufen, wird die Refinanzierung für die Unternehmen deutlich teurer. Hinzu kommt, dass die hohe Inflation – insbesondere die hohen Energiekosten – Lieferanten und ihre Kunden gleichermaßen belastet. Die Zahlungsfähigkeit vieler Unternehmen, vor allem kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU), ist akut bedroht.

Die eigene Liquidität zu sichern, hat daher Priorität. Gleichzeitig sollte aber für die mittel- bis langfristige Zukunft des Unternehmens nach neuen Finanzierungsalternativen gesucht werden. Wie lassen sich also Liquidität und die Refinanzierung abseits von neuen Darlehen der Hausbank sicherstellen?

Schnelle Hilfe gegen den Liquiditätsengpass

Es gibt verschiedene Möglichkeiten der Mittelstandsfinanzierung, die KMU bei drohendem Liquiditätsengpass nun prüfen sollten. Hier die wichtigsten:

Warenkredite

Derzeit nutzen viele Mittelständler Warenkredite ihrer Lieferanten, das heißt, sie lassen die Bezahlung gekaufter Waren oder Dienstleistungen stunden. Das ist schnell und einfach umsetzbar, hat aber auf Dauer keine Zukunft: Wenn immer mehr Unternehmen die Begleichung ihrer Rechnung aufschieben, rutschen auch die Lieferanten selbst in eine Liquiditätsfalle und werden Warenkredite zunehmend ablehnen. Lieferantenkredite werden also auf mittlere Sicht immer schwerer zu bekommen sein. Dann ist es für den Cashflow besser, Rechnungen möglichst schnell zu begleichen, um wenigstens die Skonto zu nutzen.

Kreditlinie

Trotz der Zurückhaltung bei der Kreditvergabe sollten KMU das Gespräch mit ihrer Bank suchen. In der Regel haben sie dort eine Kreditlinie vereinbart und sollten versuchen, diese möglichst erweitern zu lassen, um kurzfristig Spielraum zu gewinnen.

Factoring

Ein weiterer Weg, kurzfristig den Cashflow zu erhöhen, besteht in der Abtretung beziehungsweise dem Verkauf offener Forderungen an eine Factoring-Gesellschaft. Diese Spezialisten kaufen die Rechnungen und zahlen nach Abzug ihrer Gebühren den Rechnungsbetrag sofort aus. Das erspart den Unternehmen das mühselige Eintreiben offener Rechnungen.

Leasing

Leasing-Verträge können ebenfalls einen Hebel bieten, um die Liquidität zu sichern. Zum einen kann ein Mittelständler mit seinen Leasing-Vertragspartnern über eine Stundung laufender Leasingraten verhandeln. Werden diese zumindest ein paar Monate lang ausgesetzt, hilft das schon, gleiches gilt für laufende Mietverträge. Sowohl Leasing-Partner als auch Vermieter sind in der Regel daran interessiert, dass ihre Kunden nicht zahlungsunfähig werden.

Verkaufen in Kombination mit Leasing / Sale-and-lease-back

Benötigt ein Unternehmen in schwierigen Zeiten neue Maschinen oder Produktionsanlagen, kann Leasing anstelle eines direkten Kaufs helfen, die Kasse zu schonen. Auch der Verkauf bereits vorhandener Maschinen und das Zurückleasen dieser ist durchaus üblich. Dafür müssen die Maschinen aber vollständig im Eigentum der Firma sein und kein Dritter darf Ansprüche an ihnen haben. Dann jedoch ist „Sale-and-lease-back“ durchaus lohnend, weil es umgehend den Cashflow erhöht.

