Home Finanzierung Neues Wertpapierprospektgesetz: Dem börsennotierten Mittelstand in den Rücken gefallen

Neues Wertpapierprospektgesetz: Dem börsennotierten Mittelstand in den Rücken gefallen

von Holger Clemens Hinz

Änderung ist nicht zwangsläufig Verbesserung. Das zeigt die jüngste Kehrtwende des deutschen Gesetzgebers im Fall bislang prospektfreier Emissionen von Wertpapieren deutlich. Noch haben kapitalmarktorientierte KMU aber die Möglichkeit, mit überschaubarem Aufwand gegen diese fragwürdige Maßnahme vorzugehen. 

Bedingt durch den hohen Grad der bankenseitigen Finanzierung ist der Kapitalmarkt in Deutschland zugegeben für die Politik immer noch ein kleines Licht. An dieser Stelle prallen immer wieder Anlegerschutz und Initiativen zur „Erleichterung des Zugangs“ von KMU an den Kapitalmarkt aufeinander. Wenn wir uns die jüngste Vergangenheit betrachten, lässt sich hier klar ein Übergewicht des Anlegerschutzes erkennen: Durch die hinzugetretene Marktmissbrauchsverordnung und die MIFID II wird sicherlich die Transparenz zu den Emittenten erhöht, aber die Zugangskosten sind doch auch maßgeblich gestiegen. 

Gerade jedoch in dem Moment, in dem der Kapitalmarkt mit vermehrter Aktivität von Börsengängen langsam anfängt zu reüssieren, setzt sich der Bundestag mit seiner jüngsten Auslegung der EU-Prospektverordnung für die KMU sicherlich ein kleines Denkmal; und das trotz der inhaltlich praktisch richtigen Empfehlungen des Bundesrats vom 28. Mai 2018, Drucksache 147 / 1 / 18.

Darum geht es im Kern

Im EU-Prospektrecht gibt es seit dem Jahr 2003 für die EU-Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Emissionen von Wertpapieren bis zu einem betragsmäßigen Emissionsvolumen von der Prospektpflicht auszunehmen (ab 2003: 2,5 Mio. Euro, ab 2010: 5 Mio. Euro, ab 2017: 8 Mio. Euro). In der Vergangenheit hat der Gesetzgeber in Deutschland von dieser EU-rechtlichen Möglichkeit dahingehend Gebrauch gemacht, dass er Emissionen von Banken und börsennotierten Emittenten bis zu 2,5 Mio. Euro bzw. 5 Mio. Euro von der Prospektpflicht befreit hat. Die Einschränkung auf diesen Kreis der Emittenten wurde damit begründet, dass diese Emittenten weitreichend reguliert sind und insofern bei ihnen aus Anlegerschutzgesichtspunkten eine Ausnahme vertretbar ist. Diese Ausnahme wurde nun in der Vergangenheit regelmäßig für sogenannte Kleinemissionen von Emittenten in Anspruch genommen.

Nachdem die EU-Prospektverordnung ermöglicht hatte, dass seit dem 21. Juli 2018 in Deutschland Emissionen von jährlich bis zu acht Millionen Euro von der Prospektpflicht befreit sind – was von Seiten der Emittenten, Banken und Beratern aus dem Mittelstand befürwortet wurde –, folgte nun durch Beschluss des Bundestags ein Schildbürgerstreich. Zwar schöpft der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeiten, die die EU bietet, in dem Punkt voll aus, dass er vorschreibt Anbieter für öffentliche Angebote in Deutschland mit einem Gesamtgegenwert von mehr als 100.000 Euro, aber weniger als 8 Mio. Euro müssen nun keinen Prospekt erstellen, sondern nur ein dreiseitiges Wertpapierinformationsblatt vorbereiten. Zugleich verschärft die deutsche Umsetzung den Inhalt der EU-Prospektverordnung aber derart, dass bei prospektfreien Angeboten ab einem Betrag von 1 Mio. Euro bestimmte Anlageschwellen entsprechend der Befreiungsvorschrift für Schwarmfinanzierungen (Crowdfunding) für nicht qualifizierte Anleger, hiermit sind auf Deutsch inhaltlich Privatpersonen gemeint, eingehalten werden – was die ganze Regelung ad absurdum führt. Denn konkret heißt das: Der Gesamtbetrag der Wertpapiere, die von einem solchen Anleger erworben werden, darf 1.000 Euro nicht übersteigen; selbst bei höherem Einkommen und größerem Vermögen ist die Investitionssumme eines privaten Anlegers auf 10.000 Euro begrenzt.

Kapitalmarktrechtliches Denkmal des Bundestages für KMU – die Anwendung der Schwellwerte verstößt bei Kleinstemissionen gegen das im Aktiengesetz verankerte gesetzliche Bezugsrecht der Aktionäre

In der Empfehlung des Bundesrats heißt es wortwörtlich: „Die Einführung dieser Einzelanlageschwellen würde eine Verschärfung der EU-Prospektverordnung darstellen und die Entscheidungshoheit von Privatanlegern. einschränken. Dies würde der Intention des europäischen Gesetzgebers, das Kapitalmarktangebot für Anleger zu erweitern, entgegenstehen. Die Einzelanlageschwellen könnten außerdem den Erwerb von bewährten Standardprodukten wie Inhaberschuldverschreibungen limitieren, deren Risiko für Privatanleger überschaubar und verständlich ist – insbesondere, wenn zuvor eine Beratung stattgefunden hat. Sie sollten im weiteren Gesetzgebungsverfahren deshalb auf ihre Notwendigkeit geprüft werden.“

Wir können uns den Ausführungen und Empfehlungen des Bundesrats nur anschließen und möchten diese erweitern: Denn die neugeschaffene Regelung sorgt dafür, dass Bezugsrechtsemissionen von einfachen und verständigen Wertpapieren wie Aktien, Wandel- und Optionsanleihen nunmehr ohne Prospekt ausgeschlossen sind.  Die praktische Relevanz erlischt damit komplett. Ein Emittent würde die Grundrechte seiner Aktionäre, das gesetzliche Bezugsrecht, verletzen, wenn es die Einzelanlageschwellen für den Bezug einhalten würde. Eine solche Bezugsrechtsemission würde bei Umsetzung wohl auch nichtig und nicht eintragungsfähig sein.

Chance zur Korrektur nutzen

Wir unterstützen daher die Initiative des Interessenverbandes kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen e.V. zur Korrektur des neuen Gesetzes, der eine Stimmensammlung ins Leben gerufen hat. Auf deren Basis wird eine entsprechende Petition an das Bundesministerium für Finanzen gerichtet. Helfen auch Sie mit, den Gesetzesrahmen den Bedürfnissen Ihres Unternehmens und/oder Ihrer Geschäftspartner im börsennotierten Mittelstand im Sinne der Anleger praktikabel zu ändern. Die Unterschriftensammlung finden Sie unter diesem Link: http://www.kapitalmarkt-kmu.de/wp-4a2a8-content/uploads/2018/08/Unterschriftensammlung_Petition_KMU.pdf.

 

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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1 Kommentar

Nick 28/08/2018 - 15:43

hallo,

bin gespannt wie sich alles weiter entwickelt

Guss Nick

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