Home Mittelstand New Pay: Mittelständler sind auf der Suche nach neuen Gehaltsmodellen

New Pay: Mittelständler sind auf der Suche nach neuen Gehaltsmodellen

von Philipp Rose

Neue Entlohnungssysteme setzen auf transparente Bezahlung mit stärkerer Einbindung der Mitarbeiter. Mittelständler können das Gehalt so stärker an der eigenen Unternehmenskultur ausrichten, die Zufriedenheit der Angestellten erhöhen und Ressourcen sparen. Einige KMU gehen bereits eigene Wege – und auch Großkonzerne fangen an, mit neuen Modellen zu experimentieren.

Die Arbeitswelt ist im Umbruch: New Work-Konzepte wie Homeoffice, flexible Arbeitszeiten und ortsunabhängiges Arbeiten sind durch die Corona-Krise im Aufschwung. Doch nicht nur der Arbeitsplatz verändert sich. Auch die Art und Weise, wie Unternehmen arbeiten, steht im Wandel. Mit agilen Arbeitsmodellen, die auf Digitalisierung und kleine selbstorganisierte Teams setzen, wollen Unternehmen die steigende Komplexität im Job bewältigen. Doch mittlerweile wird auch immer häufiger die Frage gestellt: Wie soll diese neue Form des Arbeitens eigentlich entlohnt werden? Denn warum verdienen manche Personen mehr als andere, obwohl gemeinsam in einem Team gearbeitet wird? Und: Wie können individuelle Boni fair sein, wenn doch der Unternehmenserfolg von allen Mitarbeitern abhängt?

Mittelstand profitiert von flachen Hierarchien

Immer mehr Arbeitgeber – vor allem im Mittelstand – experimentieren mit Vergütungsmodellen nach dem „New Pay“-Konzept. Dieser relativ neue Begriff beschreibt kein festes Lohnmodell, sondern setzt sich für ein flexibles, auf die Bedürfnisse aller Mitarbeiter ausgerichtetes Belohnungssystem ein. Solche Konzepte werden vor allem von kleinen und mittleren Unternehmen aufgegriffen, da dort mehr Veränderungsbereitschaft vorliegt als in den meisten Großkonzernen. Meist setzen sich in KMU schneller flache Hierarchien durch – oder sind bereits vorhanden. Zudem sind die Unternehmenslenker im Mittelstand näher an den Bedürfnissen und Problemen ihrer Mitarbeiter.

Mehr Transparenz und Mitsprache

Einige Unternehmen wollen mittlerweile weg von der rein leistungsorientierten Gehaltserhöhung. Stattdessen setzen sich Vergütungen durch, die gut zur eigenen Unternehmenskultur passen und alle Mitarbeiter mehr einbeziehen. Beispiele für New Pay-Modelle gibt es vor allem bei KMU – aber auch Großunternehmen fangen an, ihre Lohnsysteme zu überdenken.

Der Mittelständler und Sensorik-Hersteller Elobau bemerkte, dass seine Mitarbeiter in Befragungen immer stärker Unzufriedenheit zeigten. Um dem entgegenzuwirken, einigten sich die Unternehmensleitung und die Mitarbeiter auf ein neues Entlohnungssystem. Statt individueller Verhandlungen gibt es jetzt einen Grundlohn und eine Marktprämie, die je nach Qualifikation angepasst werden. Zudem erhalten alle Mitarbeiter eine weitere Bezahlung, die das Sozialverhalten einbezieht und nach einem Punktekatalog bewertet wird. Zuletzt gibt es eine Qualitäts- und Erfolgsprämie, die vom gesamtwirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens abhängt. Das System wurde von den Mitarbeitern selbst entwickelt und verspricht so besonders viel Transparenz und Teilhabe. Das Ergebnis: Die Unzufriedenheit der Mitarbeiter sank deutlich. Das einheitliche Modell spart zudem Ressourcen, da es Lohngespräche deutlich reduziert.

Ein weiteres Beispiel liefert die Unternehmensberatung Borisgloger Consulting. Die Mitarbeiter waren zunehmend unzufrieden mit einem klassischen Lohnmodell. Zusammen entwickelten Mitarbeiter eine flexiblere Vergütung und gründeten eine „Gehaltsgilde“. Diese Mitarbeitergruppe verteilt den jährlichen Etat für Gehaltserhöhungen und bewertet gemeinsam die Leistungen der Mitarbeiter anhand eines transparenten Punktekatalogs. So gib es nun ein System , das für alle Angestellten einsehbar und mitbestimmbar ist.

New Pay an der eigenen Unternehmenskultur ausrichten

Laut Umfragen wünschen sich 77 Prozent der Beschäftigten mehr Gehaltstransparenz. Hier kann der Mittelstand ansetzen: Mit neuen Entlohnungskonzepten geben KMU ihren Mitarbeitern mehr Einsicht und Mitspracherecht. So erhöhen Mittelständler ihre Attraktivität für Fachkräfte. KMU können ihr Lohnsystem deutlich stärker an der eigenen Unternehmenskultur ausrichten und ihr eigenes Profil nach außen hin schärfen. Gleichzeitig fördert es die Zufriedenheit der Angestellten, was für eine stärkere Bindung der Mitarbeiter sorgt. Zuletzt entlastet es Unternehmenslenker, da bei einem einheitlichen System weniger individuelle Gehaltsverhandlungen notwendig sind.

Doch nicht nur KMU, auch größere Unternehmen versuchen sich an New Pay-Modellen. Die Deutsche Bahn bietet etwa ihren Mitarbeitern Wahlmöglichkeiten bei der Bezahlung: entweder eine Lohnerhöhung um 2,6 Prozent, eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit um eine Stunde oder 6 Tage mehr Urlaub. Ein weiteres Beispiel bietet Bosch: Der Industrietechnik-Hersteller hat individuelle Boni abgeschafft und setzt vermehrt auf Gruppen- und Team-Boni.

 

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Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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