Der deutsche Mittelstand hat mit zahlreichen Herausforderungen zu kämpfen. Der Azubi-Mangel gehört zweifelsfrei dazu. Schließlich blieben 2019 in der deutschen Wirtschaft 53.000 Lehrstellen unbesetzt. Grund zur Panik besteht nun aber nicht.
Dass KMU Probleme haben, ausreichend viele und gut qualifizierte Auszubildende an ihr Unternehmen zu binden, kommt nicht von ungefähr: Zum einen ist der Weg der dualen Ausbildung offenbar für junge Menschen nicht sonderlich attraktiv – auch finanziell. Zum anderen sorgt der demografische Wandel dafür, dass es weniger junge Bewerber gibt. Um zumindest das erste Problem in den Griff zu bekommen, hat die Bundesregierung mit der Änderung des Berufsbildungsgesetzes zum 01. Januar 2020 diverse Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Mehr Geld für Auszubildende
Dazu gehört auch, dass seit Jahresbeginn der neu eingeführte Azubi-Mindestlohn gilt. Der beträgt monatlich 515 Euro. Bis 2023 soll er schrittweise auf 620 Euro angehoben werden. Das gilt aber nur für jene, die tariflich nicht gebunden sind. Lehrlinge, die vor dem 01. Januar 2020 mit der Ausbildung beginnen haben, sind ebenfalls ausgenommen.
Das Berufsbildungsgesetz sieht zudem zwei Zusatzbezeichnungen für die Abschlüsse Meister und Betriebswirte vor. Ab sofort wird der Titel Handwerksmeister um den “Bachelor Professional” ergänzt. Betriebswirte erhalten den Zusatz “Master Professional”. Die beiden zusätzlichen Titel sollen die Gleichwertigkeit der dualen Ausbildung zu Hochschulabschlüssen deutlich machen.
KMU sollten nicht nur auf die Politik vertrauen
Die getroffenen Maßnahmen sind durchaus zu begrüßen und überfällig. Schließlich haben Politik und Wirtschaft in den vergangenen Jahren dafür gesorgt, dass der Ruf der dualen Ausbildung schlechter wurde. Studieren galt als wesentlich angesehener. Nun wird spürbar, dass diese Strategie dem deutschen Mittelstand die Wachstumskraft raubt und zum Azubi-Mangel führt. Also poliert man das Image der dualen Ausbildung wieder auf. Der Azubi-Mindestlohn und die zusätzlichen Titel sollen dabei helfen.
Kleine und mittelständische Unternehmen sollten sich aber auf die Wirkung dieser Maßnahmen allein nicht verlassen. Es gilt, selbst aktiv zu werden, wenn sie fortbestehen und wettbewerbsfähig bleiben wollen. Denn das dicke Ende kommt vermutlich noch, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer in Rente gehen und damit hochqualifizierte Kräfte mit jahrelanger Erfahrung wegbrechen.
So reduziert der Mittelstand den Azubi-Mangel
Darum müssen KMU bei der Suche nach potenziellen Auszubildenden andere Wege gehen. Der führt in erster Linie in die Schulen. Egal welche Schulform – Nachwuchskräfte sitzen in Gymnasien, Real- und Gesamtschulen und Hauptschulen. Klassische Vorträge, große Ausbildungsmessen, Praktikumsplätze für Schüler und Studenten oder der Girls’ und Boys’ Day – solche Aktionen sorgen für erste Kontakte und wecken Interesse an der dualen Ausbildung.
Zudem sollten KMU proaktiv auf potenzielle Azubis zugehen. Dies ist aber nicht immer der Fall. Interessieren sich junge Menschen für ein Unternehmen und absolvieren dort ein Praktikum, wird im Anschluss des Praktikums zu wenig von KMU unternommen, um diese Interessenten an das Unternehmen zu binden. So sind etwa laut dem „Future Talents Report“ der Unternehmensberatung Clevis Consult neun von zehn Praktikanten im Anschluss an einer Stelle in der Firma interessiert, aber rund 61 Prozent der kleinen und mittleren Unternehmen halten nach dem Praktikum keinen Kontakt zu den Interessenten. Vor dem Hintergrund des – weiter zunehmenden – Fachkräftemangels ist dieses Verhalten nur schwer nachvollziehbar.
Ein hohes Gehalt alleine macht nicht glücklich
Schon jetzt klagen viele KMU über fehlende Fachkräfte; ein Trend, der sich künftig noch verstärken dürfte. Doch die Gefahr scheint noch nicht in alle Köpfe vorgedrungen zu sein. Es reicht nicht mehr aus, darauf zu hoffen, dass mit der nächsten Stellenausschreibung hunderte Bewerbungen eintreffen. Die Konkurrenz bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern ist enorm – und mit einem attraktiven Azubi-Gehalt alleine wird dieses Problem wohl nicht zu lösen sein. Dies zeigt auch eine Umfrage der Recruiting-Beratung U-Form. Demnach ist für Auszubildende nicht das hohe Ausbildungsgehalt relevant, sondern vielmehr eine gute Arbeitsatmosphäre. Auch Jobsicherheit, sinnvolle Tätigkeiten, Aufstiegsmöglichkeiten und eine gute Work-Life-Balance sind für sie von Bedeutung.
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