Kurzfristig Liquidität sichern, langfristig planen

Über die kurzfristige Liquiditätssicherung hinaus sollten Unternehmen jedoch gerade jetzt auch die langfristige Sicherstellung ihrer Finanzierung nicht aus den Augen verlieren. Neben klassischen Firmenkrediten, die aus den oben genannten Gründen derzeit schwerer zu bekommen sind, bietet vor allem der Kapitalmarkt langfristige Finanzierungsmöglichkeiten – also ein klassisches Initial Public Offering von Aktien (IPO) beziehungsweise die Emission von Anleihen (Initial Bond Offering, IBO). Gerade mittelständische Unternehmen setzen traditionell oft noch viel zu einseitig auf Firmenkredite und Rücklagen als einzige Form der finanziellen Absicherung. Doch auch die Rücklagen schmelzen angesichts der Inflation schnell dahin. Für KMU ist es deshalb ratsam, ihre Chancen auf ein IPO oder IBO mithilfe eines spezialisierten Bankberaters einmal zu prüfen – gerade jetzt.

IPO

Denn derzeit ist der Zeitpunkt für einen Börsengang am Aktienmarkt oder die Begebung einer Anleihe am Rentenmarkt günstig. Beispielsweise beging der britische Chipentwickler und -hersteller ARM erst am 14.  September das Initial Public Offering (IPO) seiner Aktien – und zwar höchst erfolgreich. Mit einer Börsenbewertung von 54,5 Milliarden Dollar zum Ausgabepreis startete der Zulieferer für Apple- und Samsung-Smartphones bereits als weltweit größte Neuemission des Jahres. Bei der Erstnotierung an der Nasdaq betrug das Kursplus der Aktie bereits zehn Prozent, am Ende des ersten Handelstages bei knapp 25 Prozent.

Neben ARM planen auch der Sandalenhersteller Birkenstock, der Panzergetriebehersteller Renk, der Tankkarten-Anbieter DKV sowie Glasverpackungshersteller Schott Pharma ihren Börsengang. Dem Ukraine-Krieg und der hohen Inflation zum Trotz hat sich die Stimmung im Neuemissionsgeschäft zuletzt deutlich aufgehellt.

Durch die Ausgabe neuer Aktien aus einer Kapitalerhöhung können die Börsenneulinge hohe Finanzierungsvolumina von Investoren einsammeln und so ihre langfristige Finanzierung unabhängig von Banken aufstellen. Ist die Börsenzulassung erfolgt und der Börsengang einmal vollzogen, ist der Aufwand der Unternehmen für weitere Aktien- oder Anleiheplatzierungen weit geringer und bietet den dauerhaften Zugang zu Investoren am Kapitalmarkt. Allerdings bedarf es für die Vorbereitung des Börsengangs einige Monate Vorlauf. Gerade deshalb, sollten KMU so früh wie möglich ihre Möglichkeiten prüfen und nötige Schritte rechtzeitig einleiten.

IBO

Ähnliches gilt für die Ausgabe von Unternehmensanleihen, auch wenn die Vorbereitung nicht ganz so aufwändig ist wie beim IPO. Die erstmalige Ausgabe einer Anleihe, Initial Bond Offering (IBO), ist in Größe, Laufzeit und Zinshöhe flexibel, sodass Unternehmen ihre Finanzierungsseite ganz an ihren Bedarf und die Marktgegebenheiten anpassen können. Genau wie das IPO ist auch dieses Vorhaben recht komplex und erfordert die Begleitung durch eine erfahrene Emissionsbank wie beispielsweise die Quirin Privatbank AG.

Wenn der Sprung an den Kapitalmarkt jedoch gelingt, macht sich das Unternehmen dauerhaft unabhängiger von den Banken und kann auch große Investitionsvorhaben stemmen. Langfristig ist eine Refinanzierung über die Börse günstig, lockt Investoren an, ermöglicht Wachstum und Zukäufe und macht ein Unternehmen so wettbewerbsfähiger. Auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann ein Unternehmen so seinen Cashflow länger aufrechterhalten und muss im besten Fall seltener auf kurzfristige Maßnahmen zurückgreifen, um seine Liquidität zu sichern. Denn auch wenn Factoring, Leasing oder Sale-and-Lease back kurzfristig gute Möglichkeiten sind, den eigenen Cashflow wieder in Schwung zu bringen, so erspart es Entscheidern doch viel Kopfzerbrechen, wenn die eigene Finanzierung von Anfang an breit und langfristig aufgestellt ist.

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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