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Refinanzierung: Stillstand ist keine Lösung

von Holger Clemens Hinz

Was die Refinanzierung angeht, haben KMU sicherlich schon einmal ein besseres Umfeld vorgefunden. Dem Kapitalmarkt als weitere Opportunität den Rücken zu kehren, ist für den Mittelstand aber absolut keine gute Strategie.

Trotz immer einmal wieder stattfindender Frühlingsunterbrechungen zeigt der Winter langsam aber sicher sein unverwechselbares Gesicht: Die Temperaturen nähern sich allmählich dem Gefrierpunkt, mancherorts rieselten schon die ersten Flocken zu Boden und einige Weihnachtsmärkte haben auch schon ihre Pforten geöffnet – adventliche Idylle pur eben. Da muss einem doch warm ums Herz werden.

Zumal: Für viele Menschen und Unternehmen war es ein Spitzenjahr. Der Wirtschaftsmotor weist aktuell weiterhin eine, wenn auch mit einer im Vergleich zum Vorjahr geringeren Dynamik, komfortable Drehzahl auf, die Arbeitslosenquote verharrt auf niedrigem Niveau und Immobilienunternehmen egal welcher Wertschöpfungsstufe sowie Häuslebauer können angesichts der nicht enden wollenden Niedrigzinsphase ihr Glück wohl immer noch nicht so richtig fassen.

USA, China, Brexit und Italien sorgen für frostige Stimmung

Wer jetzt meint, wir leben auf einer Insel der Glückseligen, der hat sich leider getäuscht. Da wären zum einen all die hinters Licht geführten Dieselfahrer, eine dadurch beim Absatz durchaus strauchelnde Automobil- sowie Zulieferindustrie und die Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Dazu kommen all diejenigen mittelständischen Unternehmen, die – um noch rasch auf den immer schneller Fahrt aufnehmenden Digitalisierungszug aufspringen zu können – völlig verzweifelt geeignete IT-Fachleute suchen oder einen Nachfolger für ihr Lebenswerk.

Nicht zu vergessen ist zudem, welch verheerende Auswirkungen eine Eskalation des Handelsstreits zwischen den USA und China auf die Weltwirtschaft haben könnte oder ein harter Brexit oder eine italienische Regierung, die auch künftig auf ihren vorgelegten Haushaltsplan pocht. Das populistische Regierungsbündnis aus Lega Nord und Fünf-Sterne plant für das kommende Jahr mit einer Neuverschuldung in Höhe von 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – und damit dreimal so hoch wie es von der Vorgängerregierung ursprünglich versprochen worden war. Bei der Vorstellung, dass all diese Entwicklungen im Worst-Case-Szenario münden, will einem so gar nicht warm ums Herz werden.

Refinanzierung: Herausforderndes Umfeld

Schon in den vergangenen Wochen und Monaten haben die beiden Streithähne USA und China, die zähen Brexit-Verhandlungen und der italienische Haushaltsplan nicht nur Spuren in der Wirtschaft hinterlassen, auch am Kapitalmarkt haben diese Unruheherde die Nervosität spürbar ansteigen lassen. Und zwar so sehr, dass der DAX und viele weitere bedeutende Aktienindizes seit Jahresbeginn teils kräftig Federn lassen mussten. Am Rentenmarkt sind derweil die Renditen von vermeintlich sicheren Anleihen weiter gesunken, während sie von Papieren, die auch nur einen Hauch von Risiko versprühen, wieder zulegten. Und es gibt wohl kaum ein renommiertes Wirtschaftsinstitut, das in den vergangenen Wochen nicht die Wachstumsprognose für 2019 nach unten angepasst hat. Kurzum: Die Refinanzierungsbedingungen waren schon mal besser.

Von der zunehmenden Verunsicherung wurden und werden auch mittelständische Unternehmen, die mit dem Gedanken einer Anleiheemission spiel(t)en, nicht verschont, mussten einige KMU in jüngster Vergangenheit ihr geplantes IBO doch erst einmal auf Eis legen. „Es kann nur besser werden“, hoffen daher sicherlich einige KMU, die mit dem Gedanken einer Refinanzierung spielen. Möglich ist so ziemlich alles, doch sehr wahrscheinlich erscheint dieses Szenario nicht.

Refinanzierung: EZB könnte Lage verschärfen

Vielmehr werden KMU wohl auch 2019 mit einem herausfordernden Refinanzierungsumfeld leben müssen. Denn ob und wann sich die USA und China wieder annähern werden, ist selbst nach dem G20-Gipfel in Buenos Aires ungewiss. Auch die zähen Brexit-Verhandlungen könnten sowohl in diesem Jahr bei der Unterhaus-Abstimmung am 11. Dezember 2018 als auch im folgenden  Jahr noch für die eine oder andere Hiobsbotschaft gut sein; und Italien wird wohl auch nicht gerade für Stabilität sorgen.

Hinzu kommt: Die EZB könnte ebenfalls für miese Stimmung sorgen. Zunächst soll zum Jahresende 2018 mit dem gigantischen Anleihekaufprogramm Schluss sein. Seit März 2015 haben die Währungshüter bisher festverzinsliche Wertpapiere für rund 2,2 Billionen Euro gekauft; und bis zum Jahresende kommen noch gut 15 Milliarden Euro hinzu. Damit diese Lücke geschlossen werden kann, könnten die Preise nachgeben und damit einhergehend die Renditen steigen. Darüber hinaus ist auch das Ende der Nullzinspolitik kein Tabu-Thema mehr. Zwar ist sehr unwahrscheinlich, dass EZB-Chef Mario Draghi vor dem Sommer 2019 an der Zinsschraube drehen wird, danach könnte der Leitzins aber erstmals seit Mitte 2011 wieder angehoben werden. Auch KMU müssten dann eine höhere Verzinsung bieten, um genügend Interessenten zu finden.

Attraktive Finanzierungsmöglichkeiten – auch in unsicheren Zeiten

Lautet daher nun die Quintessenz: Die Refinanzierungsbedingungen werden sich 2019 verschärfen? Ganz ehrlich: Wir haben leider auch keine Glaskugel. Zumal sich aktuell auch noch die Regulation in der Findungsphase befindet – angefangen von DGSVO bis hin zu MiFID II und Basel III. Eine seriöse Prognose ist angesichts dieser unsicheren Gemengelage schlichtweg nicht möglich; fest steht ausschließlich, dass die Volatilität auf Basis des wilden Potpourris an zumeist politischen Themen bleiben wird. Einen Tipp können wir Unternehmensentscheidern aber dann doch noch mit auf den Weg geben. Ganz gleich wie herausfordernd das aktuelle Umfeld ist oder werden wird, auch in schwierigen Zeiten gibt es attraktive Finanzierungsmöglichkeiten, sie müssen nur entdeckt und opportunistisch werden. Vergleichen Sie und treffen Sie keine überhasteten Entscheidungen – dann könnte auch 2019 ein herausragendes Jahr werden!

 

 

Über den Kapitalmarktblog:

Hier schreiben die Kapitalmarktexperten der Quirin Privatbank über die deutsche Wirtschaft und alles, was den heimischen Mittelstand bewegt. Das erfahrene Team der Quirin Privatbank hat die Entwicklungen rund um die Mittelstandsfinanzierung immer im Blick und zeigt auf, welche alternativen Finanzierungsformen für KMU interessant sind.

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