Seitdem die Europäische Zentralbank 2019 wieder restlos zur expansiven Geldpolitik zurückgekehrt ist, erfahren gänzlich untypische Investments eine Renaissance: Sachwerte. In Zeiten, in denen Anleger mit dem Sparkonto unter dem Strich – also nach Abzug der Inflation – ein Minusgeschäft machen, entfalten Sachwerte wie Edelmetalle, Uhren, Wein, Oldtimer oder auch Kunst heute einen besonderen Reiz.
Vor allem Edelmetallmünzen stehen bei vielen Investoren hoch im Kurs – und zwar aus gutem Grund: Als austauschbares Anlageobjekt sind Münzen recht schnell wieder zu Geld zu machen. Das sieht bei zahlreichen anderen Investments in Sachwerte anders aus: Wer sich etwa einen teuren Wein in den Keller legt, muss im Verkaufsfall zunächst geeignete Interessenten finden. Dank Plattformen im Internet und spezialisierten Wein-Brokern ist das inzwischen aber kein allzu großes Problem mehr – vorausgesetzt, es handelt sich nicht nur um wenige Flaschen .
Edle Uhren: Liquider Zeitmarkt
Auch bei hochpreisigen Uhren bekannter Marken wie Rolex oder Patek Philippe hat sich im Internet über spezielle Anbieter wie etwa Chrono24 ein liquider Zweitmarkt entwickelt. In der Regel notieren Uhren dort sogar etwas höher als beim Neukauf direkt beim Juwelier. So legte etwa die bekannte Rolex Submariner zwischen 1994 und 2016 allein um knapp 300 Prozent zu – eine Rendite, die sich sehen durchaus lassen kann und auch unter Investment-Gesichtspunkten nicht zu verachten ist.
Auto-Anlagen: Schön und rentabel – vorausgesetzt…
Ähnlich sieht es auch bei Oldtimern aus: Der Deutsche Oldtimer Index des Verbands der Automobilindustrie (VDA) legte zwischen 1999 und 2017 um rund 150 Prozent zu. Während der vergangenen Jahre hat sich die Dynamik auf dem Oldtimermarkt allerdings ein wenig abgeschwächt. Womöglich dürften die zunehmende Diskussion rund um die Energiewende und die bevorstehende Antriebsrevolution bei Automobilen einige Investoren von einem Kauf abgeschreckt haben. Zum Erliegen ist der Markt aber nicht gekommen. Wichtig ist allerdings, dass potenzielle Käufer die Tücken des als sehr heterogen geltenden Oldtimermarkts kennen: Während bestimmte Modelle aus der Massenproduktion selbst nach Jahrzehnten kaum an Wert gewinnen, verzeichnen seltene Cabriolets und Sondereditionen eine teils überaus erfreuliche Rendite. Um bei Oldtimern auf das richtige Pferd zu setzen, ist also ein besonderes Gespür für Automobile und deren Markt gefragt.
Kunst als herausfordernder Markt
Noch komplexer gestalten sich Investments in Kunst. Abseits der Schlagzeilen rund um Kunstwerke, die noch vor wenigen Jahren ein paar tausend Dollar gekostet haben und inzwischen für Millionen den Besitzer wechseln, ist der Markt sehr komplex und kompliziert. Der überwiegende Teil der Kunstwerke gewinnt – wenn überhaupt – nur unwesentlich an Wert. Dies zeigen etwa die Untersuchungen von Ökonomen wie Bruno Frey und Werner Pommerehne, die Investments in Kunst auf den Grund gegangen sind – und eine jährliche Rendite von mageren 1,6 Prozent ermittelt haben. Angesichts der damit verbundenen Risiken ist das kein überzeugender Wert. Hinzu kommen bei Kunst hohe Nebenkosten für Lagerung, Transport oder Versicherung. Für Käufer wird bei Auktionen zudem in der Regel ein ordentliches Aufgeld fällig. Und zu guter Letzt hält das Auktionshaus auch beim Verkauf des Objekts noch einmal die Hand auf.
Keine Sachwerte ohne Fachwissen
Angesichts dieser Rahmenbedingungen lohnen sich Investments in Sachwerte nur für Menschen mit einem besonderen Bezug zur jeweiligen Anlageklasse und einer gehörigen Portion Leidenschaft. Wessen Blut in Wallung gerät, wenn er an bestimmte Sondereditionen von Porsche oder Alfa Romeo denkt oder wer einen besonderen Bezug zur Frankfurter Kunstszene der 1990er Jahre hat, kann ein Liebhaber-Investment durchaus wagen. Auch wer das nötige Kleingeld hat und sowieso eine Uhr braucht – eine schicke Rolex dürfte auch in Zeiten von Smartwatches Werte konservieren. Vor einem Investment in nicht täglich liquide Sachwerte wie Gold und andere Edelmetalle sollte der weniger versierte Investor aber zunächst seine Hausaufgaben machen und andere liquide Anlageklassen ausreichend seinem Depot beimischen. Nicht liquide Sachwerte bleiben die Kür, sind aber nicht die Pflicht.
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